Galaxienentwicklung: Galaxienverschmelzung lässt Scheiben entstehen
Ein Forscherteam um Junko Ueda vom National Astronomical Observatory of Japan untersuchte 37 Überbleibsel von Galaxienverschmelzungen und konnte zeigen, dass 24 der Galaxien rotierende Gasscheiben mit unterschiedlichen Größen zwischen 3500 und 30 000 Lichtjahren aufweisen. Bei wiederum rund der Hälfte dieser Systeme erstrecken sich die Scheiben über die stellare Komponente hinaus. Die Astronomen deuten dies als Anzeichen dafür, dass sich in diesen Fällen erneut Scheibengalaxien ausbilden.
Die 37 Objekte waren schon früher erforscht worden und befinden sich im lokalen Universum bei Entfernungen von weniger als 600 Millionen Lichtjahren. Anhand von beobachtbaren Strukturen wie auslaufenden Bögen und Schalen, die auf eine Kollision in der Vergangenheit hindeuten, ließen sich die Systeme als Produkte von Galaxienvereinigungen identifizieren. Das Forscherteam stützte sich bei seiner Arbeit auf neue und archivierte interferometrische Beobachtungen – unter anderem mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA). In den Daten lässt sich die Verteilung von molekularem Gas in den Galaxien mit Hilfe der Abstrahlung durch das vorhandene Kohlenmonoxid bestimmen. Darüber hinaus geben Verschiebungen der beobachteten Emissionslinien zu kürzeren beziehungsweise längeren Wellenlängen hin Aufschluss über die Bewegungseigenschaften der Systeme.
Die Entdeckung ist insofern bemerkenswert, als die Wissenschaft seit den ersten numerischen Simulationen in den 1970er Jahren davon ausging, dass infolge von Verschmelzungsprozessen überwiegend elliptische Galaxien entstehen sollten. Im Gegensatz zu den Scheibengalaxien, zu denen auch die Milchstraße gehört, weisen sie kaum Strukturen auf und enthalten vorwiegend alte Sterne. Dieses Szenario ließ sich bereits mehrfach durch Beobachtungen bestätigen. Jedoch zeigten wiederum erst kürzlich entwickelte Computersimulationen, welche das Gas bei Galaxienverschmelzungen umfassend mitbetrachten, dass sich infolge von Kollisionen auch wieder Spiralgalaxien ausbilden können. Dafür muss der Gasanteil groß sein und ausreichend Drehimpuls aufweisen, den es während des Prozesses beibehält. Die aktuellen Beobachtungen bestätigen solche neueren Modellrechnungen.
Untersuchungen von Galaxienverschmelzungen sind grundlegend wichtig für das Verständnis der Strukturbildung im Universum. Aus anfänglich kleinen Dichteschwankungen im jungen Kosmos bildeten sich bereits sehr früh – rund eine Milliarde Jahre nach dem Urknall – die ersten Sternsysteme. Gravitative Wechselwirkungen sorgten für häufige Kollisionen und ein schnelles Wachstum jener Welteninseln sowie für die Ausbildung der heute beobachtbaren großen Strukturen wie Galaxienhaufen, die entlang eines filamentartigen Netzwerks im Universum verteilt sind. In aufwändigen Simulationen versuchen Forscher, diese Entwicklung vom Urknall bis heute nachzuvollziehen, doch gerade solche komplexen Wechselwirkungen, wie sie bei Galaxienvereinigungen eine Rolle spielen, sind noch nicht im Detail verstanden.
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