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Belastete Lebensmittel: Aflatoxine - giftig, krebserregend und fast überall drin

Strukturformel von Aflatoxin B1

Der Fund von hochgradig krebserregenden Schimmelpilzgiften in Futtermais, den das niedersächsische Landwirtschaftsministerium heute Vormittag meldete, ist Besorgnis erregend, überraschen sollte er aber niemanden. Denn dass Aflatoxine in Getreide und anderen Feldfrüchten auftauchen, ist keineswegs ungewöhnlich – die Gifte werden von einigen Schimmelpilzen der Gattung Aspergillus gebildet, zum Beispiel Aspergillus flavus, nach dem diese Gruppe von Giften benannt ist. Sie sind in feuchten und warmen Regionen weit verbreitet und können bei vielen Arten von Feldfrüchten, auf denen sie sich vor oder nach der Ernte ansiedeln, zum Problem werden. Bedroht sind nicht nur Mais und Getreide, sondern auch Nüsse und Pistazien oder Kaffee. Das jetzt in Mais gefundene Aflatoxin B1 ist der in Lebensmitteln häufigste Stoff dieser Art.

Aflatoxin B1

Experten betrachten derartige Schimmelpilzgifte als gefährlichste chronische Belastung in Lebensmitteln – noch vor Pestizidrückständen oder Schwermetallen. Wegen der hohen Giftigkeit der Aflatoxine hat die EU die Devise ausgegeben, die Belastung menschlicher Nahrungsmittel so gering wie möglich zu halten – entsprechend niedrig sind die Grenzwerte. In Nüssen zum Beispiel liegt er bei vier Mikrogramm pro Kilo, bei Futtermitteln, die indirekt zu belasteten Lebensmitteln führen können, bei 20 Mikrogramm pro Kilo. Die nun gefundene Belastung in den 45 000 Tonnen Futtermais aus Serbien lag beim Zehnfachen des Grenzwerts.

Aflatoxin B1 und seine Stoffwechselprodukte wirken vor allem auf die Leber. Akute Vergiftungen führen zum Absterben von Lebergewebe und verursachen später Leberzirrhose oder Leberkarzinome. Allerdings sind solche Vergiftungen selten. Auch chronische Belastungen mit geringen Mengen Aflatoxinen sind jedoch hochproblematisch, weil die Substanzen mit der DNA interagieren und speziell bei Kindern Entwicklungsstörungen auslösen können. Außerdem verursachen Aflatoxine Erbgutschäden wie Mutationen im Gen p53, die oft mit Tumorerkrankungen in Verbindung stehen.

Tatsächlich ist Aflatoxin B1 eine der am stärksten genotoxischen und krebserregenden Substanzen, die bekannt sind. In einigen Tierversuchen trat eine Wirkung sogar noch bei extrem niedrigen Konzentrationen von weniger als 0,1 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht auf, und epidemiologische Studien in Regionen mit aflatoxinbelasteten Lebensmitteln zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen dieser Stoffklasse und der Häufigkeit von Leberkrebs.

Der Schimmelpilz Aspergillus flavus unter dem Mikroskop | Vertreter dieser Familie produzieren die gefürchteten Aflatoxine.

Obwohl knapp ein Viertel des belasteten Getreides in den Verkehr gelangte, geht das niedersächsische Landwirtschaftsministerium davon aus, dass die Grenzwerte für Aflatoxine in Lebensmitteln nicht überschritten werden. Das Gift wird vom tierischen Organismus verstoffwechselt und wieder ausgeschieden, so dass es sich im Gewebe nicht anreichert – Aflatoxin B1 wird binnen weniger Tage zum größten Teil wieder ausgeschieden, andere Aflatoxine sogar noch schneller.

Ein theoretisches Risiko für den Verbraucher durch einzelne Chargen kontaminierter Futtermittel besteht vor allem durch Milch, in der sich das etwas weniger giftige Aflatoxin M1, eines der hauptsächlichen Stoffwechselprodukte des Aflatoxin B1, anreichert. Nach Angaben der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit können die Aflatoxingrenzwerte in Rohmilch sogar dann überschritten werden, wenn die Futtermittel innerhalb des gesetzlichen Limits liegen. Im Rahmen der weiteren Verarbeitung vermischen die Hersteller jedoch Milch von vielen Produzenten, so dass eventuell belastete Milch verdünnt wird und der Aflatoxingehalt unter die Grenzwerte absinkt.

Bislang völlig ungeklärt, aber nach Ansicht vieler Experten bis heute unterschätzt ist die potenzielle Gefahr durch so genannte Konjugate – sie entstehen, wenn Giftstoffe im Körper an Biomoleküle wie Zucker, Aminosäuren oder anorganische Moleküle gekoppelt werden, damit der Organismus sie schneller ausscheidet. Die meisten Pilzgifte bilden solche Konjugate, die bei Lebensmitteluntersuchungen bisher nicht erfasst werden. Vor einiger Zeit haben Forscher jedoch nachgewiesen, dass Mikroben im menschlichen Darm Pilzgifte aus solchen Konjugaten wieder befreien können. Bisher ist noch unbekannt, ob diese Prozesse zu einer nennenswerten Freisetzung von Pilztoxinen führen, so dass zum Beispiel die effektive Belastung durch verzehrte Milch höher ist als vermutet.

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