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Künstliche Satelliten: BlueWalker 3 – Lichtverschmutzung durch Mobilfunk?

BlueWalker 3 ist ein Testsatellit der amerikanischen Firma AST SpaceMobile, der für die direkte Kommunikation mit handelsüblichen Smartphones in Gegenden ohne Mobilfunk eingesetzt werden soll. Er ist Vorbote einer ganzen Flotte noch größerer Satelliten und weckt mit seiner zeitweise hohen Helligkeit schon jetzt Sorgen bei astronomischen Beobachtern.
Künstlerische Darstellung des Satelliten BlueWalker 3 über der Erde.
Mit seiner großen Antennenfläche von etwa 64 Quadratmetern reflektiert der Satellit viel Sonnenlicht und ist zeitweise eine der hellsten Lichtquellen am Nachthimmel (künstlerische Darstellung).

BlueWalker 3 wurde am 10. September 2022 gestartet und hat in seiner etwa 500 Kilometer hohen Umlaufbahn eine 64 Quadratmeter große Antenne ausgefaltet. Tests im Jahr 2023 ermöglichten tatsächlich Direktverbindungen mit 4G und 5G über Smartphones, so dass neben den Telekommunikationsfirmen AT&T und Vodafone inzwischen auch Google Interesse zeigt und zu den Investoren zählt.

Viele künstliche Satelliten

Wegen der Größe seiner Antenne wird so viel Sonnenlicht zur Erde reflektiert, dass BlueWalker 3 zu den hellsten Objekten am Nachthimmel zählt. Kurz nach dem Start soll er mit 0,4 mag so hell wie der Stern Prokyon im Sternbild Kleiner Hund geleuchtet haben. Das ist mehr als 400-mal so hell wie die von der Internationalen Astronomischen Union geforderte Grenze von 7 mag. Damit ist der Satellit zunächst leuchtschwächer als neu gestartete Starlink-Satelliten, die vor allem in den Tagen nach dem Start als Ketten heller Punkte über den Himmel ziehen. Aber das relativiert sich bald wieder: Sind die Starlink-Satelliten in ihren endgültigen Umlaufbahnen angekommen, leuchten sie deutlich schwächer. Die Internationale Weltraumstation ISS zieht ebenfalls heller als BlueWalker 3 über den Himmel, doch sie ist nur für wenige Minuten zu sehen und passiert frühestens nach 92 Minuten wieder einen Beobachtungsort. Zudem bedingt die Lage ihrer Umlaufbahn, dass die ISS nur etwa alle zwei Monate für etwa zwei Wochen am Abendhimmel sichtbar ist. Das gilt bisher ebenso für BlueWalker 3, weil er eine ähnliche Bahn hat. Für die direkte Smartphone-Kommunikation müssen jedoch mehr als 100 der in der Operationsphase dann BlueBird genannten Satelliten in 400 Kilometer Höhe ins All geschossen werden. Es werden zukünftig immer mehrere gleichzeitig zu sehen sein, und sie werden erheblich zur Verschmutzung des Nachthimmels beitragen, zumal die Antennen der BlueBird-Satelliten größer als die von BlueWalker sein sollen.

BlueWalker 3 selbst beobachten

Da nach ersten Beobachtungen BlueWalker 3 tatsächlich zu den hellsten Satelliten zählen soll, wollte ich die Helligkeit selbst bestimmen, etwa durch den Vergleich mit Sternen bekannter Helligkeit. Der erste Versuch, einen Überflug visuell zu beobachten, misslang: Ich konnte den Satelliten nicht finden, und er war offenbar schwächer als auf der Webseite heavens-above.com vorhergesagt. Mit dem Messen von Helligkeiten hatte ich zuvor schon bei Starlink-Satelliten Erfahrungen sammeln können, die oft auch nicht mit bloßem Auge zu sehen sind. Daher habe ich mich für die Fotografie entschieden, um schwächere Objekte erfassen und besser ausmessen zu können.

Wegen ihrer schnellen Bewegung ziehen Satelliten bei längeren Belichtungszeiten auf den Bildern Striche, deren Helligkeit sich im Vergleich zu den punktförmigen Sternen schwierig abschätzen lässt. Ziel war es daher, durch eine lichtstarke Optik und kurze Belichtungszeit die Satellitenspuren möglichst kurz zu halten. Eingesetzt wurde eine Systemkamera Canon M6 Mark II mit einem lichtstarken Objektiv KamLan mit 50 Millimeter Brennweite (f/1,1). Die Aufnahmen erstellte ich im Videomodus mit 1/8 Sekunde Belichtungszeit und einer Empfindlichkeit von ISO 12800 beziehungsweise ISO 6400.

Erste Aufnahmen gelangen mir am 4. und 8. Juni 2023 um 1:05 Uhr beziehungsweise 23:24 Uhr MESZ (siehe »Deutlicher Lichtpunkt«). Trotz der kurzen Belichtungszeit erscheint die Satellitenspur auf den Einzelbildern etwa doppelt so lang wie die Sterne. Die Helligkeit des Satelliten wurde im Vergleich zu Sternen bestimmt, deren Helligkeiten dem Sternatlas Guide 8 entnommen wurden. Bei beiden Beobachtungen erschien BlueWalker 3 etwa 5,3 mag hell und war damit deutlich leuchtschwächer als die vorhergesagten 2 mag. Während der Aufnahmen zogen auch immer wieder Starlink-Satelliten durch das Bildfeld.

Deutlicher Lichtpunkt | Einzelbilder der Videos mit BlueWalker 3 (oben) vom 4. und 8. Juni 2023. Einige Helligkeiten von Vergleichssternen sind angegeben, zudem ein paar durchziehende Starlink-Satelliten. Unten sind Einzelbilder vom 15. und 16. Oktober wiedergegeben.

Schwankende Helligkeit

Anfang Oktober 2023 erschien im Fachjournal »Nature« ein Artikel, in dem Helligkeitsmessungen von verschiedenen Observatorien ausgewertet wurden. Das Team um Sangeetha Nandakumar von der Universidad de Atacama in Chile leitete eine hohe Helligkeit von 2 mag für BlueWalker 3 ab. Das Ergebnis fand in zahlreichen Medien Resonanz, entsprach aber nicht meinen Beobachtungen. Ich nutzte das nächste Sichtbarkeitsfenster Mitte Oktober und konnte den Satelliten am 15. um 19:38 Uhr MEZ und am 16. um 19:11 Uhr sichten, wobei er deutlich heller und leicht mit bloßem Auge erkennbar war (siehe »Störquellen«). Beim Bestimmen der Helligkeit ergab sich allerdings das Problem, dass auf dem relativ kleinen Bildfeld von 25 × 17 Grad nicht genügend helle Vergleichssterne vorhanden waren. Am 15. war der Satellit etwas heller als der Stern Etamin (Gamma Draconis) im Sternbild Drache, also etwa 2,0 mag. Am 16. zog er am Beobachtungsort Kaunertal in den Alpen flach über den nördlichen Horizont unterhalb von Kochab (Beta Ursae Minoris) im Kleinen Bären entlang und war schwächer als dieser, etwa 2,2 mag. Zum besseren Vergleich werden die Helligkeiten von Satelliten üblicherweise auch auf eine Standardentfernung von 1000 Kilometern bezogen (siehe Tabelle).

Störquellen | Die Aufnahme mit einem Fischaugenobjektiv von der Maulkuppe in der Rhön vom 15. Oktober 2023 zeigt im Westen (unten) die helle Lichtkuppel von Fulda. Darüber sind mehrere Spuren von Starlink-Satelliten durch die Belichtungszeit von 30 Sekunden überlagert, während die Spur von BlueWalker 3 hoch über den Himmel zieht (Bildmitte).

Eine Gruppe um den US-amerikanischen Amateurastronomen Anthony Mallama, die Beobachtungen des Satelliten im November 2022 durchgeführt hat, erklärt die veränderliche Helligkeit vor allem durch unterschiedliche Orientierungen der ausgefalteten Antenne: Ist sie so orientiert, dass das Sonnenlicht direkt zum Beobachter auf der Erde reflektiert wird, erscheint der Satellit heller. Wird das Licht dagegen unter flacheren Winkeln reflektiert, erscheint BlueWalker 3 deutlich schwächer. Letztlich ist es der gleiche Effekt, der die erste Generation der Iridium-Satelliten hell aufblitzen ließ und auch Starlink-Satelliten unter bestimmten Winkeln sehr hell werden lässt. Selbst wenn BlueWalker 3 nicht so häufig merklich aufleuchtet, muss befürchtet werden, dass allein durch die Anzahl der BlueBird-Satelliten der natürliche Sternenhimmel immer stärker verschmutzt und das Beobachten erschwert wird – nur um überall auf der Erde Mobilfunk zu ermöglichen.

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