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Sachsen-Anhalt: Verschollene Kapelle aus den Bauernkriegen wiederentdeckt

In Sachsen-Anhalt haben Forscher die Mallerbacher Kapelle ausgegraben. Die Attacke auf das kleine Kirchlein läutete 1524 den Freiheitskampf der Bauern in Mitteldeutschland ein.
Grundmauern der Mallerbacher Kapelle
Nur noch die Grundmauern sind von der Kapelle erhalten. Hier lehnten sich die Allstedter gegen die Zisterzienserinnen auf, zu deren Kloster die kleine Kirche gehörte.

Der »Teufel zu Mallerbach unter dem Namen Maria« werde in der kleinen Kapelle vor den Toren Allstedts angebetet. Das predigte wohl der Reformator und Vordenker der Bauernkriege, Thomas Müntzer, im März 1524. Gemeint war das angeblich wundertätige Marienbild in der kleinen Mallerbacher Kapelle, von dem es hieß, dass es salzige Tränen weine.

So gründlich war das Zerstörungswerk der Allstedter Bürger, dass die Reste des Gotteshauses alsbald der Vergessenheit anheimfielen. Bis vor Kurzem noch war seine einstige Lage unbekannt: Der Ort, wo das Feuer der Bauernkriege aus dem süddeutschen Raum kommend erstmals Mitteldeutschland erfasst hatte, war verschollen.

Nun jedoch haben Fachleute des Landesdenkmalamts Sachsen-Anhalt den Standort der Kapelle ausfindig gemacht und deren Grundmauern ausgegraben. Das Gebäude selbst ist demnach zwar gut erhalten, aber unspektakulär: Mit etwa 17 Meter Länge sei die Saalkirche mit Rechteckchor und Apsis recht klein gewesen, schreibt das Amt in einer Mitteilung. Das Gebäude selbst wurde vermutlich im 12. oder 13. Jahrhundert als Dorfkirche der später aufgegebenen Ortschaft Mallerbach errichtet.

Grundriss aus der Vogelperspektive | Im Bereich des Altarfundaments sind noch immer deutlich die Brandspuren zu erkennen.

Seine überregionale Bedeutung verdankt das Gotteshaus denn auch vor allem dem Umstand, dass es vor genau 500 Jahren zum Schauplatz eines ersten Angriffs der Landbevölkerung auf die Obrigkeit wurde. Die Attacke auf die kleine Kirche gelte als Vorbote des Bauernkriegs in der Region, schreibt das Denkmalamt. Die bedeutenden Schlachten dieses Befreiungskampfs der Bauernhaufen mit den Heeren der Territorialfürsten fanden erst später im Jahr sowie im darauffolgenden Jahr 1525 statt.

Zum Zeitpunkt ihrer Zerstörung unterstand die Mallerbacher Kapelle dem Zisterzienserinnenkloster Naundorf. Diesem wiederum waren die Allstedter zu Abgaben verpflichtet – ein Umstand, der bereits nahelegt, dass die vermeintliche »Teufelsanbetung«, die in der Kapelle betrieben worden sei, nicht das wichtigste oder gar einzige Motiv der Allstedter war, zu den Waffen zu greifen. Stadt- und Dorfbewohner, aber auch der niedere Adel, hatten in jener Zeit massiv an Rechten eingebüßt, zugleich litten sie unter einer steigenden Abgabenlast, die ihnen von den weltlichen und kirchlichen Fürsten, aber auch von den großen Klöstern auferlegt wurde. Die Zerstörung der Kapelle könne darum als ein Akt der Auflehnung gegen das Naundorfer Kloster gewertet werden, schreiben die Denkmalpfleger in ihrer Mitteilung. Das nahe gelegene Augustinerchorherrenstift Kaltenborn, eines der wohlhabendsten und angesehensten Klöster der Region, traf ebenfalls der Zorn der Bauern: Es wurde einige Wochen später, im Mai 1524, geplündert und zerstört.

Wesentlicher Bestandteil jenes Systems aus Knechtung und Ausbeutung, unter dem die Bauern litten, war demnach auch das »sehr lukrative Wallfahrtswesen« der Kirche. Das vermeintlich wundertätige Marienbild, das in der Mallerbacher Kapelle aufbewahrt wurde, machte das Gotteshaus in den Augen des Reformators Müntzer vermutlich zum legitimen Ziel.

Rund um das Altarfundament fanden die Fachleute bei ihren Ausgrabungen starke Spuren von Brandeinwirkung. Im Kirchenschiff selbst zeugen heruntergebrochene Dachziegel, Schieferplatten und verkohlte Hölzer von dem Gewaltereignis vor genau 500 Jahren.

Letztlich blieb der Versuch, wieder mehr Autonomie von den Grundherren zurückzugewinnen, erfolglos. Seinen Ausgang hatte der bewaffnete Kampf in Süddeutschland genommen (mehr dazu auf Spektrum.de: »Wider iren aignen herrn. Vom Schneckenstreit zur Revolution«). Mit seinen aufrührerischen Reden hatte Müntzer – damals Pastor der Johanniskirche von Allestedt – dafür gesorgt, dass auch im heutigen Thüringen und Sachsen-Anhalt die Landbevölkerung rebellierte. Er selbst zählte zu den vielen Todesopfern des Konflikts. Im Mai 1525 wurde der Reformator im thüringischen Mühlhausen enthauptet.

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