Gruppendynamik: Die Schaflawine
Aus der Vogelperspektive betrachtet ist eine Schafherde meist eine gemächlich auseinanderdriftende Ansammlung von Wollknäueln. Doch in periodischen Abständen kommt es zu plötzlichen Verdichtungen der Herde.
Das Startsignal für dieses Schauspiel geht regelmäßig von Schafen in der Peripherie aus. Wie von einer plötzlichen Eingebung getrieben, stürmen sie gen Zentrum der Herde und reißen ihre Artgenossen in einer Art Lawine mit sich. Derart zusammengeballt verlagert sich die Herde auf ein benachbartes Weidestück, und das langsame Auseinanderdriften beginnt von vorne.
Die vermeintlich willkürlichen Umwälzungen folgen einer inneren Ordnung, das hat eine Gruppe von Verhaltensforschern der University of Aberdeen nun herausgefunden. Geleitet wurde die Gruppe von Francesco Ginelli, der als Experte für komplexe biologische Systeme gilt.
Seine Forschergruppe hat die Fluktuationen von Merinoschafherden systematisch beobachtet und in ein Computermodell gefasst. Ausgehend von den Reaktionen des einzelnen Tiers auf die Bewegungen seiner unmittelbaren Nachbarn lässt sich mit dessen Hilfe die ausgefeilte Choreografie aus Verteilung und Verdichtung der Herde im Computer simulieren.
Ginelli und seine Koautoren glauben, dass die Schafe mit Hilfe der oszillierenden Verteilung zwei ihrer fundamentalen Interessen ausbalancieren: die maximale Nutzung der Weidefläche bei möglichst geringer Angriffsfläche für Raubtiere im Schutz der Herde. Ihre Ergebnisse könnten auch auf das Gruppenverhalten von Menschen angewendet werden, glauben die Forscher – zum Beispiel in brennenden Gebäuden.
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