Sternexplosion: Rote Nova in der Nachbarschaft
Für Astronomen wäre es ein Fest: Plötzlich taucht ein blutroter Fleck im Sternbild Schwan auf, hell wie der Polarstern. Wissenschaftler können die Himmelserscheinung minuziös beobachten, mit zig Teleskopen und in allen Wellenlängen, die das elektromagnetische Spektrum hergibt. So erfahren die Forscher endlich mehr darüber, was passiert, wenn tief im Weltall zwei Sterne verschmelzen.
Schon im Jahr 2022 könnte es so weit sein – dann nämlich kollidieren im 1842 Lichtjahre entfernten Sternsystems KIC 9832227 zwei Sonnen in einer so genannten Roten Nova. Diese These vertrat zumindest ein Team von US-Astronomen um Lawrence Molnar vom Calvin College in Grand Rapids auf der diesjährigen Jahrestagung der American Astronomical Society. Die beiden Feuerbälle, die sich eng umkreisen, kämen sich seit Jahren immer näher, so die Forscher. In ungefähr fünf Jahren könnten sie zu einer Riesensonne verschmelzen. Dabei strahlen sie für einige Monate 10 000-mal heller als ein gewöhnlicher Stern.
Nova mit Ansage?
Die Rote Nova wäre auf der Erde nicht nur ein Highlight für passionierte Sternengucker, zumal das Sternbild Schwan gut von der Nordhalbkugel aus sichtbar ist. Wissenschaftler könnten Jahre im Voraus planen, wie man das seltene Ereignis am besten beobachten kann. Astronomen müssten nicht hektisch ihre Teleskope in Richtung der Sternexplosion schwenken, so wie 1987, als eine Supernova in einer 168 000 Lichtjahre entfernten Nachbargalaxie plötzlich am Firmament auftauchte.
Bisher verstehen Astronomen nur unzureichend, was während einer Roten Nova genau passiert. Bei dem Phänomen wirken andere Mechanismen als bei klassischen Supernovae, und sie unterscheiden sich auch von gewöhnlichen Novae. Bei einer Supernova saugt eine Sonne meist so lange Material eines Partnersterns auf, bis sie unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert. Während einer Nova stürzt Materie auf die Oberfläche eines Weißen Zwergs, wo schließlich eine Fusionsexplosion zündet.
Bei einer Roten Nova hingegen verschmilzt ein Stern vom Format unserer Sonne mit einem deutlich kleineren Partner. Dabei wird nur ein kleiner Teil der Masse in Strahlung umgewandelt. Bisher haben Astrophysiker bloß eine Hand voll dieser Ereignisse in unserer Galaxie beobachtet. Bei einem von ihnen, einer Roten Nova namens V1309 Scorpii, konnten die Wissenschaftler anhand älterer Beobachtungsdaten rekonstruieren, wie das System in den Jahren vor der Explosion aussah.
Film vor Veröffentlichung
KIC 9832227 zeige heute ein ähnliches Bild wie V1309 Scorpii in den Jahren vor der Explosion, argumentiert das Team um Molnar. Er und seine Kollegen berufen sich unter anderem auf Aufnahmen des Weltraumteleskops Kepler, in dessen Beobachtungsfeld KIC 9832227 liegt. Der Analyse zufolge hat einer der Sterne die 1,4-fache Masse der Sonne, sein Begleiter ist hingegen zwei Drittel leichter als unser Zentralgestirn. Aus periodischen Helligkeitsschwankungen schließen die Forscher, dass sich die Sterne alle elf Stunden umrunden.
Weitere Beobachtungen seien nötig, um ihre Theorie zu erhärten, schreiben die Forscher. Für alle Fälle hat Molnars Team schon jetzt damit begonnen, seine Arbeit öffentlichkeitswirksam zu dokumentieren. Seit zwei Jahren lassen sich die Wissenschaftler von einem Regisseur begleiten, dessen Film 2022 in die Kinos kommen soll. Ein Trailer ist bereits erschienen. Der 42-seitige Fachaufsatz hingegen wird noch von den Gutachtern des "Astrophysical Journal" zur Veröffentlichung geprüft.
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