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Planetenforschung: Saturns Magnetosphäre

Durch die jahrelange Beobachtung aus nächster Nähe gelang es Planetologen, in der Umgebung des Ringplaneten Effekte nachzuweisen, die sie sonst nur bei der Erde finden. Andere kennt man dagegen nur vom Magnetfeld des Jupiters.
Saturns Magnetosphäre
Als der italienische Naturforscher Galileo Galilei (1564-1642) vor 400 Jahren den Saturn zum ersten Mal durch sein Teleskop beobachtete, fiel ihm etwas Merkwürdiges auf: Auf beiden Seiten seines Scheibchens zeigte der Planet Ausbuchtungen, die Galilei Ansae nannte – "Henkel". Der niederländische Astronom Christiaan Huygens (1629-1695) deutete sie 1655 als Ringe; im gleichen Jahr entdeckte er Titan, den größten Saturnmond. Aber ein Planet hat mehr zu bieten, als sich irdischen Teleskopen erschließt. Zum Beispiel ein Magnetfeld.

Saturns Nordpol-Sechseck | Das von Voyager 1 entdeckte "Saturn-Hexagon" am Nordpol des Planeten in einer Nah-Infrarot-Aufnahme der Raumsonde Cassini: Das Polarlicht (blau) tritt deutlich bei einer Wellenlänge von vier Mikrometern zu Tage. Darunter ist die sechseckige Wolkenformation (rot) bei fünf Mikrometern zu erkennen.
Für das Leben auf der Erdoberfläche ist es unverzichtbar, dient es doch als Schutzschild gegen die energiereichen Teilchen des Sonnenwinds und der kosmischen Strahlung. Das Ankämpfen des Erdmagnetfelds gegen die Sonnenstürme zeigt sich immer wieder als majestätische Polarlichter, die manchmal auch in unseren Breiten zu sehen sind. Doch die Erforschung der "Aurorae" blieb bis zur Ära der großen Weltraumteleskope auf die des Blauen Planeten beschränkt.

Jedoch stach den Beobachtern mit dem Fortschritt in der Radioastronomie Mitte des 20. Jahrhunderts Jupiter als helle Quelle förmlich ins Auge. Die Planetologen schlossen, diese Emission müsse auf eine große Menge schneller ionisierter Teilchen zurückgehen – ein Plasma, das im Magnetfeld des Gasriesen umherwirbelt. Aber woher sollte das viele Plasma kommen? Sie konnten das Rätsel nur vor Ort lösen und schickten deshalb mit den Sonden Pioneer 10 und 11 erstmals Raumfahrzeuge zu den äußeren Planeten. Dass sie heil ankommen würden, war gar nicht so sicher, durchquerten sie doch als erste Kundschafter den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.

Die Raumsonde Cassini über den Ringen | Während der im Oktober 2010 beginnenden Verlängerung bis Mai 2017, der "Cassini Solstice Mission", soll Cassini auch die Saturnringe wie auf dieser Computergrafik aus der Nähe untersuchen.
Aber sie überstanden den Flug durch das planetare Trümmerfeld unbeschadet und sandten 1973 und 1974 nicht nur phänomenale Aufnahmen von Jupiter zur Erde, sondern bestätigten auch dessen Magneten in seinem Innern. Gibt es einen solchen auch im Saturn? Radiomessungen zu jener Zeit lieferten erste unklare Hinweise, und es sollte noch fünf Jahre dauern, bis Pioneer 11 – die im Gegensatz zu ihrer Schwestersonde auch den Ringplaneten ansteuerte – den Forschern Gewissheit verschaffte. Das Feld existierte tatsächlich, und sein Einflussbereich, die Magnetosphäre, schien im Verhältnis zur Erde wesentlich ausgedehnter zu sein. Gleicht es also doch dem des Jupiters – abgesehen von der Stärke?

Pioneer 11 war nur auf der Durchreise und die Messungen auf wenige Wochen limitiert. Auch den Sonden Voyager 1 und 2, die – 1977 gestartet – erheblich schneller unterwegs waren als ihre Vorgänger und bereits im Winter 1980 und Sommer 1981 den Himmelskörper passierten, blieben nur kurze Einblicke gewährt. Gerne hätten sich die Forscher die Planeten länger und genauer angeschaut, um die offenen Fragen zu klären. Im Fall von Jupiter taten sie das mit der Raumsonde Galileo, die den Gasriesen und seine Monde ab 1995 acht Jahre lang untersuchte. Nach heutigen Erkenntnissen unterscheidet sich seine Magnetosphäre enorm von der irdirschen.

Hinfliegen und nachschauen

Denn Jupiters Magnet ist etwa 20 000 Mal so stark, und dank des vierfach größeren Abstands von unserem Heimatstern weht der Sonnenwind hier längst nicht mehr so kräftig. Darüber hinaus rotiert Jupiter – und somit auch sein Magnetfeld – in nur zehn Stunden um seine Achse. In größerem Abstand wirkt es allein durch die Fliehkräfte wie ein enormer Teilchenbeschleuniger. Der wesentliche Teil des dabei involvierten Plasmas kommt tatsächlich nicht von der Sonne, sondern ist hausgemacht: Es stammt von Io, dem innersten der vier großen Galileischen Monde. Er wird durch die Gezeitenkräfte seines Planeten durchgewalkt, und Vulkane auf seiner Oberfläche sorgen für reichlich Abgase, die durch energiereiches Sonnenlicht ionisiert werden.

Enceladus' Abgase im Gegenlicht | Wie der Scheinwerfer eines entgegenkommenden Autos Nebelschwaden erleuchtet, treten hier die enormen "Rauchfahnen", die plumes, des 500 Kilometer großen Monds Enceladus gegen die Schwärze des Alls hervor. Sie bringen in jeder Sekunde 300 Kilogramm an Plasma in den E-Ring und die Magnetosphäre des Saturns ein. Cassini nahm dieses Bild im September 2006 aus 2,1 Millionen Kilometer Entfernung auf.
Wie sieht es beim Saturn aus? Vor fast sechs Jahren kam die Sonde Cassini dort an, benannt nach dem in Italien geborenen Astronomen Giovanni Domenico Cassini (1625-1712). Er entdeckte in den 1670er Jahren die vier Saturnmonde Thetys, Dione, Rhea und Japetus sowie die prägnanteste Teilung der Ringe, von denen er zu Recht vermutete, sie seien aus unzähligen kleinen eisigen Teilchen zusammengesetzt. Seit dem Absetzen der Landesonde Huygens auf Titan kurvt das Fahrzeug von NASA, ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI fit wie ein Turnschuh zwischen Monden und Ringen des Gasriesen umher. Mit ihrer Hilfe gewannen die Forscher so viele neue Erkenntnisse, dass ihre Mission gerade erneut verlängert wurde – sie soll nun bis 2017 fortgeführt werden.

"Wir erachten die ständigen Datenlieferungen von Saturn mittlerweile schon fast als selbstverständlich, weil das Fahrzeug und die Instrumente so wunderbar funktionieren", schwärmt Tamas Gombosi von der University of Michigan in Ann Arbor.
"Saturn schwimmt in Wasser"
(Tamas Gombosi)
Seit Jahren untersucht der Physiker die Magnetosphäre und die Plasma-Umgebung des Planeten und fasste jetzt die Erkenntnisse der Mission mit seinem Kollegen Andrew Ingersoll vom California Institute of Technology in Pasadena zusammen. "Die Magnetfelder von Erde und Saturn sind an ihren Oberflächen ungefähr gleich stark", erklärt der ungarische Planetologe. "Aber Saturn ist zehnmal so groß, das heißt, sein Magnet ist tausendmal so stark."

Welche Phänomene überwiegen?

Der Ringplanet hat allerdings auch den zehnfachen Sonnenabstand und ist doppelt so weit von der Erde entfernt wie Jupiter – somit erweist sich der Sonnenwind bei dieser Distanz als hundertmal schwächer als bei uns. Ähnelt seine Magnetosphäre also mehr der des benachbarten Gasriesen und weniger der der kleinen, felsigen Erde?

Sowohl als auch, lautet das Resümee der beiden Experten. Cassini besitzt mehrere Instrumente, die neutrale und geladene Teilchen analysieren, Richtung und Stärke des Magnetfelds vermessen und Radio- sowie Plasmawellen auffangen. Dabei zeigte sich, dass der Sonnenwind – wie bei der Erde – zu einem Aufbrechen und Wiederverbinden von Feldlinien führt, so genannter Rekonnexion. Das Ganze geschieht regelmäßig; den Effekt nennen die Forscher Dungey-Zyklus.

Saturns Magnetosphäre | Wie bei der Erde erzeugt der Sonnenwind beim Aufprall auf die Magnetosphäre des Saturns einen "Bugschock". Von der Magnetopause aus treten energiereiche Ionen in den "Plasma Sheet" ein und fließen in den Ringstrom ein. Orangefarben markiert ist der Torus aus dichtem, neutralem Gas außerhalb der Ringe und der Umlaufbahn von Enceladus (nicht eingezeichnet).
Aber die Ringwelt weist auch Gemeinsamkeiten mit dem König der Planeten auf. So verbindet sie neben der schnellen Rotation der Besitz zahlreicher Monde, von denen sich einer als ergiebige Quelle von Plasma erwiesen hat, das sich dann im so genannten Vasyliunas-Zyklus immer wieder als "Plasmoid" abtrennt und davonströmt. "Im Fall von Saturn ist Enceladus die Quelle", erklärt Gombosi. "Er hat flüssiges Wasser in seinem Innern, das durch Geysire austritt. Diese 'Kryovulkane' erzeugen riesige 'Rauchfahnen' aus Wasser. Deshalb sage ich oft scherzhaft: 'Saturn schwimmt in Wasser', da so viel davon von Enceladus, den eisigen Ringen und vereisten Monde geliefert wird, dass seine Magnetosphäre völlig von Wasser und seinen chemischen Produkten dominiert wird."

Dieses Bild trifft auch unter einem weiteren Gesichtspunkt zu: Saturn ist der Planet mit der geringsten Dichte und nimmt sich neben Jupiter aus wie eine Plastikschüssel voller Schlagsahne neben einer Glasschale mit Mascarpone-Kreme. Er scheint somit der einzige bekannte große Bewohner des Sonnensystems zu sein, der in einem Schwimmbecken nicht untergehen würde.

Welches Ergebnis der Cassini-Mission ist für Gombosi das bedeutendste? "Dass Enceladus die Quelle des Plasmas der Saturnmagnetosphäre ist. Zweifellos!" Der Forscher schaut dabei stets über den Rand der Ringe hinaus: "Einen Planeten untersuchen zu können, der in vielen Belangen so unterschiedlich zu unserem, in anderen wieder so ähnlich ist, birgt eine enorme Faszination. Und es gibt natürlich auch einen ganz praktischen Nutzen. Wenn wir Saturn besser verstehen, lernen wir auch einiges über unsere eigene Umgebung im All. Dadurch werden wir letztlich in der Lage sein, die Auswirkungen des Weltraumwetters präziser vorhersagen und seine Auswirkungen abmildern zu können."

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