News: Schärfer als Hubble
Ob das Prinzip funktioniert, musste Conica nun beweisen, denn es sollte gegen das Weltraumteleskop Hubble antreten, über dessen gestochen scharfe Bilder nicht nur Astronomen staunen. Doch das schwergewichtige Messgerät erfüllte seine Aufgabe mit Bravour, denn sein Bild war deutlich schärfer als das von Hubble. Im Bereich des nahen Infrarot – also bei Wellenlängen von etwa einem Mikrometer – kann Conica zusammen mit Naos, dem Instrument für die adaptive Optik, bei optimalen Bedingungen noch Details von wenigen hundertstel Bogensekunden abbilden. Damit ließe sich ein auf dem Mond liegender fünfzig Meter großer Fels erkennen – rund dreimal schärfer als mit Hubble.
Überflüssig wird das Weltraumteleskop damit allerdings nicht: Zum einen verschluckt die Atmosphäre in einigen Bereichen des nahen Infrarot einen Teil des Lichts, zum anderen benötigt Naos zur Korrektur der Luftunruhe einen vergleichsweise hellen Stern im Gesichtsfeld – deshalb lässt sich nicht jede Position am Himmel optimal abbilden. Zudem arbeitet Hubble, anders als Conica, ohnehin überwiegend im Bereich des sichtbaren Lichts.
Dabei ist Conica ist nicht bloß eine Kamera, sondern vielmehr ein sehr vielseitiges wissenschaftliches Instrument: Ähnlich wie man bei einem Fotoapparat Objektive mit unterschiedlichen Brennweiten auswechseln kann, lassen sich im Inneren des Beobachtungsinstruments sieben Einzelkameras auswählen. Sie sitzen auf einem großen Rad und werden damit in den Strahlengang gedreht. Das ermöglicht Aufnahmen mit unterschiedlicher Auflösung. Nötig ist dies vor allem deswegen, weil Conica im Infrarotbereich bei Wellenlängen zwischen etwa einem und fünf Mikrometern empfindlich ist. Jede Kamera ist für jeweils einen Teilbereich optimal konzipiert.
Das Beobachten im Infrarot stellt besondere Anforderungen an die Instrumente, denn alle Körper geben bei Zimmertemperatur in diesem Wellenlängenbereich Wärmestrahlung ab. Um zu vermeiden, dass das Instrument von der eigenen Wärmestrahlung geblendet wird, muss man es "einfrieren". Conica verfügt dazu über eine doppelte Kühlung, womit die Temperatur des optischen Systems und der Kameras bis auf minus 210 Grad Celsius und des Detektors sogar bis auf minus 240 Grad Celsius gesenkt wird.
Beim Bau von Conica erwies sich dieses Kryosystem als eines der größten Probleme für die Stabilität des gesamten Instruments. Während einer langen Belichtung dreht sich nämlich das gesamte Teleskop mit der Kamera, um die scheinbare Himmelsbewegung von Ost nach West auszugleichen. "Wir mussten dafür sorgen, dass sich das tonnenschwere Gerät durch diese Bewegung um nicht mehr als wenige tausendstel Millimeter durchbiegt", verdeutlicht Rainer Lenzen vom Heidelberg Max-Planck-Institut für Astronomie die Schwierigkeit. Doch dass die Astronomen das Problem meistern konnten, zeigen nun die ersten Aufnahmen.
Denn die Umgebung des Sternhaufens NGC 3603, ist quasi eine Kinderstube für Sterne. Die zahllosen kleinen Lichtpünktchen, die nun die Conica-Aufnahme zeigt, sind massearme Sterne, die für astronomische Begriffe außerordentlich jung sind – nämlich nur wenige hundert Millionen Jahre. Auf der Hubble-Aufnahme sind die meisten von ihnen nicht sichtbar. Die genaue Beobachtung dieser Sterne wird zu einem besseren Verständnis der bei der Sternbildung ablaufenden Prozesse führen.
Ein weiteres zentrales Forschungsgebiet ist die Entstehung und Entwicklung von Galaxien und Quasaren. Letztere sind auch in den allergrößten Entfernungen sichtbar, denn sie sind die leucht-kräftigsten Himmelskörper im Universum. Aller Wahrscheinlichkeit nach entsteht ihre enorme Strahlung in der Umgebung eines Schwarzen Lochs, das sich im Zentrum eines jeden Quasars befindet.
Die jüngsten Galaxien und Quasare sind viele Milliarden Lichtjahre entfernt. Ihre Fluchtgeschwindigkeit aufgrund der kosmischen Expansion ist hoch, daher ist ihr Licht stark zu längeren Wellenlängen verschoben. Obwohl sie das meiste Licht im sichtbaren und im ultravioletten Bereich aussenden, erscheinen sie uns daher auf der Erde im nahen Infrarotbereich am hellsten. Conica wird somit weit in die frühen Entwicklungsstadien unseres Universums zurückblicken und dabei sicherlich für so manche Entdeckung sorgen.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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