Artenvielfalt: Samenbank für die Zukunft
Selbst die langen Sommertage und die kürzer werdenden Herbsttage sind Elke Zippel manchmal einfach nicht lang genug. Denn zwischen Juni und Oktober hat die Wissenschaftlerin vom Botanischen Garten in Berlin jede Menge zu tun. Kreuz und quer fährt sie dann durch Nordostdeutschland und versucht, immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Nämlich dann, wenn sie dort die reifen Samen von bedrohten Pflanzen sammeln kann. Das ist eine aufwändige und manchmal auch durchaus frustrierende Mission. Doch Elke Zippel ist davon überzeugt, dass sich die Arbeit lohnt.
Denn sie will nicht tatenlos zusehen, wie die Pflanzenvielfalt in Deutschland vor der intensiven Landwirtschaft und anderen ungünstigen Einflüssen kapitulieren muss. Und wie mit jeder ausgestorbenen Pflanzenart laut ihrer Berechnungen im Durchschnitt auch noch sieben Tierarten verschwinden. Mit einem Projekt namens »Wildpflanzenschutz Deutschland« (WIPs-De) wollen botanische Gärten aus ganz Deutschland diesem Artensterben etwas entgegensetzen. Dabei konzentrieren sich Elke Zippel und ihre Kollegen zunächst auf 15 Arten, die hier zu Lande einen Schwerpunkt ihrer weltweiten Verbreitung haben. Bundesweit sammeln sie deren Samen, trocknen sie in speziellen Trockenkammern und frieren sie anschließend ein.
Auf solche Biobanken setzen Naturschützer inzwischen einige Hoffnung. Rund um die Welt entstehen immer größere Kollektionen, die Saatgut und DNA, Zellen und Gewebe von bedrohten Tieren und Pflanzen für die Nachwelt konservieren. Ziel ist es, eine Art Backup der biologischen Vielfalt zu schaffen.
Minus 24 Grad für jahrhundertelanges Leben
Für das Wildpflanzen-Archiv von WIPs-De trägt Elke Zippel jedes Jahr Tausende von Samen zusammen: robuste Körner und staubfeine, runde und längliche, glatte und borstenbesetzte. Für diese Ausbeute sucht sie Moore und Feldränder, feuchte Wiesen und trockene Hänge im gesamten Nordosten Deutschlands ab – von der Ostsee bis nach Sachsen.
Andere Botanikerinnen und Botaniker sind in der gleichen Mission in den übrigen Regionen des Landes unterwegs. »Es ist wichtig, dass wir für jede Art Material aus möglichst vielen verschiedenen Populationen zusammenbekommen«, erklärt die Berliner Forscherin. Schließlich ist jede davon an das Klima und die besonderen Herausforderungen ihres Standorts angepasst. Eine Arnika-Pflanze aus Mecklenburg-Vorpommern unterscheidet sich deshalb genetisch deutlich von einer Artgenossin aus dem Voralpenland. Und diese regionalen Eigenheiten wollen die Forscher möglichst erhalten.
Dabei gibt es beim Sammeln einiges zu beachten. Um einen möglichst großen Anteil der genetischen Vielfalt zu sichern, soll das Saatgut zum Beispiel von vielen verschiedenen Mitgliedern einer Population stammen. Und zwar nicht nur von den größten und kräftigsten. Mindestens 5000 Körner von 60 bis 200 Individuen sollten es pro Sammelpunkt schon sein. Vor allem bei kleinen Populationen achtet Elke Zippel aber auch darauf, höchstens 20 Prozent der vorhandenen Samen zu ernten. Schließlich sollen sich die Bestände ja weiterhin aus eigener Kraft vermehren können.
»Unser Ziel ist nicht, die Samen nur in der Tiefkühltruhe liegen zu lassen«Elke Zippel
Bis die Biologin an einer Stelle genügend Körner zusammengetragen hat, braucht sie normalerweise etwa eine Stunde. Doch sie ist auch schon zwei oder drei Stunden lang auf allen vieren durch die Vegetation gekrabbelt, um nach den winzigen und schwer zu findenden Samenkapseln des Sumpfenzians zu fahnden. Wenn sie zurück in Berlin ist, landet der Lohn ihrer Mühen zunächst in einem Trockenraum. In sorgfältig beschriftete Papiertüten verpackt sollen die Samen dort bei 15 Grad Celsius und 15 Prozent Luftfeuchtigkeit einen guten Teil ihres Wassers verlieren. Das reduziert die Stoffwechselaktivitäten des pflanzlichen Embryos und verlängert so seine Lebensdauer. Und nebenbei schützt der Wasserentzug auch vor Pilzbefall und Insektenfraß. Als Nächstes gilt es dann, das Saatgut per Hand und durch vorsichtiges Schütteln von den übrigen Pflanzenteilen und schlichtem Dreck zu trennen. Dann wird es weiter getrocknet und schließlich eingefroren. Bei minus 24 Grad können die in den Samen schlummernden Embryonen für Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte überleben.
»Unser Ziel ist aber nicht, sie nur in der Tiefkühltruhe liegen zu lassen«, betont Elke Zippel. »Wir wollen auch damit arbeiten.« Die botanischen Gärten, die an dem Projekt beteiligt sind, ziehen daher aus dem Sammelgut auch neue Pflanzen heran. Die siedeln sie dann im Freiland aus, um die noch vorhandenen Bestände zu stützen oder neue zu begründen. So hat das Berliner Team in den Jahren 2016 und 2017 mehr als 1000 neue Pfingstnelken auf trockene Hänge in Nordostdeutschland gepflanzt. »Die Überlebensraten sind bisher sehr gut, sie schwanken je nach Fläche zwischen 25 und 70 Prozent«, berichtet die Forscherin. Und auch die auf zwei Berliner Trockenrasen gesetzten Duft-Skabiosen stehen hervorragend da. An manchen Stellen haben knapp 90 Prozent der Pflanzen überlebt, es gibt viele Keimlinge, und die Skabiosen breiten sich auch vegetativ aus.
Ein Archiv für Pflanzen-DNA
Außer den Samen archiviert der Botanische Garten Berlin aber auch das Erbgut von Pfingstnelken, Skabiosen und Co. Seit 2004 betreibt die Institution eine Sammlung, in der sie vor allem die DNA von Blütenpflanzen und Kieselalgen zusammenträgt. Für diese DNA-Bank bringt Elke Zippel immer wieder Proben von verschiedenen Pflanzenarten mit. Und auch viele ihrer Kolleginnen und Kollegen sorgen dafür, dass das genetische Archiv ständig wächst. Einer seiner regionalen Schwerpunkte liegt dabei auf Deutschland und Europa inklusive dem Kaukasus und dem Mittelmeergebiet. Ein weiterer erstreckt sich über Kuba und die Karibik. »Von den Astern- und Nelkenartigen sammeln wir aber Proben aus allen Teilen der Welt«, sagt Gabriele Dröge, die für die DNA-Bank des Botanischen Gartens Berlin zuständig ist. Schließlich liegt auf diesen beiden Pflanzengruppen ein besonderer Forschungsschwerpunkt der Institution.
Insgesamt haben die Berliner Botaniker schon rund 28 000 DNA-Proben zusammengetragen, die bei minus 80 Grad künftigen Untersuchungen entgegenschlummern. Dazu kommen noch einmal etwa 15 000 Gewebeproben, vor allem Blattmaterial. Diese werden zusammen mit dem Trocknungsmittel Silica in konventionelle Teebeutel verpackt und in einem klimatisierten Raum gelagert. »Mit Hilfe der Proben aus der DNA-Bank können wir verschiedene Naturschutzfragen untersuchen«, erklärt Gabriele Dröge. Im Rahmen von WIPs-De stoßen die Wissenschaftler zum Beispiel oft auf sehr kleine Pflanzenbestände. Wie ist es um deren genetische Vielfalt bestellt? Haben sie überhaupt noch Kontakt zu anderen Populationen, mit denen sie Erbinformationen austauschen könnten? Wenn nicht, ist das für Naturschützer meist ein Alarmzeichen. Denn kleine, isolierte Bestände haben ein besonders hohes Aussterberisiko.
»Wir finden oft Bestände, die in sehr kritischem Zustand sind und sich ohne menschliche Hilfe gar nicht mehr austauschen können«Gabriele Dröge
Wer die Proben aus der DNA-Bank untersucht und miteinander vergleicht, kann daher die Zukunftschancen solcher Populationen und den Nutzen verschiedener Schutzmaßnahmen besser abschätzen. »Wir finden oft Bestände, die in sehr kritischem Zustand sind und sich ohne menschliche Hilfe gar nicht mehr austauschen können«, sagt Gabriele Dröge. Die Heilpflanze Arnika oder die Orchideen aus der Gattung Dactylorhiza gehören in dieser Hinsicht zu den besonderen Sorgenkindern.
Man kann mit dem Material aus dem DNA-Archiv aber noch mehr anfangen. So arbeiten die Berliner Forscher in einer Initiative namens »German Barcode of Life« (GBOL). Deren Ziel ist es, sämtliche Pflanzen, Tiere und Pilze Deutschlands zu inventarisieren und genetisch zu charakterisieren. Die beteiligten Wissenschaftler entwickeln für die verschiedenen Organismengruppen so genannte genetische Barcodes. Das sind kurze Abschnitte im Erbgut, an denen sich die einzelnen Arten rasch und zuverlässig identifizieren lassen.
Ein solcher genetischer Personalausweis ist zum Beispiel für Grenzbeamte interessant, die damit in Sekundenschnelle herausfinden können, ob sie bei einer Warenkontrolle bedrohte Arten vor sich haben. Dazu müssen die Wissenschaftler allerdings erst einmal herausfinden, in welchen Bereichen des Erbguts sich solche charakteristischen Identifizierungskodes verbergen. Und dazu sind Proben aus DNA-Banken unerlässlich.
Gefrorene Archen
Solche Archive der biologischen Vielfalt gibt es natürlich nicht nur für Pflanzen, sondern auch für Tiere. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin konzentriert sich zum Beispiel auf das Sammeln von Spermien und Eizellen, Gewebeproben und DNA von Säugetieren. Es beteiligt sich unter anderem an der internationalen Initiative »Frozen Ark«, die von der University of Nottingham in Großbritannien koordiniert wird. Ziel dieses Projekts ist es, Zellen, Gewebe und DNA von allen mehr als 16 000 bedrohten Tierarten zusammenzutragen, die auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN stehen.
Zudem betreibt das IZW das »Felid-Gametes-Rescue Project«, eine hausinterne Biobank für die Geschlechtszellen der Katzenverwandtschaft. Wenn in einem europäischen Zoo zum Beispiel eine Tigerin oder Löwin stirbt, öffnen Tierärzte anschließend deren Eierstöcke. Finden sich darin noch befruchtungsfähige Eizellen, werden diese entnommen und in der IZW-Abteilung für Reproduktionsbiologie eingefroren. »Von den 37 bis 40 Katzenarten, die heute auf der Welt leben, sind in dieser Sammlung schon mehr als 20 vertreten«, sagt Jörns Fickel, der am IZW die Abteilung für Evolutionsgenetik leitet und auch an der Universität Potsdam forscht. Den Rest der Katzenverwandtschaft auch noch unter ihre Fittiche zu nehmen, wird für die Reproduktionsbiologen allerdings nicht ganz einfach. Die Falbkatze aus Libyen zum Beispiel wird kaum in Zoos gehalten, so dass die Chancen auf brauchbares Material eher schlecht stehen.
Unabhängig von diesen hauseigenen Sammlungen beteiligt sich das IZW auch noch an einer zentralen DNA-Bank, die der Verband der europäischen Zoos und Aquarien (EAZA) seit 2016 aufbaut. Das darin eingelagerte Material dient vor allem dazu, die Zoos bei der Zucht von bedrohten Arten zu unterstützen. Mit Hilfe der konservierten Proben lassen sich nämlich die Verwandtschaftsverhältnisse verschiedener Artgenossen genau analysieren. Und auf dieser Basis kann man festlegen, welche Tiere sich am besten paaren sollten, um eine möglichst große genetische Vielfalt zu erhalten.
Tierzellen sind schwierig zu konservieren
Beim Aufbau von Biobanken für die Tierwelt haben die IZW-Forscher allerdings mit einer ganzen Reihe von Problemen zu kämpfen. »Pflanzensamen mit ihren dicken Schalen und ihrem relativ trockenen Inneren sind ja von Natur aus auf Dauerhaftigkeit angelegt«, sagt Jörns Fickel. »Tiere haben dieses Geheimrezept leider noch nicht erfunden.« Ihre Zellen sind daher schwieriger zu konservieren.
Eine Spermienprobe einfach ins Gefrierfach zu legen, ist deshalb selten eine gute Idee. Denn dann besteht die Gefahr, dass sich in den Zellen Eiskristalle bilden und die Membranen zerreißen. Und schon sind die kostbaren Samenzellen nur noch tote Andenken an ihren Spender. Dabei wollen die Forscher sie ja wieder auftauen und für künstliche Befruchtungen nutzen. »Wie man sie konservieren muss, damit sie befruchtungsfähig bleiben, ist aber oft sehr schwierig herauszufinden«, sagt Jörns Fickel.
Im Lauf der Jahre haben die IZW-Forscher zwar besonders schonende Gefriermethoden entwickelt, die eine Probe nicht schlagartig, sondern stufenweise abkühlen und so die Verletzungsgefahr für die empfindlichen Zellen verringern. Doch Spermien sind Individualisten. Da sie sich in ihrer Salzkonzentration, in ihrem Fettgehalt und verschiedenen anderen Faktoren unterscheiden, wollen sie bei jeder Tierart ein bisschen anders behandelt werden.
»Beim Einfrieren von Tierzellen ist viel Empirie und Frustration im Spiel«Jörns Fickel
Mal brauchen sie zum Beispiel höhere Salzkonzentrationen, mal niedrigere. Sogar die genaue Zusammensetzung des Hühnereigelbs, das zur Stabilisierung der Zellmembranen zugegeben wird, kann entscheidend sein. Mitunter bewährt sich nur das Produkt eines bestimmten Herstellers, während die anderen ins Desaster führen. Und bei der nächsten Art ist es dann umgekehrt. »Man kann das nicht vorhersehen, sondern muss es ausprobieren«, sagt Jörns Fickel. »Da ist viel Empirie und Frustration im Spiel.«
Zumal man sich auch nicht unbedingt daran orientieren kann, was sich für verwandte Arten schon bewährt hat. So weiß man aus landwirtschaftlichen Samenbanken zum Beispiel sehr gut, wie man Pferdesperma einfriert, damit ein möglichst großer Anteil der Zellen befruchtungsfähig bleibt. Für die verwandten Nashörner aber erwies sich dieses Protokoll als völlig ungeeignet, so dass IZW-Forscher der Abteilung Reproduktionsmanagement erst mühsam ein neues entwickeln mussten. Und wie man am besten mit dem Samen von Tapiren umgeht, die neben Pferden und Nashörnern die dritte Gruppe der Unpaarhufer stellen, ist noch völlig unklar.
»Bei vielen bedrohten Säugetierarten ist da noch reichlich Grundlagenforschung nötig«, sagt Jörns Fickel. Gerade von den am stärksten gefährdeten Kandidaten aber stehen gar nicht genug Proben zur Verfügung, um in langwierigen Tests die perfekte Vorgehensweise auszutüfteln. In diesen Fällen können die Forscher sich also nur auf ihre bisherigen Erfahrungen stützen und das Beste hoffen. »Niemand weiß genau, in welchem Zustand die Spermien und Eizellen sind, die derzeit in den Biobanken lagern«, erklärt der Forscher. »Es könnte durchaus sein, dass wir da beim Auftauen ein paar böse Überraschungen erleben.«
Von der Zelle zum Tier
Bei dem heute eingefrorenen Material bleibe aber in der Regel zumindest der Zellkern intakt. Und damit können Fortpflanzungsmediziner schon etwas anfangen. Denn mit einer feinen Nadel lassen sich Spermien heutzutage auch direkt in Eizellen injizieren. Selbst wenn die Samenzelle beschädigt ist und nicht mehr schwimmen kann, ist mit dieser so genannten Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) eine Befruchtung möglich.
IZW-Mitarbeiterinnen waren mit dieser Methode zum Beispiel bei Löwen erfolgreich. 2015 gelang es ihnen zum ersten Mal, unreife Eizellen aus den Eierstöcken von Löwinnen zu gewinnen, diese mit speziellen Medien im Reagenzglas zu kultivieren und mittels ICSI zu befruchten. Dabei kamen eingefrorene Spermien eines Männchens zum Einsatz, das schon 2012 gestorbenen war.
Neben ICSI könnte es noch einen weiteren Weg geben, die Kälteprobleme bei der Konservierung zu umgehen. So frieren die Forscher neben Samen- und Eizellen auch Körpergewebe der einzelnen Arten ein. Das reagiert nämlich deutlich weniger empfindlich auf die eisigen Temperaturen. Und theoretisch ist es durchaus möglich, daraus so genannte pluripotente Stammzellen zu gewinnen, die sich dann in Ei- und Samenzellen verwandeln lassen. In Versuchen mit Mäusen hat sich daraus sogar schon ein Embryo entwickelt, den eine Leihmutter auch erfolgreich ausgetragen hat. Und mit Nashornzellen gibt es ebenfalls erste Erfolge.
»Man kann bedrohten Arten Zeit verschaffen«Jörns Fickel
Was aber kann man mit all diesen Tricks erreichen? »Das Material aus Biobanken kann zum einen helfen, geschrumpfte Populationen zu stabilisieren und zu vergrößern«, sagt Jörns Fickel. Auch der genetischen Verarmung, die in kleinen Beständen häufig zum Problem wird, lässt sich auf diesem Weg etwas entgegensetzen – etwa, indem man Weibchen mit dem eingefrorenen Sperma längst verstorbener Männchen befruchtet. Das hilft gegen Inzuchtprobleme und erhöht die Anpassungsfähigkeit der Population. »So kann man bedrohten Arten Zeit verschaffen«, erklärt der IZW-Experte. Vielleicht gelingt es ja, sie am Leben zu erhalten, bis sich ihre Lebensbedingungen wieder verbessern.
Und wenn das nicht klappt? Kann die gefrorene Arche dann helfen, ausgestorbene Arten wieder zum Leben zu erwecken? »Derzeit kann ich mir das noch nicht vorstellen«, sagt Jörns Fickel. Denn alle Tricks der künstlichen Befruchtung nützen nur dann etwas, wenn es noch Weibchen der eigenen oder zumindest einer nahe verwandten Art gibt, die den Nachwuchs austragen können. Ist das nicht der Fall, wird es schwierig. »Bisher ist es nicht möglich, ein Lebewesen komplett im Brutschrank heranwachsen zu lassen«, sagt Jörns Fickel. Für ihn stellt sich allerdings die Frage, ob das sinnvoll wäre. »In vielen Fällen sterben Arten ja deswegen aus, weil ihr Lebensraum zerstört wurde«, gibt der Forscher zu bedenken. »Und wenn sich daran nichts ändert, haben auch neu ›geschaffene‹ Tiere keine Chance.«
Ein Netzwerk von Sammlern
Biobanken gibt es inzwischen an vielen Forschungseinrichtungen. Doch welches Material lagert wo? Sich darüber einen Überblick zu verschaffen, ist gar nicht so einfach. Eine internationale Initiative namens »Global Genome Biodiversity Network« (GGBN) hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die einzelnen Sammlungen zu vernetzen und ihre Schätze digital nutzbar zu machen. Derzeit machen dabei etwa 70 Institutionen aus aller Welt mit, die meisten davon sind botanische Gärten oder naturhistorische Sammlungen.
»Im Moment sind bei diesen Partnern insgesamt etwa 400 000 DNA-und Gewebeproben in Datenbanken verfügbar und können angefordert werden«, sagt Gabriele Dröge vom Botanischen Garten in Berlin, in deren Händen das technische Sekretariat von GGBN liegt. Bis die kompletten Bestände erfasst sind, wird es allerdings noch Jahre dauern. Denn insgesamt sollen in den Archiven der beteiligten Institutionen schätzungsweise 15 Millionen Proben lagern. Und es kommen immer neue dazu. »In diesem Netzwerk sammeln wir alles Material, das nicht vom Menschen kommt«, sagt Gabriele Dröge. »Vom Virus bis zum Menschenaffen ist alles willkommen.«
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