Handelsgeschichte: Die fischige Botschaft der Mary Rose
Die "Mary Rose" war der große Stolz der englischen Marine im 16. Jahrhundert und das Flaggschiff der Flotte von Henry VIII. Während eines Seegefechts gegen die Franzosen im Solent – ein Seitenarm des Ärmelkanals – während des Italienischen Kriegs sank das Schiff allerdings 1545 und nahm dabei Mann, Maus und sämtliche Vorräte an Bord mit sich in die Tiefe. Seit es 1982 geborgen wurde, gilt es Archäologen als optimale Möglichkeit in die Zeit der Tudors zurückzublicken. Dazu untersuchen sie sogar die Überreste des Proviants, mit dem die Seeleute versorgt wurden, weshalb James Barrett von der University of Cambridge und seine Kollegen nun auch erhalten gebliebene Kabeljauknochen analysierten. Mit Hilfe von Isotopen- und DNA-Studien bestimmten sie die Herkunftsgebiete der eingelagerten Fische, die damals ein Grundnahrungsmittel der Bevölkerung waren – mit überraschendem Befund: Obwohl England an seinen Küsten gute Fischgründe und eine leistungsstarke Fischerei aufwies, stammt der Kabeljau aus den Lagerräumen aus weiter entfernten Regionen wie der nördlichen Nordsee und Island.
Einzelne Werte deuten weiterhin an, dass manche Fische sogar von den Küsten Neufundlands angelandet worden waren – ein Gebiet, das lange für sehr ergiebige Kabeljaubestände bekannt war, bevor sie in den 1990er Jahren durch Überfischung völlig zusammenbrachen. Zum einen hatten die Briten also damals mit Isländern Fisch gehandelt, zum anderen brachen sie selbst zu Fangfahrten in diese Gewässer auf, was damals drei- bis sechsmonatige Aufenthalte auf See mit sich brachte und angesichts der rauen See nicht ungefährlich war. Vor Nordamerika waren die Engländer jedoch nicht die Einzigen, die bereits ein Auge auf Neufundlands ergiebige Ressourcen geworfen hatten. Auch Spanier, Portugiesen und Franzosen nutzten diese Gründe. "Der Bedarf an Fisch gehörte zu den wichtigsten Faktoren für die weitere Kolonialisierung im nordöstlichen Nordamerika", so Barrett. "Die Fischerei vor Neufundland war wertvoller als der Pelzhandel."
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