Fernerkundung: Satellitenbilder enthüllen mesopotamische Siedlungsgeschichte
Aus dem Nahen Osten kennen Archäologen die frühesten Siedlungsspuren menschlicher Hochkulturen; und hier können sie die Zeitläufte demnach auch am längsten halbwegs kontinuierlich nachvollziehen. Wertvolles Hilfsmittel sind dabei schon lange Beobachtungen aus dem All, die den vom Menschen durch Landwirtschaft und Besiedlung veränderten Boden sichtbar machen. Björn Menze und Jason Ur von der Harvard University haben nun den bis dato umfangreichsten Satz von Bildmaterial aus der Region kombiniert und Berechnungsverfahren entwickelt, die das Auf und Ab der frühgeschichtlichen Besiedlung detaillierter als je zuvor über lange Zeiträume hinweg verdeutlichen. Die Zentren des alten Mesopotamiens, so eine ihrer Schlussfolgerungen, standen und fielen schon immer mit dem Zugang zum Wasser und den klimatischen Bedingungen – und ihrer perfekten Einbindung in ein gut ausgebautes regionales Transportnetzwerk.
Historische Besiedlungsräume erkennt man in Satellitenaufnahmen an ihrer speziellen Färbung: Die unter dem Einfluss des Menschen über viele Jahrzehnte beeinflussten Böden oder Anthrosole verraten sich unter anderem durch den hohen Gehalt an organischem Material aus Abfällen oder der Bewässerung, der ihnen ihre besonderen Spektraleigenschaften verleihen. Menze und Ur programmierten nun einen Algorithmus, der diese Farbveränderungen aus den Aufnahmen verschiedenster Satellitenaufnahmen herausfiltert; so konnten sie erstmals größere Region im Norden Syriens automatisiert und detailliert untersuchen und kombinieren. Sie identifizierten dabei rund 14 000 teilweise unbekannte archäologische Stätten, die seit dem Ende der Jungsteinzeit in der Region vor rund 9000 Jahren mehr oder weniger dicht besiedelt waren.
Zudem ermittelten die Forscher aus den Satellitendaten die Höhe der Siedlungshügel und erhielten so einigermaßen verlässliche Anhaltspunkte für die Dauer der lokalen Nutzung. Dabei wurde deutlich, dass Siedlungen vor allem dann über lange Zeiträume prosperierten, wenn sie stets Zugang zu genügend Wasser hatten. Einige Orte blieben aber auch dadurch bedeutsam, dass sie an den Knotenpunkten der Transportwege lagen, die schon seit der Mitte des dritten Jahrtausends vor der Zeitenwende bestanden hatten und ein überraschend dichtes Netzwerk bildeten. Dieses frühgeschichtliche Wegenetz kann vor allem anhand alter Aufnahmen des CORONA-Aufklärungssatellitenprogramms aus den 1960er und 1970er Jahren nachgezeichnet werden, die vor den großflächigen Bodenveränderungen der letzten Jahrzehnte aufgenommen worden waren.
Viele kleinere Siedlungen Alt-Mesopotamiens – vor allem in den zentralen Regionen des Untersuchungsgebiets im Khabur-Becken der nordsyrischen Hassake-Provinz – wurden dagegen abhängig von den wechselnden klimatischen Voraussetzungen wiederholt besiedelt und wieder verlassen. In einem nächsten Schritt möchten die Forscher ihren Ansatz nun ausweiten, um eine noch größere Gesamtkarte zu erstellen. Darin hoffen sie die gesamte Siedlungsgeschichte des Zweistromlands darzustellen.
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