Kometensonde Rosetta: Rosetta ist angekommen wie geht es weiter?
Mit dem zehnten und letzten Schubmanöver des Bordantriebs trat Europas Kometensonde Rosetta von ihrer interplanetaren Flugbahn in den Nahbereich um den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko über und begleitet ihn ab sofort in einer Art Formationsflug im mittleren Abstand von rund 100 Kilometern. Die Sonde befindet sich dabei noch nicht in einer klassischen Umlaufbahn um den im Mittel etwa vier Kilometer großen Kometenkern, sondern begleitet ihn im August auf einem abschnittsweise offenen hyberbolischen Orbit. Daher müssen alle drei bis vier Tage die Bordtriebwerke für ein kleines Schubmanöver gezündet werden, um zu verhindern, dass Rosetta den Nahbereich um den Kern verlässt. Die daraus folgende Bahn ist relativ zum Kern dreieckig, jeweils an den Ecken erfolgt ein Schubmanöver. Genauere Details können dem beigestellten ESA-Video entnommen werden. Während dieser Erkundungsphase sollen unter anderem fünf Regionen auf dem Kern identifiziert werden, die sich für eine Landung der Tochtersonde Philae eignen. Derzeit bevorzugen die Wissenschaftler des Rosetta-Projekts Landeplätze an der Spitze des kleineren Teilkörpers von 67P.
Anfang September 2014 soll Rosetta dann erstmals in eine echte schwerkraftgebundene Umlaufbahn um 67P eintreten. Sie wird zunächst in einer Höhe von 50 Kilometern liegen, danach auf eine polare Bahn in 30 Kilometer Abstand verändert. Von dieser Bahn aus soll der Kometenkern mit den fernerkundlichen Instrumenten von Rosetta in extrem hoher Auflösung erfasst werden. Dabei wird auch ein hochpräzises dreidimensionales Modell des komplex geformten Kometenkerns erstellt. Des Weiteren dient diese Umlaufphase dazu, das sehr unregelmäßige Schwerefeld von 67P zu erfassen. Nur dann wird es möglich sein, Philae, die nach der bisherigen Planung am 11. November 2014 auf der Oberfläche aufsetzen soll, auf eine sichere Bahn zum Kern zu schicken.
Sollte sich während dieser Messphase herausstellen, dass eine weitere Annäherung an den Kern möglich ist, wird die Umlaufhöhe im September zunächst auf 20 Kilometer, im Oktober auf nur noch zehn Kilometer Abstand abgesenkt. Dann kann die Kamera OSIRIS mit ihrer Teleoptik den Kern mit einer räumlichen Auflösung im Bereich von wenigen Zentimetern erfassen. Bei all diesen Angaben muss berücksichtigt werden, dass die Europäische Raumfahrtbehörde ESA mit dieser Mission absolutes Neuland betritt. Noch nie hat sich eine Raumsonde so dicht und für eine solch lange Zeit in der unmittelbaren Umgebung eines Kometenkerns aufgehalten. Alle bisherigen Missionen waren Vorbeiflüge mit hoher Relativgeschwindigkeit und hielten sich somit nur wenige Minuten im unmittelbaren Umfeld des jeweiligen Kometen auf. Daher ist zu erwarten, dass die Planungen mit wachsendem Wissensstand über 67P noch deutlich verändert werden.
Schon beim Anflug auf 67P gelangen Rosetta neben den detailreichen und besten Bildern eines Kometenkerns wichtige Beobachtungen. So maß das abbildende Infrarotspektrometer VIRTIS, das den Kern mit sehr hoher spektraler Auflösung erfasst, erste Oberflächentemperaturen auf 67P. Sie liegen im Mittel bei rund 200 Kelvin, also rund –70 Grad Celsius. An manchen Stellen liegt die Temperatur bei sogar nur –50 Grad Celsius, obwohl 67P noch etwa das Dreifache der Entfernung von der Erde zur Sonne von unserem Zentralgestirn trennt. Diese vergleichsweise hohen Temperaturen und weitere spektrale Daten von VIRTIS weisen darauf hin, dass die Oberfläche kaum Wassereis enthält. Sie besteht wohl eher aus kohlenstoffreichem, organischem Material und vielleicht auch aus Beimischungen von Silikatmineralen. Dies deckt sich mit den Beobachtungen an anderen Kometenkernen durch Raumsonden, die auch nur sehr wenig Eis auf den jeweiligen Oberflächen fanden.
Mit dem Radiowelleninstrument MIRO ließ sich auch die derzeitige Freisetzungsrate von Wasserdampf von 67P bestimmen: Bei der Ankunft von Rosetta setzte der Kern rund 300 Gramm Wasser pro Sekunde frei, etwa die Menge in einem Trinkglas. Auch zeigte sich, dass die Freisetzung zeitlich nicht kontinuierlich erfolgt, sondern eine gewisse Kopplung an die Rotation des Kerns aufweist. Bislang gelang es allerdings noch nicht, die dafür verantwortlichen Regionen auf dem Kern zu identifizieren. Schon beim Anflug ließen sich aber mit der Kamera OSIRIS feine Jets aus Wasserdampf fotografieren, die vom Kern ausgestoßen werden. Ein besonders prägnanter von ihnen tritt in dem rund einen Kilometer tiefen Tal zwischen den beiden Teilkörpern aus. An dieser Stelle zeigen sich auf den Aufnahmen auch deutlich hellere Gebiete, vielleicht ein Hinweis auf Wassereis.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben