News: Sag mir, wo die Tauben sind
Brieftauben sind sehr verläßliche Vögel: Man setzt sie irgendwo aus, fährt nach Hause zurück und wartet, daß die Heimfindemeister wiederkommen, möglichst vor allen anderen Tauben, die im gleichen Wettbewerb starteten. Amerikanische Brieftaubenbesitzer, deren Tiere letzte Woche abflogen, warten jetzt schon ziemlich lange: Einige Tausend Brieftauben, die auf Flügen in und um Pennsylvanien waren, tauchen jetzt langsam - völlig erschöpft - in fremden Hinterhöfen wieder auf. Wissenschaftler und Taubenliebhaber sind absolut ahnungslos, warum sich die Navigationsmeister verirrten. Das Wetter war klar und während der meisten Rennen gab es keine besonderen Sonnenaktivitäten.
Jim Effting, der Vorsitzende des Sportsman's Racing Pidgeon Club in Emmaus, Pennsylvanien, hält das Phänomen für extrem ungewöhnlich. Er und sein Sohn hatten 37 Tauben in einem 320 Kilometer-Rennen, das am Montag, den 5. Oktober 1998 um 10 Uhr morgens in Virginia begann. Zwei kamen wieder. Insgesamt fanden von den 1 800 Tauben, die an diesem Morgen starteten, nur 200 den Weg zurück. Es ist nicht ungewöhnlich, eine Taube an einen Habicht zu verlieren, und manchmal sagt sich eine "zum Teufel damit" und beschließt, ihr restliches Leben in Freiheit zu verbringen, erklärt Effting. Diese Verluste allerdings sind erstaunlich. Die Washington Post und AP berichteten von ähnlichen Verlustmeldungen von anderen Flügen in der Gegend am gleichen Wochenende.
Wissenschaftler vermuten, daß Tauben sich am Magnetfeld der Erde und an der Sonne orientieren. Viele der Details allerdings sind rätselhaft, meint Charles Walcott von der Cornell University. Man kann Tauben in einen Metallkasten mit gefilterter Luft stecken, sie betäuben und auf eine rotierende Drehscheibe setzen – wenn ihnen nicht mehr übel ist, fliegen sie heim, erklärt er – sogar über Distanzen bis 1 600 Kilometern. Einige Forscher halten es auch für möglich, daß die Tiere sich ihren Heimweg "erriechen". Außerdem wird vermutet, daß sie einen Magnetsinn besitzen, mit dem sie eine "Landkarte" der magnetischen Topographie "sehen" können.
In der Geschichte von Taubenwettflügen kam es immer wieder vor, daß vereinzelt eine große Anzahl Tauben in der "Pampa" verschwand, erklärt Walcott. Daß sich allerdings so viele Tauben über einige Tage hinweg im gleichen Gebiet verirren – das hat der Forscher noch nie erlebt. Sein Kommentar: "Wir sind verwirrt."
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