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Sauberes Wasser: Im Wattenmeer lebt heute weniger

Ein Rückgang des Nährstoffeintrags in den letzten 40 Jahren hat auch zu einem Rückgang an Biomasse und Artenvielfalt geführt. Doch wo es Verlierer gibt, finden sich auch Gewinner.
Luftaufnahme des Wattenmeers
Endloses flaches Wasser: Der einzigartige Lebensraum Wattenmeer verändert sich fortwährend durch menschlichen Einfluss, so auch durch verbesserte Wasserqualität.

Wo das Wasser sauberer ist, leben auch mehr Tiere – sollte man meinen. Dass das nicht immer und überall der Fall ist, hat ein Forscherteam des Forschungsinstituts Senckenberg am Meer und der Universität Oldenburg gezeigt. Die Gruppe um Anja Singer hat dazu im ostfriesischen Wattenmeer untersucht, wie sich Artenvielfalt und Gesamtbiomasse gegenüber den 1980er Jahren verändert haben. Dabei stellte sie einen klar rückläufigen Trend fest: Die Bestände der damals vorherrschenden Arten Gemeine Wattschnecke, Bäumchenröhrenwurm und Schlickkrebs seien um mehr als 80 Prozent zurückgegangen. Die Gesamtbiomasse habe sich beinahe halbiert, die Anzahl der Individuen pro Quadratmeter sei um 31 Prozent geschrumpft, heißt es in der Studie, die im Fachmagazin »Frontiers in Marine Science« publiziert wurde.

Den Grund für die Abnahme sehen die Fachleute im verminderten Nahrungsangebot. Beschränkungen für den Einsatz von Düngemitteln und höhere Auflagen für Kläranlagen haben die Gewässergüte in den vergangenen 40 Jahren deutlich erhöht und gleichzeitig den Nährstoffgehalt in Flüssen wie Elbe, Weser und Rhein verringert. Infolgedessen wurden zum Beispiel Algenblüten seltener – parallel dazu schrumpfte das Nahrungsangebot für viele einst stark verbreitete Allerweltsarten.

Das ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Verarmung des Ökosystems. »Was für die Wattschnecke vielleicht von Nachteil ist, ist für andere Organismen ein deutlicher Gewinn: Die bessere Wasserqualität wirkt sich beispielsweise positiv auf Seegraswiesen und Austernriffe aus«, sagt Studien-Koautorin Ingrid Kröncke in einer Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft. Die Anzahl der insgesamt gefundenen Arten ist seit den 1980er Jahren im Untersuchungsgebiet beinahe konstant geblieben.

Auch der Klimawandel wirke sich auf den Lebensraum Wattenmeer aus, fasst das Team zusammen: Das durchschnittlich zwei Grad Celsius wärmere Oberflächenwasser mache es manchen invasiven Arten einfacher, sich gegen die an kälteres Wasser angepassten einheimischen Arten durchzusetzen. So profitiere etwa die Pazifische Felsenauster vom Klimawandel, schreiben Singer und Kollegen. Der Meeresspiegelanstieg habe sich ebenso bereits auf den Wattwurm Arenicola marina ausgewirkt, dessen Biomasse gegenüber 1980 um etwa 75 Prozent angestiegen sei. Der höhere Wasserstand ändere das Muster der Sandanreicherung, in den Sedimenten sinke der Schlickgehalt. Beides zusammengenommen verbessere die Lebensbedingungen für den charakteristischen Wattbewohner, erklärt Singer.

Für ihre Untersuchung haben Singer, Kröncke und die anderen Teammitglieder Daten aus rund 500 Messstationen von 2018 mit einem ähnlich großen, historischen Datensatz aus den 1980er Jahren verglichen. Das als UNESCO-Welterbestätte geschützte Wattenmeer erstreckt sich über eine rund 11 500 Quadratkilometer große Fläche. Mit seinem Sand- und Schlickwatt, den Muschelbänken, dichten Seegraswiesen, Salzwiesen, Sandstränden und Dünen bildet es laut der UN-Organisation eine Vielfalt von miteinander verbundenen Lebensräumen. Die Küstenregion sei Heimat von mehr als 10 000 Tier- und Pflanzenarten und biete zehn bis zwölf Millionen Zugvögeln jedes Jahr einen Rast- und Futterplatz.

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