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Evolutionsbiologie: Scheidung

Im Kampf der Geschlechter wird nicht lang gefackelt. Schließlich gilt es, die eigenen Gene - und nur die - möglichst erfolgreich zu verbreiten. Dass dabei schon mal die Interessen von Männlein und Weiblein arg miteinander kollidieren, überrascht nicht. Einen besonders bizarren Weg zur friedlichen Koexistenz wählen Feuerameisen: Ihre Geschlechter vermehren sich unabhängig voneinander.
<i>Wasmannia auropunctata</i>
"Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus", heißt es so schön. Doch auch wenn unser geschlechtliches Gegenüber mitunter irgendwie von einer anderen Welt zu kommen scheint, so gehören wir doch alle zur gleichen Spezies. Schließlich teilen wir miteinander unser Genom, bilden eine potenzielle Fortpflanzungsgemeinschaft und erfüllen damit das Kriterium einer Art.

Seid Richard Dawkins "Egoistischem Gen" wissen wir allerdings, dass alles Mühen und Streben eines Lebewesens nicht der Arterhaltung, sondern der möglichst erfolgreichen und weiten Verbreitung des eigenen Erbguts dient. Damit verfolgen Männchen und Weibchen bei der geschlechtlichen Vermehrung durchaus unterschiedliche Interessen. Weil jedoch die Erbgutvermischung meist fittere Nachkommen erzeugt – die dann wieder die eigenen Gene verbreiten –, lohnt sich die Kooperation für beide Seiten.

Richtig kompliziert werden Verhältnisse bei den staatenbildenden Insekten wie Bienen und Ameisen, die ihre Geschlechter etwas ungewöhnlich festlegen: Alle weiblichen Tiere, also Königinnen und Arbeiterinnen, haben – wie allgemein üblich – einen doppelten Chromosomensatz. Die Männchen allerdings entstehen aus unbefruchteten Eizellen; ihr Chromosomensatz bleibt haploid, also einfach. Durch diese haplodiploide Geschlechtsbestimmung erbt eine weibliche Arbeiterin die Hälfte der Gene ihrer Mutter, aber das komplette Genom ihres Vaters. Damit entsteht die kuriose Situation, dass Schwestern untereinander näher verwandt sind als mit ihrer Mutter oder ihren eigenen Kindern. Für die Arbeiterinnen, die auf eigenen Nachwuchs verzichten, lohnt es sich also, pfleglich mit den Schwestern sowie auch mit den Nichten umzugehen, um so auf indirektem Wege einen Teil der eigenen Gene zu verbreiten. Diese egoistische Solidarität bildet die Grundlage des Staates.

Der Roten Feuerameise (Wasmannia auropunctata) genügt das aber noch nicht. Dieses nur anderthalb Millimeter große, ursprünglich aus Südamerika stammende Insekt hat sich erfolgreich ausgebreitet und genießt den wenig schmeichelhaften Ruf, auf der Liste der hundert schlimmsten invasiven Arten zu stehen. Als nun Denis Fournier vom französischem Forschungsinstitut INRA und seine Kollegen die Verwandtschaftsverhältnisse der kleinen Krabbler bei 34 Nestern in Französisch-Guyana analysierten, erlebten die Forscher eine Überraschung: Das Erbgut von fortpflanzungsbereiten Weibchen, die sich auf der Suche nach einem Freier in die Luft begeben hatten, war hundertprozentig identisch mit dem Genom ihrer Mutter.

Offensichtlich vermehren sich die Königinnen der Feuerameise – also die weibliche Linie – durch Klonen. Mit Männchen lassen sich die Damen nur ein, um mit ihnen unfruchtbare Arbeiterinnen zu zeugen. Ein nicht dummer Schachzug. Denn dadurch geben die Königinnen ihr komplettes Erbgut an ihre Nachkommen weiter, ohne es lästigerweise mit männlichen Genen zu verdünnen. Die typischen Inzuchtgefahren, wie Verbreitung von Krankheiten oder Parasiten, drohen ihnen nicht, denn ihr Staat bleibt genetisch gut durchmischt, da die Arbeiterinnen ihr Dasein konventionellem Sex verdanken.

Die Männchen haben damit allerdings ein Problem: Ihr Genverbreitungsweg ist von den Königinnen auf wenig kooperative Weise abgeschnitten worden. Söhne haben sie sowieso keine – die stammen ja immer allein von der Königin ab –, und ihre Töchter, die Arbeiterinnen, sind steril. Eine genetische Sackgasse.

"Wenn Männchen und Weibchen wirklich niemals ihre Gene austauschen, dann sollten wir sie als unterschiedliche Arten klassifizieren"
(David Queller)
Dass sich die Herren der Schöpfung das nicht lange gefallen lassen, versteht sich von selbst. Sie griffen zum gleichen Mittel und setzen nun ebenfalls aufs Klonen. Die Forscher vermuten, dass es dem männlichen Sperma nach der Befruchtung gelingt, den weiblichen Anteil der Eizelle zu eliminieren. Ein genetisch vollkommen identischer Sohn ist das Resultat dieser Manipulation.

Das Ergebnis dieses Geschlechterkampfs: Männchen und Weibchen gehen genetisch getrennte Wege, nur noch für die Produktion von Arbeiterinnen kooperieren sie. Konsequenterweise verzichten nun auch die Königinnen darauf, Söhne zu erzeugen. Die Trennung ist komplett – bei der Feuerameise sind die Männer demnach wirklich vom Mars.

"Wenn sich bestätigt, dass Männchen und Weibchen niemals ihre Gene austauschen und vollkommen unterschiedliche evolutionäre Wege gehen, dann sollten wir sie eigentlich als unterschiedliche Arten klassifizieren", kommentiert der Evolutionsbiologe David Queller die bizarre Entdeckung seiner Kollegen. Und einen Namen für die Männchen hat er auch schon parat: "Wasmannia mars".

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