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Roms Obelisken: Sonnen aus Stein

In keiner Stadt der Welt ragen so viele Obelisken gen Himmel wie in Rom. Pharaonen, Kaiser und Päpste nutzten die Monumente – und immer auf die gleiche Weise.
Petersplatz mit dem Obelisken
Mitten auf dem Petersplatz steht ein ägyptischer Obelisk. Kaiser Caligula ließ ihn 37 n. Chr. nach Rom bringen, Papst Sixtus V. beauftragte 1586 die Aufstellung am heutigen Standort.

Wenn die Sonne nachmittags auf Rom brennt, stehen die Touristen auf dem Petersplatz im Schatten des Obelisken. Der dunkle Streifen sei gerade breit genug, dass zwei Menschen nebeneinander gehen können, schrieb Goethe in seiner »Italienischen Reise«. Ironisch, dass der riesige Schattenspender seine Karriere vermutlich als Gabe an den Sonnengott Re begonnen hat. Irgendwann im 2. und 1. Jahrtausend v. Chr., als die Pharaonen des alten Ägypten wohl diesen und andere Obelisken in Heiligtümern aufrichten ließen. Die pyramidale Spitze war damals mit Metall bedeckt, damit sie die Strahlen der Sonne reflektierte und Himmel und Erde miteinander verknüpfte, so die damalige Vorstellung. Obelisken standen für die Ewigkeit und dafür, so scheint es, stehen sie noch heute.

Nirgends gibt es so viele Obelisken wie in Rom. Insgesamt 13 Stück ragen in der Ewigen Stadt in den Himmel. Die Touristen, die heute im Schatten der monumentalen Steinnadeln verweilen, blicken meist auf Altertümer aus römischer Zeit, dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock. Die ältesten Kulturschätze liegen aber in ihrem Rücken.

Denn die meisten Obelisken, acht an der Zahl, waren schon uralt, als Kaiser Augustus und seine Nachfolger sie aus Ägypten holten. Von oben bis unten sind sie mit Hieroglyphentexten beschriftet. Darin rühmen sich die Pharaonen ihrer Taten und Siege, auch solchen, die sie gar nicht errungen haben. Die übrigen fünf Obelisken Roms ließen die römischen Kaiser wohl zu ihren Zeiten in Ägypten fertigen, teils mit kopierten Hieroglyphen übersäen und aufstellen.

Auf diese Weise wurden die Obelisken zum größten Exportschlager der alten Ägypter. Galten die Pfeiler als ein Zeichen königlicher Macht und wortwörtlich als Durchstoß in den Götterhimmel – das bedeutete vermutlich der ägyptische Namen »techen« –, verschleppten die römischen Kaiser und vorneweg Augustus die Steinpfeiler, um sie ihrerseits als Sonnen- und Herrschaftssymbol aufrichten zu lassen. Dafür schickten sie die Obelisken auf eine waghalsige Reise über Land und Wasser.

Steinstarr und dennoch eine bewegte Geschichte – die Obelisken sind Denkmäler, die durch die Hände der Pharaonen, der Kaiser und auch der Päpste gingen. Und für sie alle als Zeichen der Macht genehm waren.

Obelisken wie Orgelpfeifen

Zu den bekanntesten Obelisken Roms gehören der größte Pfeiler vor dem Lateran, 34 Meter hoch, und die zwei kleinsten: der Isis-Obelisk, der auf einer Elefantenskulptur des Barockbildhauers Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) thront, sowie der Pfeiler im Park der Villa Celimontana von Ramses II. Die originalen Schäfte der beiden Zwerge sind 5,47 Meter und 2,68 Meter lang, wobei der kleinste nicht ganz erhalten ist. Den Obelisken in der Villa Celimontana hatte Ramses in zweifacher Ausführung aus dem Stein hauen lassen. Der Zwilling steht heute ebenfalls in Rom, vor dem Pantheon, dem Mehrgöttertempel aus der Zeit Hadrians (117–138). Besondere Stücke sind auch der römische Obelisk auf dem Vierströmebrunnen Berninis auf der Piazza Navona und derjenige oberhalb der Spanischen Treppe. Und wer weitersucht, findet unweit des Borghese-Parks Hadrians Pfeiler für seinen verstorbenen Geliebten Antinoos.

Alle Obelisken in Rom haben die Form und das Material gemeinsam. Sie wurden aus Rosengranit in einem Steinbruch im ägyptischen Assuan gehauen, und sie sind Monolithe, »aus einem Block gemacht, ohne Naht und Verbindung«, wie Königin Hatschepsut im 15. Jahrhundert v. Chr. auf einen der Riesenpfeiler meißeln ließ. Viele der Obelisken hatten die Ägypter wahrscheinlich in den bedeutenden Heiligtümern von Heliopolis und Karnak zu Ehren des Sonnengotts aufgestellt. Sie sollten den Himmel mit der Erde verbinden und die Macht der Könige verkörpern, die allesamt als Söhne des Re galten.

Die Hieroglyphen, die geheimnisvollen Zeichen der Schriftgelehrten und Priester, konnte schon fast niemand mehr lesen, als Ägypten zur römischen Provinz wurde. Nach der Schlacht von Actium im Jahr 31 v. Chr., als Oktavian, der spätere Kaiser Augustus, die Pharaonin Kleopatra besiegt hatte, nutzte Rom das Land am Nil nicht nur als Korn-, sondern auch als Schatzkammer.

Augustus war der erste Römer, der einen Obelisken versetzen ließ. Zunächst innerhalb Ägyptens, dann, 20 Jahre nach seinem Sieg von Actium, sollten sie auch nach Rom kommen. Die ägyptische Idee der Denkmäler als gigantische Symbole für den Sonnengott und seine Abkömmlinge kam dem römischen Potentaten zupass. Wohl aus ähnlichen Beweggründen wie die alten Pharaonen ließ er vier der Granitpfeiler nach Rom schaffen und aufrichten, erklärt die Ägyptologin Friederike Herklotz in ihrem Buch »Prinzeps und Pharao«.

Zwei davon, jeweils mehr als 20 Meter lang, platzierte Augustus mitten in den Circus Maximus und unweit seines Mausoleums – heute stehen sie auf der Piazza del Popolo und vor dem Palazzo Montecitorio. Bei dem Pfeiler in der Pferderennbahn »wird die Verbindung zur Sonne sehr deutlich, denn wie der Sonnenwagen täglich die Erde umkreist, umrunden auch die Pferdewagen die ›spina‹ (den Mittelsteg) des Circus Maximus«, wo der Obelisk einst stand, erklärt die Expertin von der HU Berlin. Der andere Pfeiler auf dem Marsfeld war Monument und Messinstrument für die Sonne zugleich – er sollte als riesiger Mittagsweiser seinen Schatten werfen.

»Römer geht nach Hause«

In Rom kursierten Geschichten, dass Augustus der leibhaftige Sohn des Apollon sei, eines Sonnengotts. Und der Kaiser tat selbst viel daran, diese Abkunft als Wahrheit darzustellen. Die Obelisken kamen ihm als Denkmal also gelegen. Zudem: Nichts machte deutlicher, dass er, Augustus, Ägypten erobert und Kleopatra besiegt hatte, wie es der klassische Archäologie Rolf Michael Schneider von der LMU München in Aufsätzen darlegt.

Elefantös | Der Barockkünstler Gian Lorenzo Bernini fertigte im Auftrag des Papstes einen besonderen Sockel für den Obelisken auf der Piazza della Minerva: in Form eines Elefanten mit bewegtem Rüssel. Eingeweiht wurde das Denkmal 1667.

Ungewiss bleibt, ob damals noch jemand lesen konnte, was genau auf den mit Hieroglyphen beschrifteten Pfeilern steht. Die Königsnamen in ihren auffälligen Kartuschen waren wohl als »pharaonisch« erkennbar. Und aus dem 4. Jahrhundert berichtet der Historiker Ammianus Marcellinus, ein ägyptischer Priester habe Augustus die Inschriften jenes Obelisken übersetzt, der heute auf der Piazza del Popolo in den Himmel ragt. Verglichen mit dem tatsächlichen Wortlaut war es eher eine sinngemäße Übertragung zu Propagandazwecken. Hätte »Römer geht nach Hause« auf dem Stein gestanden, niemand hätte es bemerkt.

Als die Römer im Überlegenheitstaumel auf die Idee kamen, Obelisken als Sieges- und Sonnensymbol mitzunehmen, spielte der genaue Inhalt der Beschriftung womöglich keine allzu große Rolle. Die Steinspitzen der Pharaonen würden auch so in Rom ihre königliche Wirkung nicht verfehlen. Dabei blieb es bis heute. Die meisten Touristen, die im Schatten der Obelisken verweilen, bestaunen die Werke der alten Ägypter, können die Inschriften aber nicht entziffern – weder die ägyptischen noch die lateinischen.

Als die römischen Kaiser anfingen, sich für die riesigen Sonnendenkmäler zu begeistern, rissen sie die Obelisken aus ihrem Kontext. Von manchen Stücken ist noch bekannt, an welchem Ort sie ursprünglich standen, von anderen nicht. Sicher ist: Meist waren sie im Doppelpack in den Heiligtümern platziert. Als Zwillingspaar kamen sie allerdings selten nach Rom. Eine Ausnahme bilden vermutlich der Obelisk hinter der Kirche Santa Maria Maggiore und derjenige vor dem Quirinalspalast. Beide sind gleich lang und unbeschriftet. Wer die beiden Rosengranitspitzen wann in Ägypten zurechthauen ließ, ist unbekannt. In Rom standen sie jedenfalls einige hundert Jahre gemeinsam vor dem Mausoleum des Augustus. Papst Sixtus V. (1521–1590) ließ später den einen zu Santa Maria Maggiore transportieren, Pius VI. (1717–1799) brachte den anderen auf den Quirinale.

Der eine ist angegraut und seine Kanten angeschlagen, der andere vor dem Regierungspalast auf dem Quirinale hingegen dürfte der bestbewachte Obelisk der Stadt sein. Er sieht bis heute Präsidenten und Präsidentinnen kommen und gehen, und er glänzt, als würde er täglich poliert. Die Zwillinge zeigen, wie unterschiedlich selbst Monolithe gedeihen, wenn sie in unterschiedlichem Umfeld aufgepflanzt werden. Wie viele der Riesen seit der Antike umfielen, ist nicht bekannt. Ursprünglich sollen es gar um die 50 Obelisken in der Stadt gewesen sein. Die Zahl ist nicht gesichert und vielleicht ein Beispiel kaiserlicher Angeberei.

Die Reisen des vatikanischen Obelisken

Viele der Obelisken in Rom haben weite Wege hinter sich. Und nicht immer ist jede Etappe nachvollziehbar, wie der Ägyptologe Labib Habachi (1906–1984) in seinem Obelisken-Kompendium nachzeichnete. Gut dokumentiert ist der Werdegang jenes Granitpfeilers, der heute vor Sankt Peter seinen Schatten wirft. Jahrhundertelang stand er nur einige hundert Meter von dort entfernt. Kaiser Caligula, der Grausame, angeblich Größenwahnsinnige, hatte viel übrig für die steingewordenen Siegeszeichen. Im Jahr 37 gab er Befehl, einen Obelisken von Alexandria nach Rom zu bringen. In der ägyptischen Metropole hatte man ihn schon mehr als sechs Jahrzehnte zuvor zu Ehren von Augustus als Zeiger einer Art Sonnenuhr aufgestellt. Womöglich gab ursprünglich Kleopatra das Stück in Auftrag, bevor die Römer es für sich beanspruchten.

Koloss | Fast 33 Meter hoch und 235 Tonnen schwer: der Obelisk auf der Piazza del Popolo. Laut der Hieroglypheninschrift gab Pharao Sethos I. den Sonnenpfeiler in Auftrag, sein Sohn Ramses II. ließ das Denkmal fertigstellen. Kaiser Augustus befahl dann fast 1300 Jahre später, um 10 v. Chr., die Überführung von Heliopolis nach Rom.

Nun ist ein Obelisk ein unpraktisches Mitbringsel. Kaiser Caligula (12–41) ließ daher ein riesiges Schiff bauen, um sein 326-Tonnen-Souvenir zu transportieren. Wie Plinius der Ältere in seiner »Naturalis Historia« berichtet, wurden Unmengen an Linsen mit verladen. Nicht nur, weil sie in Rom gerne gegessen wurden, sie sollten das Schiff auf der Reise stabilisieren. Das funktionierte. In Rom angekommen, wurde der Koloss im Circus Vaticanus aufgerichtet.

Wohl an ebenjenem Ort ließ später Nero (37–68) grausame Spiele abhalten und Christen hinrichten. Doch schon im 2. Jahrhundert verfiel die Stätte. Und der Obelisk? Blieb stehen. Die Zeiten änderten sich, selbst in Rom. Kaiser Konstantin gewährte 313 die freie Religionsausübung, auch für das Christentum, Theodosius I. machte es 380 zur Staatsreligion. Auch diese Zeit überstand der Obelisk unbeschadet. Nicht einmal die Westgoten, die vor wenig Halt machten, stürzten ihn. Und selbst, als das Weströmische Reich unterging, stand der Pfeiler immer noch.

Im Schatten des Obelisken erhob sich da längst die erste christliche Basilika auf dem Petersplatz. Viele seiner Pendants, die römische Kaiser geholt oder gestaltet hatten, lagen zu dieser Zeit schon in Trümmern, waren umgestürzt oder im Erdboden versunken. Caligulas Obelisk stand noch, als die konstantinische Basilika einsturzgefährdet abgerissen wurde und die Päpste sich ab 1506 an die Planung des Petersdoms machten. Der Obelisk, das heidnische Zeichen, das von der Macht der ägyptischen Götter, der Pharaonen und römischen Kaiser zeugte, sollte nun der Mittelpunkt des wichtigsten Platzes der Christenheit werden. 1586 zog er um.

Als die Päpste die heidnischen Steine übernahmen

Inzwischen war Papst Sixtus V. an der Macht, mit großen Ambitionen, die Stadt umzugestalten. Ihm lag womöglich nichts an dem Plunder, der überall in Rom an die Kaiser erinnerte. All die Säulen, Amphitheater, Foren und Arenen. Er wollte klare Achsen und große Pilgerkirchen. Was lag da näher, als die Obelisken so zu platzieren, dass sie den Pilgern den Weg zur nächsten Basilika weisen würden? Groß genug waren sie. Zudem waren sie herrlich geeignet, um der Welt zu zeigen, dass das Christentum über die ägyptischen und römischen Götterkulte triumphiert hatte. Sixtus nutzte die heidnischen Symbole, ließ sie umsetzen, mit neuen Inschriften überschreiben, christlich weihen und mit einem Kreuz bekrönen. Das perfekte Symbol war geschaffen.

Augustusmausoleum | Als Grablege ließ Kaiser Augustus ein Mausoleum auf dem Marsfeld in Rom erbauen. Das Kernmauerwerk steht heute noch. Einst flankierten zwei Obelisken den Eingang.

Nun war das perfekte Zeichen nicht nur bedeutungsschwer, es wog auch 326 Tonnen. Wie nur sollte der Koloss von neben der Basilika mitten auf den Platz kommen? Zwar war die Strecke von 260 Metern und der Höhenunterschied von acht Metern im Vergleich zur Reise von Alexandria nach Rom ein Klacks. Dennoch: Wer war in der Lage, das sperrige Teil ohne Unfälle von A nach B zu hieven? Nach einigem Hin und Her erteilte Sixtus den Auftrag an den päpstlichen Architekten Domenico Fontana (1543–1607). Vermutlich war dieser selbst ein bisschen erschrocken, als der Papst ihm 1585 ein Privileg ausstellen ließ, das ihn autorisierte, jeden Zimmermann, jedes Holz, jedes Seil, jede Winde und jedes Pferd zu nutzen, um den Obelisken auf den Petersplatz zu schaffen.

Fontana arbeitete wie besessen an einem riesigen Balkengerüst, seinem Plan und seiner Choreografie. Er berechnete Gewicht und Dichte, die Anzahl der Winden und Seile und probte mit aufeinander abgestimmten Pferden, die die Seile stabilisieren sollten. Am 28. April 1586 war es so weit. Ganz Rom war auf den Beinen, um zu sehen, wie der Obelisk bewegt würde. Gelang es, den Riesen zu versetzen, dann war das der Beginn einer Neuordnung Roms. Stürzte er, war garantiert ordentlich etwas los in der Stadt. Man munkelte, Papst Sixtus habe Fontana in der Morgenmesse zugeflüstert, wenn es schiefgehe, lasse er ihm den Kopf abschlagen. Niemand bezweifelte, dass der Papst handeln würde. Auch Fontana nicht. Für den Fall seiner Flucht soll er deshalb an jedem Tor der Stadt Pferde bereitgestellt haben.

Ein Spektakel brachte ganz Rom auf die Beine

Wie der gesamte Umzug vonstattenging, beschrieb Fontana in seinem Buch aus dem Jahr 1590. Als der Ortswechsel begann, standen etwa 900 Männer und 75 ausgesuchte Pferde an ihren Plätzen. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Sie zogen an den Seilen, die den Obelisken heben, kippen und stabilisieren würden. Es war bei schwerer Strafe verboten zu sprechen, damit Fontanas Befehle weithin hörbar waren. Die Männer atmeten still, das einzige Geräusch war das Schnauben der Pferde. Die Seile spannten sich, die Winden quietschten, der Obelisk hob sich. Doch kippen ließ er sich noch nicht. Vier Klammern aus Bronze, die den Pfeiler an seinem Sockel hielten, standen im Weg. Vier Tage und Nächte bearbeiteten Fontanas Männer die Halterungen, bis sie gelöst waren. Nachdem Seile, Winden und Hölzer in den kommenden Tag neu ausgerichtet worden waren, senkte man den Obelisken schließlich zur Seite und legte ihn auf einem Schlitten ab. Anschließend karrte man den Koloss an seinen neuen Bestimmungsort.

Fontanas Gerüst | In Schrift und Bild legte Domenico Fontana detailliert dar, wie er den Umzug des Obelisken vom Circus Vaticanus zum Petersplatz bewerkstelligte. Ein Gerüst, dutzende Pferde, fast tausend Männer und Unmengen an Seil waren nötig, um den Koloss auf einen Schlitten zu kippen.

Zwischendurch öffneten Priester die bronzene Kugel, die wohl seit der Antike auf des Pfeilers Spitze prangte. Die Menschen Roms erzählten sich damals, dass in der Bekrönung die Asche Cäsars verborgen läge. Doch: Die Kugel war leer. An ihre Stelle setzte man ein Kreuz – und dieses Mal sollte es kein leeres Versprechen sein. Wie jeder christianisierte Obelisk, bekam er eine Reliquie, angeblich einen Span vom Heiligen Kreuz, der allerdings erst 1740 an Ort und Stelle kam.

Am 10. September 1586 gegen Sonnenuntergang war es endlich so weit. Der Obelisk stand aufrecht am neuen Bestimmungsort. Tage später bauten Zimmerleute das Gerüst ab, der Papst sprach den Segen über den ehemals heidnischen Steinriesen aus dem fernen Ägypten. Das Wunder war vollbracht.

Der Obelisk aus Alexandria war nicht mehr die Steinnadel aus dem Circus Vaticanus, sondern der erste durch päpstlichen Segen versetzte und geweihte Obelisk vor der wichtigsten Kirche der Christenheit. Er wurde zum Zeichen für die Überlegenheit des Christentums und der Herrschaft der Päpste. Sixtus verewigte sich per Inschrift auf dem Sockel: »Papst Sixtus V. hat den vatikanischen Obelisken, der den Göttern der Heiden durch unfrommen Kult geweiht war, in mühevoller Arbeit zu den Schwellen der Apostel herübergeschafft.« Noch drei weitere Obelisken wollte Sixtus mit der Hilfe von Fontana versetzen, teils übernahmen es dann seine päpstlichen Nachfolger. Die Denkmäler kamen als Wegmarken für Pilger vor die großen Kirchen Santa Maria Maggiore, auf dem Lateran und auf der Piazza del Popolo. Es sind die größten ihrer Art in Rom. Aus der Entfernung sind sie nicht auseinanderzuhalten, mit Inschriften auf altägyptisch, päpstlichem Wappen und Sockelinschriften auf Latein. Vor allem aber spenden sie Schatten, in dem Roms Touristen bequem zu zweit nebeneinander gehen können.

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  • Quellen

Bratta, E.: Obelisken. Ägyptische Obelisken und ihre Geschichte in Rom. Frankfurt, 1986

Curran, B. et al.: Obelisk. A History. The Burndy Library, 2009

Fontana, D.: Della trasportatione dell'Obelisco Vaticano. Rom, 1590

Habachi, L: Die unsterblichen Obelisken. Philipp von Zabern, 2000

Herklotz, F.: Prinzeps und Pharao. Der Kult des Augustus in Ägypten. Verlag Antike, 2007

Sorek, S.: The emperor’s needles. Bristol Phoenix Press, 2010

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