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Röntgenastronomie: Ein schärferer Blick auf Galaxienhaufen

Die Daten des Röntgensatelliten XRISM liefern noch nie dagewesene Details darüber, wie sich ionisiertes Plasma in massereichen Galaxienhaufen bewegt – eine Frage mit enormen kosmologischen und astrophysikalischen Implikationen.
Eine optische Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble zeigt Galaxien, die zum Centaurus-Haufen gehören. Eine große rundliche Galaxie befindet sich rechts. Es ist die größte im Haufen.
Diese Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble zeigt die massereiche elliptische Galaxie NGC 4696 (rechts), welche die größte Galaxie im Centaurus-Haufen darstellt. Interstellarer Staub erscheint als dunkles Filament.

Galaxienhaufen sind Ansammlungen von Hunderten bis Tausenden von Galaxien, die durch die Schwerkraft zusammengehalten werden. Die Klärung der internen Dynamik dieser außergewöhnlichen Strukturen ist der Schlüssel zum Verständnis ihrer Entstehung und damit zu Erkenntnissen über den Materie- und Energiegehalt des gesamten Universums. In einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift »Nature« machen Forschende um Marc Audard mit den bisher detailliertesten Beobachtungen der internen Bewegungen im Centaurus-Galaxienhaufen, der etwa 120 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist, einen entscheidenden Schritt nach vorn.

Die Beobachtung von Galaxienhaufen hat eine lange Geschichte, in der sie kosmische Überraschungen enthüllte. Der Schweizer Astronom Fritz Zwicky war der Erste, der erkannte, dass die schnellen Bewegungen der Galaxien – von rund 2000 Kilometern pro Sekunde – im Coma-Haufen nur anhand der Hypothese erklärt werden können, dass diese Galaxien durch die Anziehungskraft einer großen Menge Dunkler Materie zusammengehalten werden. Die Masse dieser unsichtbaren Materieform übersteigt bei Weitem die Masse der Sterne in einer Galaxie.

Heute sind Galaxienhaufen die größten gravitativ gebundenen Strukturen, die im Universum bekannt sind. Sie weisen Massen von mehreren zehntausend Milliarden (1013) bis hin zu Billiarden (1015) Sonnenmassen auf. Nach dem kosmologischen Standardmodell, in dem der Materiegehalt des Universums von einer unbekannten Form Dunkler Materie dominiert und seine Expansion durch eine noch geheimnisvollere Dunkle Energie beschleunigt wird, sind Galaxienhaufen die jüngsten Strukturen, die sich gebildet haben.

Zusätzlich zu ihrer dominierenden Dunklen Materie und der Masse ihrer sichtbaren Sterne bestehen etwa 10 bis 15 Prozent der Gesamtmasse der Galaxienhaufen aus einem diffusen und extrem heißen Plasma, das hauptsächlich aus Wasserstoff- und Heliumionen besteht und Temperaturen von mehreren zehn Millionen Kelvin erreicht. Bei solch hohen Temperaturen ist das Plasma vollständig ionisiert und sendet intensive Röntgenstrahlung aus. Dies geschieht vor allem durch den als Bremsstrahlung bekannten Prozess, bei dem Plasmaelektronen an Ionen gestreut werden und dabei Lichtteilchen (Photonen) emittieren.

Dieses Plasma enthält auch einen kleinen Anteil von Elementen, die schwerer als Helium sind und die in der Astrophysik als Metalle bezeichnet werden. Diese Metalle sind Nebenprodukte der Nukleosynthese in Sternen und werden durch energiereiche Prozesse in das Plasma geschleudert, zum Beispiel durch aktive galaktische Kerne (AGN). Diese AGN beherbergen in ihren Zentren extrem massereiche Schwarze Löcher mit Massen bis zum Milliardenfachen der Sonnenmasse. Die Schwarzen Löcher sammeln Gas aus der Umgebung auf – ein Vorgang, bei dem Energie freigesetzt wird.

Astronomen können das Vorhandensein von Metallen durch das Untersuchen von Emissionslinien feststellen. Derartige Spitzen in der Lichtemission treten bei bestimmten Frequenzen auf und werden durch atomare Energieübergänge in den Atomschalen erzeugt. Die Spektrallinien, die einem breiteren Bremsstrahlungsspektrum überlagert sind, enthalten Informationen über die physikalischen Eigenschaften des Plasmas. Ihre Stärke zeigt die Häufigkeit von Metallen an, die das Plasma verunreinigen, und zeichnet so die Geschichte der Sternentstehung in den Galaxien des Haufens nach. Außerdem lassen sich die Bewegungen des Plasmas aus der Breite und der Dopplerverschiebung (Frequenzänderung) der Linien ablesen, wenn man sie mit Linien von einem statischen Objekt vergleicht. In solchen Bewegungen sind sowohl die Schwerkraft, die zur Bildung des Haufens führte, als auch die immense Energie der massereichen aktiven Galaxien im Haufenzentrum aufgeprägt (siehe »Einblicke in galaktische Plasmabewegungen«, a und b). Die Quantifizierung und Charakterisierung dieser Bewegungen sind entscheidend für die kosmologischen und astrophysikalischen Anwendungen von Galaxienhaufen.

Für ihre Studie nutzte das Team um Audard die fortschrittlichen technologischen Fähigkeiten des Weltraumteleskops XRISM (X-Ray Imaging and Spectroscopy Mission). Diese gemeinsame Mission der NASA und der Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) mit Beteiligung der Europäischen Weltraumorganisation ESA wurde im Jahr 2023 gestartet. Die Wissenschaftler führten eine detaillierte Untersuchung der Geschwindigkeitsfelder des Plasmas in den Kernregionen des Centaurus-Haufens durch (siehe »Einblicke in galaktische Plasmabewegungen«, c).

Die Besonderheit des Satelliten XRISM ist sein Röntgenspektrometer, dessen Detektoren eine noch nie dagewesene Energieauflösung bieten. Dieses Instrument kann Unterschiede von nur wenigen Promille in der Energie der eintreffenden Röntgenphotonen erkennen. Dank dieser außergewöhnlichen Energieauflösung konnte das Team um Audard eine sorgfältige Analyse der Breite der Emissionslinien verschiedener Metalle durchführen. Daraus konnte es die Geschwindigkeit des Plasmas ableiten, das diese Metalle in einer zentralen Region mit einem Durchmesser von etwa 200 000 Lichtjahren enthält.

Drei Abbildungen sind nebeneinander zu sehen. Eine Karte links zeigt die Gasdichte in einem Galaxienhaufen, wie sie aus kosmologischen Computersimulationen resultiert. In der Mitte ist das gleiche Gebiet zu sehen, hier mit dem simulierten Geschwindigkeitsfeld im Haufen. Rechts sind echte Beobachtungen eines Galaxienhaufen mit dem Röntgenteleskop XRISM gegenübergestellt.
Einblicke in galaktische Plasmabewegungen | Die Karte der Gasdichte wurde in einer kosmologischen hydrodynamischen Simulation eines Galaxienhaufens gewonnen (a). Für dieselbe Karte wurde der Rotationsgrad des Geschwindigkeitsfelds dargestellt (b). Beide Bilder zeigen, wie sich Gasströme in Galaxienhaufen ausbreiten, und zwar von größeren, kosmologischen Skalen – bei denen die Gasdichte zu gering ist, um Röntgenemissionen zu erkennen – zu kleineren Skalen, bei denen eine höhere Gasdichte dazu führt, dass Emissionen von Instrumenten wie XRISM detektiert werden können. Rechts daneben befindet sich ein Röntgenbild des Centaurus-Haufens, aufgenommen mit dem NASA-Röntgenteleskop Chandra bei 2 bis 7 Kiloelektronvolt (c). Die einzelnen Regionen, die von den Beobachtungen mit XRISM erfasst wurden, sind in das Bild eingeblendet.

Ihr wichtigstes Ergebnis ist, dass sich eine Gesamtplasmamasse von etwa zehn Milliarden Sonnenmassen in dieser Region mit einer Geschwindigkeit von etwa 200 Kilometern pro Sekunde relativ zur zentralen Galaxie kohärent bewegt. Auf der Suche nach den physikalischen Ursachen dieser Bewegung stellen die Forschenden außerdem fest, dass das Gas in der Nähe der zentralen Galaxie nur eine geringe Geschwindigkeitsschwankung aufweist. Dies deutet darauf hin, dass die von dem AGN in der Zentralgalaxie freigesetzte Energie nur einen begrenzten Einfluss auf die beobachtete Plasmabewegung hat.

Die herausragende Qualität der Daten und die sorgfältige Analyse, die in dieser Arbeit vorgestellt werden, zeigen eindeutig, dass hochauflösende Röntgenspektroskopie umwälzende Einblicke in die Physik des Plasmas innerhalb des Haufens liefern kann. Diese führt zu einem umfassenden Verständnis des Zusammenspiels zwischen Prozessen auf Skalen von wenigen Lichtjahren, auf denen AGN Energie freisetzen, und Prozessen auf kosmologischen Skalen von Millionen von Lichtjahren.

Die bemerkenswerte Energieauflösung des Weltraumteleskops XRISM bringt jedoch einen Nachteil mit sich: Beim Abbilden von Objekten ist die Winkelauflösung eher gering. In der Entfernung des Centaurus-Haufens kann XRISM keine Merkmale in der Plasmaverteilung auflösen, die kleiner als etwa 50 000 Lichtjahre sind. Diese grobkörnige Perspektive hindert die Forscher daran, eindeutige Schlussfolgerungen über die Details der Plasmageschwindigkeiten und damit auch über deren Ursachen zu ziehen.

Im Gegensatz dazu können zwei ältere Röntgenteleskope, XMM-Newton der ESA und insbesondere das Röntgenobservatorium Chandra der NASA, die beide im Jahr 1999 in Betrieb genommen wurden, wesentlich höher aufgelöste Bilder des Plasmas innerhalb des Sternhaufens liefern. Dies geht jedoch auf Kosten einer viel schlechteren Energieauflösung, was aussagekräftige Untersuchungen der Plasmageschwindigkeiten unmöglich macht.

Die Situation wird sich voraussichtlich in der zweiten Hälfte der 2030er Jahre mit dem Start der ESA-Mission NewAthena (New Advanced Telescope for High-Energy Astrophysics) verbessern. NewAthena wird eine Energieauflösung haben, welche sogar diejenige von XRISM übertreffen soll. Dazu kommt eine viel größere Fähigkeit, um Röntgenphotonen zu sammeln – und das bei einer Abbildungsqualität, die mindestens mit derjenigen von XMM-Newton vergleichbar ist. NewAthena soll endlich die Mechanismen aufdecken, welche die mächtigen AGN in den Zentren von Galaxienhaufen antreiben. Und es soll gleichzeitig Licht auf die Entwicklung der massereichsten Galaxien des Universums und des heißen Plasmas, das sie umgibt, werfen.

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  • Quellen

XRISM Collaboration, Audard, M. et al.: The bulk motion of gas in the core of the Centaurus galaxy cluster. Nature 638, 2025
Vallés-Pérez, D., Planelles, S., Quilis, V.: Troubled cosmic flows: turbulence, enstrophy, and helicity from the assembly history of the intracluster medium. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 504, 2021
Zwicky, F.: On the masses of nebulae and of clusters of nebulae. Astrophysical Journal 86, 1937

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