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Vogelkunde: Rollentausch beim Schönheitswettbewerb

Beim Menschen ist die Sache klar: Die Frauen sind - meist - das attraktivere der Geschlechter. Ganz anders sieht die Sache dagegen bei den Vögeln aus, dort spielen Männer diesen Part. Aber keine Frage, es gibt bei beiden Ausnahmen.
Edelpapageien
Jeder Vogelliebhaber, der eine Strichliste seiner Beobachtungen führt und darauf jede für sich neu entdeckte Art auflistet, wird es bestätigen: Eine Erstsichtung ist gut, perfekt wird sie jedoch nur, wenn es ein Männchen war. Denn sie sind es, die als Paradiesvögel mit buntem Federschmuck brillieren, Räder aus Schwanzfedern schlagen wie der Pfau, exquisite Halskrägen aufstellen wie Fächerpapagei und Satyr-Tragopan oder ihr Kleid kolibriartig als Rubine, Saphire und Smaragde im Sonnenlicht aufblitzen lassen können.

Die Weibchen dagegen halten sich meist dezent zurück, ihre Färbung ist eher schlicht und häufig in Erd-, Rinden- oder Graugrüntönen gehalten. Dies hat einen so einfachen wie praktischen Hintergrund: Im Gegensatz zu den Männchen, die mit ihrer Farbenpracht um die Gunst der Angebeteten kämpfen und dabei optisch ihre Gegner ausstechen wollen, ist es für die auserkorenen Mütter sicherer, sich unauffällig im Hintergrund zu halten. Schließlich lauern überall Feinde im Geäst und auf dem Grund, die nicht auch noch zusätzlich durch plakative Rot- oder Gelbtöne aufmerksam gemacht werden müssen.

Edelpapageien an ihrer Bruthöhle | Lange Zeit galten das grüne Männchen und das rot-blaue Weibchen der Edelpapageien (Eclectus roratus) als Vertreter unterschiedlicher Arten, so extrem war ihr Geschlechtsdimorphismus ausgeprägt. Doch weit gefehlt: Beide entwickelten ihre Gefiederfarben wegen des unterschiedlichen Wettbewerbsdrucks, der auf ihnen lastet. Die Weibchen leben die meiste Zeit des Jahres in ihrer Bruthöhle, in der sie gut getarnt sind, die sie aber gegen Konkurrentinnen verteidigen müssen. Zur Abschreckung dient das rote Federkleid, das maximal gut bei ihren Ausflügen ins Blätterdach erkennbar ist. Die Männchen dagegen sind meist auf Futtersuche unterwegs, da sind Grüntöne von Vorteil, die im Laub kaum von Greifvögeln erspäht werden können.
Diese als Geschlechtsdimorphismus bezeichneten Unterschiede kommen bei der überwiegenden Anzahl der Vogelspezies vor, nur in wenigen Familien sind beide Sexualpartner annähernd gleich gefärbt – zumeist unter Höhlenbrütern, die kaum Angst vor Enttarnung haben müssen. Dazu zählen etwa die Papageien, doch gibt es auch hier Ausnahmen. Die im australisch-pazifischen Raum lebenden Edelpapageien (Eclectus roratus) haben dabei sogar den Geschlechtsdimorphismus auf die Spitze getrieben: Sie sehen so verschieden aus, dass die ersten Feldforscher, die dieser Vögel habhaft wurden, lange glaubten, es handele sich um verschiedene Arten.

Erst später fand die Forschung heraus, dass rote und grüne Exemplare nicht zwei Arten angehören, sondern im Gegenteil Mann und Frau eines Edelpapageienpärchens repräsentieren. Nun ist hier aber das Muttertier in ein prächtig leuchtendes Rot gekleidet und mit – je nach Unterart – größeren blauen sowie gelben Partien ausgeschmückt, während der designierte Vater eher auf bescheidene gelblich-grüne Farben und einzelne rote wie blaue Federn setzt. Folglich gilt nicht nur vielen Vogelbeobachtern hier das vermeintlich schwächere Geschlecht als das attraktivere.

Warum aber ist das so? Warum kommt es ausgerechnet bei einer einzigen Papageiengattung zu einer derartig extremen Umkehrung? Zoologen um Robert Heinsohn von der australischen Nationaluniversität in Canberra nahmen sich dieses Phänomens bei der australischen Unterart des Edelpapageis nun an. Sie beobachteten die Tiere in der Natur und sammelten optische Daten wie die Reflexion der Gefiederfarbe und natürlicher Hintergründe oder verschiedene Helligkeitsstufen. Diese gaben sie in Rechenmodelle ein, mit denen die jeweilige visuelle Wahrnehmungsfähigkeit durch die Vögel simuliert wurde.

Bereits anhand der Feldstudien weichen die Edelpapageien von den bisher gängigen Erkenntnissen umgekehrter Geschlechterrollen ab: Wenn in den seltenen Fällen im Vogelreich das Weibchen farbenprächtiger ist als das Männchen, dann werden die potenziellen Väter umworben und diese müssen sich dann anschließend um den Nachwuchs kümmern. Bei Eclectus roratus ist das aber ganz und gar nicht so, denn es betreuen ausschließlich die Weibchen Brut und Aufzucht. Dafür verlassen sie das Nest aber nicht, stattdessen schafft der Partner das Futter aus fruchtenden Bäumen heran – für verschiedene Mütter, denn Edelpapageien praktizieren die so genannte Polygynie, bei der sich ein Männchen mit mehreren Weibchen paart.

Um jedoch bei diesen ausschweifenden Touren nicht den allgegenwärtigen Greifvögeln zum Opfer zu fallen, ist ein tarnendes Grün von Vorteil. Und wie die Forscher mit ihren Berechnungen ermittelten, ist die ausgebildete Farbe der Männchen tatsächlich kaum für Falken und Co im Laubwerk auszumachen: Sie verschwimmt mit der Umgebung. Die Weibchen verlassen zudem aus Mangel an Wohnraum selbst zur Balz kaum die Bruthöhle, deshalb muss das Männchen direkt vor ihrer Haustüre werben. Dort wiederum ist sein Grün maximal gut ersichtlich – nicht nur für die umgarnte Auserwählte, sondern auch für die Konkurrenz, die möglichst frühzeitig erkennen soll, dass es hier für sie nichts mehr zu gewinnen gibt.

In diesem Umfeld möchte die Braut ebenfalls auffallen, denn wegen der raren Nistplätze sind diese unter ihresgleichen heiß umkämpft. Häufig gelangen bei den Auseinandersetzungen auch Gegnerinnen beim Versuch, eine Höhle zu kapern, zu Tode. Damit es erst gar nicht so weit kommt, posieren die Eigentümerinnen in der kurzen Zeit, die sie nicht in ihrem Bau verbringen, in voller Pracht im Blätterdach, sodass auch hier jede sieht, dass das potenzielle Heim besetzt ist. Nach den Auswertungen der Forscher kontrastieren das rote Gefieder und das grüne Laub sehr stark. Nähert sich ein Feind, wird einfach flugs der Rückzug in die schützende Höhlung angetreten – die ausgewachsenen Weibchen haben also mit ihrem bunten Kleid evolutionär betrachtet kaum etwas zu verlieren.

Die Geschlechter der Edelpapageien haben folglich ihre Farben aus unterschiedlichen Wettbewerbs- und Sicherheitsgründen so extrem auseinander entwickelt. Möglich war dies nur durch ihre strikte Aufgabentrennung. Das Ganze scheint jedoch einen – aber offensichtlich nicht artgefährdenden – Nachteil zu haben: Junge Weibchen ohne Refugium fallen mit ihren knalligen Tönen sehr leicht Greifvögeln zum Opfer – ein deutlicher Männerüberschuss ist die Folge.

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