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Schimpansen: Warum sind nicht alle Tyrannen?

Dominante Männchen sind die Chefs der Gruppe und haben mehr Nachwuchs, zeigt eine Studie. Ein Rätsel bleibt, warum dann nicht alle Schimpansenmännchen ihre Umgebung schikanieren.
Ein Schimpanse zeigt die Zähne
Manche Schimpansen dominieren mit ihrer Aggressivität die Gruppe und steigen in der Hierarchie auf.

Er schürt Streit, schikaniert, nimmt alles für sich allein – alles, um eine bessere Position in der sozialen Hierarchie zu erreichen. Doch nicht nur der Mensch kann schwierig im Umgang sein. Auch Schimpansen gehen nicht zimperlich mit ihren Artgenossen um. Und wie Wissenschaftler nun beobachtet haben, bringt das aggressive Verhalten manchen Schimpansen offensichtlich Vorteile in der Gruppe.

Natürlich benimmt sich nicht jeder Schimpanse wie ein Tyrann. Jane Goodall, die im tansanischen Gombe-Nationalpark als Erste das Verhalten von Schimpansen untersuchte, beschrieb einige der Tiere als frecher oder ängstlicher, andere als anhänglich oder gefühlskalt. Auch sie beobachtete schon, dass Männchen, die eher dominante Persönlichkeiten zeigten, höher auf der sozialen Leiter kletterten und mehr Nachwuchs zeugten.

Eine neue Studie in der Fachzeitschrift »PeerJ Life and Environment« bestätigt diesen Befund und wirft dabei eine Frage auf: Wenn Männchen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen eher an die Spitze gelangen und häufiger ihre Gene weitergeben, sollten dann nicht im Lauf der Zeit alle Männchen so sein? Mit anderen Worten: Warum gibt es überhaupt Persönlichkeitsunterschiede?

Dazu hat ein Team um Alexander Weiss von der University of Edinburgh insgesamt 28 männliche Schimpansen ebenfalls in Gombe beobachtet. Außerdem griffen die Forschenden auf Daten langjähriger Feldforschung zurück. Die Tiere im tansanischen Nationalpark werden mittlerweile seit fast 40 Jahren studiert.

In ihrer Studie diskutieren Weiss und Team drei mögliche Erklärungen für die Existenz von Persönlichkeitsunterschieden. Aggressives Verhalten mag zum Beispiel zwar soziale Vorteile bringen, könnte aber gleichzeitig das Risiko eines frühen, gewaltsamen Todes erhöhen. In einem solchen Fall sinkt für das dominante Männchen auch die Chance, seine Gene weiterzugeben, verglichen mit einem ruhigeren – und gesünderen – Artgenossen.

Ein anderes Szenario geht davon aus, dass unterschiedliche Umweltbedingungen oder Lebensräume jeweils unterschiedliche Merkmale begünstigen. So könnte aggressives Verhalten etwa beim Kampf um Ressourcen Vorteile bringen. Der erhöhte Kalorienbedarf könnte sich allerdings auch als Belastung erweisen. Das Geschlecht kann ebenfalls eine Rolle spielen. Was für Männchen von Vorteil ist, kann für Weibchen hohe Kosten verursachen. Da Persönlichkeitsmerkmale nicht ausschließlich über die Geschlechtschromosomen vererbt werden, wirken sie sich häufig auf Nachkommen beiderlei Geschlechts aus.

Eine seit Langem vertretene Theorie besagt, dass sich die verschiedenen Merkmale zu verschiedenen Zeitpunkten im Leben der Tiere lohnen. Aggressives Verhalten könnte jungen Schimpansenmännchen einen Vorteil verschaffen, ihnen mit fortschreitendem Alter aber schaden. Dafür fand das Team um Weiss allerdings keine Hinweise: Tiere behielten die soziale Position, die sie in jungen Jahren einnahmen, meist ein ganzes Leben lang. Auch der Fortpflanzungserfolg der einzelnen Männchen veränderte sich in der Regel nicht.

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