Klimatologie: Ruß wird überschätzt
Rußemissionen zu reduzieren, galt bislang als einer der schnellsten und effektivsten Methoden, um die Erderwärmung einzudämmen: Die schwarzen Partikel absorbieren einen großen Teil der auf sie eingestrahlten Sonnenenergie und heizen so die Umgebung auf – vermuteten Klimaforscher zumindest bislang anhand ihrer Modellrechnungen und Laborstudien. Im Freiland verhalten sich die bei der unzureichenden thermischen Verwertung von Biomasse oder fossilen Brennstoffen wie Kohle freigesetzten Aerosole jedoch offensichtlich völlig anders, zeigt jetzt eine Studie von Christopher Cappa von der University of California in Davis und seinen Kollegen.
Demnach wurde die Rolle von Ruß bislang stark überschätzt: Tatsächlich erhöhen die dunklen Partikel die Absorptionsraten in ihrem Umfeld nur um etwa sechs Prozent. Vorherige Untersuchungen kamen auf Werte, die in entsprechend verschmutzter Luft zum Teil um das Doppelte höher lagen. Während diese Ergebnisse jedoch auf kontrollierten Experimenten beruhten, untersuchten Cappa und Co den Werdegang des Aerosols und seine Auswirkungen direkt in der verschmutzten Luft kalifornischer Smoggebiete.
Im Gegensatz zu Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen, die jahrzehntelang in der Atmosphäre bleiben, ist Ruß relativ kurzlebig und verschwindet bereits nach ein bis zwei Wochen wieder aus der Luft, vor allem weil er ausgewaschen wird. In dieser Zeit reagiert der Kohlenstoff mit einer Vielzahl anderer Verbindungen und lagert zahlreiche Moleküle an seiner Oberfläche an – etwa flüchtige organische Substanzen, die von Pflanzen freigesetzt werden, Ozon oder Sulfate. Dadurch verändert sich seine Zusammensetzung, Größe und Struktur, was entsprechende Folgen für die Absorptionsfähigkeit zeitigt. Im Labor sorgten diese Hüllen aus anderen Chemikalien dafür, dass sich die Absorption noch verstärkte, weil sie wie eine Linse wirkten, die das Sonnenlicht auf das eigentliche Rußteilchen lenkten: ein Ergebnis, das sich nun im "wilden" Freiland nicht bestätigte.
Der flächendeckende Einsatz von Rußfiltern nütze daher zumindest als Klimaschutzmaßnahme nur wenig, so die Forscher: Sie wurden bislang als einfache und relative günstige technische Anwendung zur Eindämmung des Klimawandels diskutiert. Mehrfach wurde aber bereits belegt, dass Rußteilchen anderweitig das Klima beeinflussen kann – beispielsweise indem sie das Niederschlagsgeschehen negativ beeinflussen. Es wurde sogar schon diskutiert, ob die hohe Aerosolbelastung Südasiens den dortigen Monsun abschwächt. Die Rußwerte sind dort besonders hoch, weil Kohlekraftwerke zu den wichtigsten Stromproduzenten zählen und viele Menschen mit Biomasse heizen oder kochen. In der nächsten Stufe wollen die Klimatologen daher untersuchen, ob sich Partikel aus Holzverbrennung physikalisch ebenso verhalten wie jene aus Erdölverbrennung.
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