Roter Planet: Reif auf Olympus Mons
Unter der Leitung von Adomas Valantinas vom Physikalischen Institut der Universität Bern hat ein internationales Forschungsteam in der Tharsis-Vulkangruppe nahe dem Marsäquator Spuren von Reif aus Wassereis nachgewiesen. Dafür wurden Daten und Bilder der ESA-Raumsonden ExoMars Trace Gas Orbiter und Mars Express ausgewertet. Die Erkenntnisse helfen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Mars- und Erdatmosphäre aufzuklären.
Die Tharsis-Vulkangruppe auf dem Mars gehört zu den größten Erhebungen im Sonnensystem. Unübertroffen ist unter ihnen ist der Berg Olympus Mons, der auf einer Fläche von 600 Kilometer Durchmesser etwa 26 Kilometer gegenüber seiner unmittelbaren Umgebung aufragt. Bisher ging man davon aus, dass die höhere Sonneneinstrahlung, die geringe Luftfeuchtigkeit und die dünne Atmosphäre in äquatornahen Regionen die Reifbildung verhindern. Nun wurden jedoch hauchdünne Schichten auf den Gipfeln der Vulkane Olympus Mons, Arsia Mons, Ascraeus Mons und Ceraunius Tholus entdeckt. Mit Stärken zwischen 10 und 100 millionstel Metern sind diese vergleichbar mit der Dicke eines menschlichen Haars. In den kühleren schattigen Bereichen der Vulkancalderen, großen Vertiefungen im Gipfelbereich, sind die Eisschichten geschützt vor der Sonneneinstrahlung und breiten sich über eine riesige Fläche aus. Die Forscher schätzen die Wassermenge auf mehr als 150 000 Tonnen, was etwa 60 olympischen Schwimmbecken entspricht.
Dass der Reif nicht schon früher entdeckt wurde, liegt neben der schnellen Verdampfung im morgendlichen Sonnenlicht auch daran, dass sich Reif in diesen Regionen überwiegend in der kälteren Jahreszeit auf dem Mars bildet. So muss eine Kamera oder ein Spektrometer genau zur richtigen Zeit – in den frühen Morgenstunden zwischen sechs und neun Uhr lokaler Sonnenzeit – zur richtigen Jahreszeit und auf den richtigen Ort – den Vulkangipfeln – gerichtet sein, um für einige wenige Stunden die kurzlebigen Reifablagerungen erspähen zu können. Auf Olympus Mons ließ sich der Reif nur in einem Zeitfenster von 30 Minuten bei etwa -120 Grad Celsius beobachten.
Das Forschungsteam vermutet, dass die Luft über der Tharsisgruppe auf besondere Weise zirkuliert und ein einzigartiges Mikroklima innerhalb der Vulkancalderen schafft. »Winde mit Geschwindigkeiten von bis zu einigen zehn Metern pro Sekunde steigen die Hänge der gewaltigen Berge hinauf und tragen feuchte Luft von der umliegenden Ebene in höhere Lagen. Dort kondensiert sie in den schattigen Bereichen der Gipfel und setzt sich als Reif ab – ein ausgesprochen erdähnliches Phänomen«, so Koautor Nicolas Thomas. Auch die saisonale, längliche Wolke bei Arsia Mons lässt sich auf denselben Mechanismus zurückführen. Solche Erkenntnisse sind entscheidend für die Erforschung der Wasserverteilung und der komplexen atmosphärischen Dynamik auf dem Mars. Das Verständnis dieser Prozesse verbessert unser Wissen nicht nur über unseren Heimatplaneten, sondern auch über andere Orte im Kosmos.
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