Ausbreitung des Homo sapiens: Schädelfragmente geben Aufschluss über frühe Besiedlung Südostasiens
Vor rund 200 000 Jahren tauchten die ersten Vertreter des archaischen Homo sapiens in Afrika auf. Von dort aus – so besagt es die "Out-of-Africa-Theorie" – besiedelten sie im Lauf der Jahrtausende die restlichen Kontinente. Wann unsere Vorfahren aber in Südostasien ankamen, gibt Forschern nach wie vor Rätsel auf. Genetische Analysen deuteten bisher darauf hin, dass die ersten anatomisch modernen Menschen schon vor rund 60 000 Jahren dort gelebt haben könnten – bisher fehlten jedoch aussagekräftige Funde dazu. Schädelfragmente aus der Tam-Pa-Ling-Höhle in Laos könnten diese These nun erstmals stützen.
Bereits 2009 stießen Archäologen in zweieinhalb Meter Tiefe auf Teile von Stirn, Hinterkopf, Scheitel, Schläfen und Oberkiefer eines Schädels sowie auf ein zum Großteil erhaltenes Gebiss. Ein Forscherteam um Fabrice Demeter vom Muséum national d'Histoire naturelle in Paris konnte zeigen, dass die Fossilien eindeutig Schädelmerkmale der modernen Vertreter der Art Homo sapiens aufweisen. Darauf deutet etwa das Fehlen des so genannten Überaugenwulsts hin, einer Verdickung des Stirnbeins über den Augenhöhlen, die relativ typisch für die archaischen Vertreter der Gattung Homo war.
Mittels der Uran-Thorium-Methode sowie der Lumineszenzanalyse datierten die Wissenschaftler das Alter des Schädels auf rund 63 000 Jahre und das der umgebenden Bodenschichten auf 46 000 bis 51 000 Jahre. Demeter und seine Kollegen vermuten, dass die Knochen ursprünglich vor dem Höhleneingang lagen und erst im Lauf der Zeit ins Innere gespült wurden. Die Tam-Pa-Ling-Höhle diente also wohl weder als Behausung noch als Grabstätte.
Die Schädelfragmente sind damit mindestens 6000 Jahre älter als die bisher frühesten modernen menschlichen Fossilien aus Südostasien. Zwar entdeckten Archäologen bereits zuvor in Südchina Teile eines 100 000 Jahre alten Unterkiefers, der ebenfalls moderne Merkmale aufwies. Der Fund war jedoch zu bruchstückhaft, um mit Sicherheit einem Homo sapiens zugeordnet werden zu können.
Die Knochen werfen auch ein neues Licht auf die Besiedlungsroute der frühen Menschen. Bisher dachten Forscher, dass sie sich hauptsächlich entlang der Küsten nach Osten ausbreiteten und so nach Asien und Australien gelangten. Nun scheint es, dass sie auch weiter nördlich im Inland siedelten und möglicherweise unterschiedliche Migrationsrouten nutzten.
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