Verhaltensbiologie: Schildkröten jagen mit den Augen
Die unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) ist weltweit in tropischen Regionen verbreitet, in denen sie sich als Allesfresser von Quallen, Schwämmen, Korallen, Krebstieren, Algen und Seetang ernährt. Jedoch ist wenig darüber bekannt, wie die Tiere ihre Nahrung finden, in welche Tiefen sie dabei vordringen und ob sich ausgewachsene Schildkröten anders ernähren als Jungtiere. Kleine, widerstandsfähige Kameras – so genannte "Crittercams", die am Körper der Tiere angebracht werden – erlauben einzigartige Einblicke in das Leben von Meeresbewohnern, denen der Mensch naturgemäß nicht folgen kann.
Tomoko Narazaki und ihre Kollegen von der Universität Tokio nutzten diese Technik, um das Fressverhalten der unechten Karettschildkröte besser zu verstehen. Die Forscher befestigten an den Panzern von sieben Tieren unterschiedlichen Alters, die Fischern als Beifang in die Netze gegangen waren, Kameras und so genannte 3-D-Logger – eine Art Blackbox, die die Bewegungsdaten der Tiere aufzeichnet. So ausgestattet entließ man die Tiere wieder in den Pazifik. Die Kameras filmten in kurzen Sequenzen insgesamt acht Stunden lang das Leben der Schildkröten, bevor sie sich automatisch von den Panzern lösten und an die Wasseroberfläche trieben.
Im Fressverhalten von ausgewachsenen Schildkröten und großen Jungtieren wurde kein Unterschied beobachtet. Die Videoaufzeichnungen zeigen, dass die Tiere sich bei der Jagd auf ihren Sehsinn verlassen und während langer Wanderungen in bis zu 20 Meter Tiefe vorbeischwebende Quallen gezielt ansteuern und fressen. Zur Überraschung der Forscher verzehren unechte Karettschildkröten pro Stunde durchschnittlich zwei der gallertartigen Lebewesen, die jedoch nicht viel Energie und Nährstoffe liefern. Die Schildkröten stellen daher in tieferen Bereichen von bis zu 45 Metern hartschaligen Tieren wie Muscheln oder Schnecken nach, um ihren Energiebedarf zu decken. Erfreulich zu beobachten war, dass umherschwimmende Plastiktüten nicht mit Quallen verwechselt und verschluckt werden. Die Meeresverschmutzung durch verschiedene Plastikartikel stellt für viele Tiere eine tödliche Bedrohung dar.
Neben den Verhaltensbeobachtungen lassen sich auf diese Weise auch die Wanderrouten von Meeresschildkröten detailliert kartieren – ein Vorhaben, welches Tomoko Narazaki und ihr Team in Zukunft angehen wollen.
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