Neutronensterne: Ein torkelnder Pulsar?
In einem zeitlichen Abstand von zwei Jahren beobachteten Hochenergieastrophysiker Kazuo Makishima von der Universität in Tokio und seine Kollegen den Magnetar mit der Bezeichnung 4U 0142+61, dessen Rotationsperiode bei 8,69 Sekunden liegt, und stellten überrascht fest: Ein Anteil des gemessenen Röntgensignals ist aus dem Takt gekommen.
Magnetare sind eine Untergruppe von Neutronensternen und zeichnen sich insbesondere durch extrem starke Magnetfelder aus. Ihre Feldstärken übersteigen diejenigen der üblichen Neutronensterne um das Tausendfache und sind mit dem billionenmal schwächeren Erdmagnetfeld erst gar nicht zu vergleichen. Wie Neutronensterne entstehen Magnetare als Überbleibsel von Supernovaexplosionen am Lebensende von mittelschweren Sternen. Dabei entwickeln sie wegen der Drehimpulserhaltung während des Sternenkollaps hohe Rotationsgeschwindigkeiten und ihre hohen magnetischen Feldstärken. Der Magnetar 4U 0142+61 zählt zu den röntgenhellsten uns bekannten Magnetaren und wird von der Erde aus als Röntgenpulsar beobachtet. Die gepulste Strahlung wird durch den Leuchtturmeffekt erklärt. Dabei sendet der Körper die elektromagnetischen Wellen vorwiegend in engen Kegeln in Richtung seines für gewöhnlich zweipoligen Magnetfelds ab. Weicht dabei die Richtung des Magnetfelds von der Drehachse des Körpers ab, so überstreichen die Abstrahlkegel im Lauf seiner Rotation den Himmel. Entfernte Beobachter nehmen diese als gepulste Signale mit einer Periode wahr, die der Rotationsperiode des Pulsars entspricht.
Die Forscher untersuchten die Röntgenstrahlung des Magnetars mit Hilfe des japanischen Weltraumteleskops Suzaku. Dabei verglichen sie im Abstand von zwei Jahren zwei unterschiedliche Strahlungsanteile: die so genannte weiche Röntgenstrahlung unterhalb von zehn Kiloelektronvolt, die einem Schwarzkörperspektrum folgt, mit der energiereicheren Komponente bei mehr als 15 Kiloelektronvolt. Nachdem sie ihre Messungen für die Bewegung der Erde korrigierten, stellten sie eine Abweichung in der Periodizität des höherenergetischen Signals fest. Eine weitere Analyse der Daten lässt den Schluss zu, dass eine periodische Verschiebung der Signalankunftszeiten dafür verantwortlich sein könnte. Eine solche würde zum Beispiel durch eine geringfügig variierende Entfernung und sich dadurch ändernde Lichtlaufzeiten hervorgerufen werden. Doch wodurch wird sie ausgelöst?
Das Forscherteam schließt einen Begleitstern um den Pulsar aus, weil in dem Fall auch die weiche Röntgenstrahlung die gemessene Anomalie aufweisen müsste. Aus diesem Grund entwarfen sie einen alternativen Erklärungsansatz: Wäre der Magnetar nicht vollkommen kugelförmig, sondern ein wenig verformt, und würden somit seine Dreh- und Symmetrieachse nicht zusammenfallen, dann könnte er nicht stabil rotieren und seine Ausrichtung im Raum fortgehend und periodisch verändern. Diese Kreiselbewegung wird als freie Präzession bezeichnet und würde die Beobachtung erklären, wenn die beiden unterschiedlichen Strahlungsanteile auch regional auf der Oberfläche einen anderen Ursprung hätten. Auslöser für eine Verformung des Magnetars könnte ein zweites Magnetfeld im Inneren sein, das den Rechnungen nach sogar noch hundertmal stärker sein müsste als das äußere. Theoretiker, die den Sternenkollaps modellieren, rechnen damit, dass sich solche im Zusammenspiel mit der schnellen Rotation bilden sollten. Inwiefern die Deutung der Daten der Realität entspricht ist noch unklar. Es wäre möglich, dass Prozesse innerhalb des Neutronensterns zu einer Dämpfung der Kreiselbewegungen führen. Damit wäre eine freie Präzession, wie sie hier vorgeschlagen wird, nur kurzzeitig beobachtbar. Doch träfe das von den Astronomen nun beschriebene Szenario auf dieses Objekt zu, dann könnte sich diese Messmethode in Zukunft zu einem sinnvollen Verfahren entwickeln, die Stärke von Magnetfeldern im Inneren von Magnetaren abzuschätzen.
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