News: Saat der Gewalt
Zu Mord und Totschlag neigte der Mensch wohl schon immer. Doch als er sich als Bauer niederließ, dauerte es nicht lange, bis er zu den ersten organisierten Kriegszügen aufbrach.
Wann besiegte Alexander der Große die Perser? Wen vernichtete Otto der Große auf dem Lechfeld? Wo wurde Napoleon endgültig bezwungen? – So mancher Geschichtsunterricht in der Schule beschränkt sich auf das Auswendiglernen diverser Schlachten und Metzeleien.
Auch wenn dadurch ein etwas einseitiges Bild vergangener Zeiten gezeichnet wird, so scheint die Menschheit doch eine blutrünstige Spur der Gewalt zu hinterlassen. Seit wann neigt der Mensch dazu, seinesgleichen umzubringen? Vermutlich schon immer, doch militärische Auseinandersetzungen müssen als gesellschaftliche "Errungenschaft" angesehen werden. Der Anthropologe Raymond Kelly von der University of Michigan vertritt die These, dass der Übertritt vom Jäger-und-Sammler-Dasein zum sesshaften Bauer den entscheidenden Impuls für Krieg und Gewalt geliefert hatte.
Denn bei heute noch existierenden Nomadenvölkern wie den !Kung-Buschleuten in Südafrika gibt es zwar durchaus Mord und Totschlag – aber mehr auf individueller Ebene. Organisierte Kriegszüge, so Kelly, traten erst auf, als sich die Gesellschaft in ein Oben und Unten strukturierte, als sich Herrschaftseliten herausbildeten und als Überschussproduktionen für militärische Raubzüge ein lohnendes Ziel hergaben. Und das wäre erst der Fall gewesen, als der Mensch sesshaft wurde und mit Ackerbau und Viehzucht sein Brot verdiente.
Hat Kelly damit Recht? Die beiden Anthropologen Kent Flannery und Joyce Markus, ebenfalls von der University of Michigan, haben versucht, die These ihres Kollegen zu testen. Als "Modell" wählten sie das Tal von Oaxaca in Mexiko. Hier, etwa 400 Kilometer südlich der Hauptstadt Mexiko-City, liegt die Wiege der Zapoteken, deren Hochkultur um 500 vor Christus begann, und die gegen 700 nach Christus ihr Ende fand. Die Siedlungsgeschichte dieser Region ist bereits gut untersucht.
Und die Analysen der beiden Forscher erzählen eine traurige Geschichte von Blut, Schweiß und Tränen. Friedlich verlief ihrer Ansicht nach nur die archaische Periode, deren Spuren bis etwa 10 000 Jahre zurückreichen. Die Menschen von Oaxaca streiften damals in kleinen Familienverbänden umher, die sich gelegentlich zu Gruppen von maximal 30 Personen zusammenschlossen.
Auch als sie vor 5400 Jahren begannen, Mais anzubauen, lebten sie noch nicht in festen Dörfern, sondern in wechselnden Lagern. Und aus dieser Zeit, bis etwa 2000 vor Christus, fanden die Forscher keinerlei Spuren kriegerischer Auseinandersetzungen.
Irgendwann vor 3600 Jahren tauchten im Oaxaca-Tal die ersten Dörfer auf. Ab 1500 vor Christus gab es mindestens 19 von ihnen, wovon das größte, San José Mogote, mehr als hundert Menschen beherbergte. Und eines der ältestesten Häuser dieses Dorfes wurde durch einen Brand vernichtet, wie Holzkohlespuren eindeutig belegen.
Wenn dieses Feuer auch durch einen Unglücksfall ausgelöst worden sein könnte, deuten Flannery und Marcus es als ersten Nachweis einer gewalttätigen Auseinandersetzung. Dass sich die Menschen damals nicht sicher gefühlt haben, zeigen zumindest die Palisaden, mit denen das Dorf gesichert war. Und auch diese Befestigungen müssen mehrfach abgebrannt worden sein – Spuren eines Besuchs böswilliger Nachbarn, so die Forscher.
Ab 800 vor Christus eskalierte die Gewalt. San José Mogote war zum größten Dorf herangewachsen, die Besiedlung im Tal expandierte auf 75 bis 85 dörfliche Gemeinschaften. Überall finden sich jetzt Spuren kriegerischer Auseinandersetzungen, von denen auch ein Tempel in San José Mogote nicht verschont blieb.
Inzwischen erfanden die Zapoteken, wie die Bevölkerung jetzt genannt wird, die Schrift, und auch ihre Hieroglyphen erzählen von erfolgreichen Beutezügen. Die Bewohner von San José Mogote verließen vor 2450 Jahren ihr Dorf und zogen auf einen nahe gelegenen, 400 Meter hohen Hügel. Hier, auf dem Monte Albán, sollte die mächtige Hauptstadt des Zapoteken-Reichs entstehen. Jetzt lebten bis zu 10 000 Menschen im Tal, verteilt auf 261 Siedlungen. Eine von ihnen, Tilcajete, sollte sich zur militärischen Konkurrenz von Monte Albán entwickeln.
Die Kriege zwischen Monte Albán und Tilcajete dauerten mehrere Jahrhunderte und endeten mit der totalen Vernichtung von Tilcajete vor 1980 Jahren. Die Zapoteken eroberten in den folgenden zwei Jahrhunderten weite Gebiete; die Grenze ihres Reich entfernte sich 150 Kilometer vom Oaxaca-Tal. Entsprechende Spuren ihrer Kriegszüge hinterließen sie in den Nachbartälern.
Um das Jahr 700 fand das Zapoteken-Reich ein plötzliches Ende, Monte Albán wurde verlassen. Die Zerstörung durch die Spanier, die 800 Jahre später nicht minder gewalttätig durch Mittelamerika zogen, blieb der Stadt dadurch erspart.
Kellys These vom Dorf als Vater des Krieges scheint somit zumindest für die Zapoteken zuzutreffen: Nur wenige Jahrhunderte, nachdem sie sich dörflich niedergelassen hatten, begannen sie, ihre Nachbarn mit Krieg und Gewalt zu überziehen. Ob der Krieg damit auch der viel zitierte Vater aller Dinge ist, sei dahingestellt, aber Schüler werden wohl weiterhin die Keilerei von 333, den Untergang der Ungarn und Napoleons Waterloo lernen müssen.
Auch wenn dadurch ein etwas einseitiges Bild vergangener Zeiten gezeichnet wird, so scheint die Menschheit doch eine blutrünstige Spur der Gewalt zu hinterlassen. Seit wann neigt der Mensch dazu, seinesgleichen umzubringen? Vermutlich schon immer, doch militärische Auseinandersetzungen müssen als gesellschaftliche "Errungenschaft" angesehen werden. Der Anthropologe Raymond Kelly von der University of Michigan vertritt die These, dass der Übertritt vom Jäger-und-Sammler-Dasein zum sesshaften Bauer den entscheidenden Impuls für Krieg und Gewalt geliefert hatte.
Denn bei heute noch existierenden Nomadenvölkern wie den !Kung-Buschleuten in Südafrika gibt es zwar durchaus Mord und Totschlag – aber mehr auf individueller Ebene. Organisierte Kriegszüge, so Kelly, traten erst auf, als sich die Gesellschaft in ein Oben und Unten strukturierte, als sich Herrschaftseliten herausbildeten und als Überschussproduktionen für militärische Raubzüge ein lohnendes Ziel hergaben. Und das wäre erst der Fall gewesen, als der Mensch sesshaft wurde und mit Ackerbau und Viehzucht sein Brot verdiente.
Hat Kelly damit Recht? Die beiden Anthropologen Kent Flannery und Joyce Markus, ebenfalls von der University of Michigan, haben versucht, die These ihres Kollegen zu testen. Als "Modell" wählten sie das Tal von Oaxaca in Mexiko. Hier, etwa 400 Kilometer südlich der Hauptstadt Mexiko-City, liegt die Wiege der Zapoteken, deren Hochkultur um 500 vor Christus begann, und die gegen 700 nach Christus ihr Ende fand. Die Siedlungsgeschichte dieser Region ist bereits gut untersucht.
Und die Analysen der beiden Forscher erzählen eine traurige Geschichte von Blut, Schweiß und Tränen. Friedlich verlief ihrer Ansicht nach nur die archaische Periode, deren Spuren bis etwa 10 000 Jahre zurückreichen. Die Menschen von Oaxaca streiften damals in kleinen Familienverbänden umher, die sich gelegentlich zu Gruppen von maximal 30 Personen zusammenschlossen.
Auch als sie vor 5400 Jahren begannen, Mais anzubauen, lebten sie noch nicht in festen Dörfern, sondern in wechselnden Lagern. Und aus dieser Zeit, bis etwa 2000 vor Christus, fanden die Forscher keinerlei Spuren kriegerischer Auseinandersetzungen.
Irgendwann vor 3600 Jahren tauchten im Oaxaca-Tal die ersten Dörfer auf. Ab 1500 vor Christus gab es mindestens 19 von ihnen, wovon das größte, San José Mogote, mehr als hundert Menschen beherbergte. Und eines der ältestesten Häuser dieses Dorfes wurde durch einen Brand vernichtet, wie Holzkohlespuren eindeutig belegen.
Wenn dieses Feuer auch durch einen Unglücksfall ausgelöst worden sein könnte, deuten Flannery und Marcus es als ersten Nachweis einer gewalttätigen Auseinandersetzung. Dass sich die Menschen damals nicht sicher gefühlt haben, zeigen zumindest die Palisaden, mit denen das Dorf gesichert war. Und auch diese Befestigungen müssen mehrfach abgebrannt worden sein – Spuren eines Besuchs böswilliger Nachbarn, so die Forscher.
Ab 800 vor Christus eskalierte die Gewalt. San José Mogote war zum größten Dorf herangewachsen, die Besiedlung im Tal expandierte auf 75 bis 85 dörfliche Gemeinschaften. Überall finden sich jetzt Spuren kriegerischer Auseinandersetzungen, von denen auch ein Tempel in San José Mogote nicht verschont blieb.
Inzwischen erfanden die Zapoteken, wie die Bevölkerung jetzt genannt wird, die Schrift, und auch ihre Hieroglyphen erzählen von erfolgreichen Beutezügen. Die Bewohner von San José Mogote verließen vor 2450 Jahren ihr Dorf und zogen auf einen nahe gelegenen, 400 Meter hohen Hügel. Hier, auf dem Monte Albán, sollte die mächtige Hauptstadt des Zapoteken-Reichs entstehen. Jetzt lebten bis zu 10 000 Menschen im Tal, verteilt auf 261 Siedlungen. Eine von ihnen, Tilcajete, sollte sich zur militärischen Konkurrenz von Monte Albán entwickeln.
Die Kriege zwischen Monte Albán und Tilcajete dauerten mehrere Jahrhunderte und endeten mit der totalen Vernichtung von Tilcajete vor 1980 Jahren. Die Zapoteken eroberten in den folgenden zwei Jahrhunderten weite Gebiete; die Grenze ihres Reich entfernte sich 150 Kilometer vom Oaxaca-Tal. Entsprechende Spuren ihrer Kriegszüge hinterließen sie in den Nachbartälern.
Um das Jahr 700 fand das Zapoteken-Reich ein plötzliches Ende, Monte Albán wurde verlassen. Die Zerstörung durch die Spanier, die 800 Jahre später nicht minder gewalttätig durch Mittelamerika zogen, blieb der Stadt dadurch erspart.
Kellys These vom Dorf als Vater des Krieges scheint somit zumindest für die Zapoteken zuzutreffen: Nur wenige Jahrhunderte, nachdem sie sich dörflich niedergelassen hatten, begannen sie, ihre Nachbarn mit Krieg und Gewalt zu überziehen. Ob der Krieg damit auch der viel zitierte Vater aller Dinge ist, sei dahingestellt, aber Schüler werden wohl weiterhin die Keilerei von 333, den Untergang der Ungarn und Napoleons Waterloo lernen müssen.
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