Direkt zum Inhalt

Koffein und Appetit: Hilft Kaffee beim Abnehmen?

»Coffee-Loophole«: Glaubt man Social Media, lässt sich mit Kaffee schnell Gewicht verlieren. Tatsächlich scheint das Getränk die Fettverbrennung anzukurbeln – aber nur in geringem Maß.
Frau mit einer Tasse Espresso
Kaffee scheint viele positive Auswirkungen zu haben. Aber macht das Getränk auch schlank?

Ohne Kaffee am Morgen geht bei vielen Menschen gar nichts. Erst mit ein paar Schlucken des beliebten Heißgetränks werden sie wach. Andere stellen vielleicht fest, sie dadurch weniger Hunger haben. In den sozialen Medien berichten viele Menschen, der Muntermacher habe ihnen angeblich geholfen, überschüssige Pfunde loszuwerden. Doch Wissenschaftler beginnt gerade erst zu verstehen, wie sich Koffein und weitere Inhaltsstoffe von Kaffee auf das Gewicht auswirken.

Der Diättrend »Coffee Loophole« nimmt seit Anfang 2024 an Fahrt auf: Zum Abnehmen solle man nach Auftreten des Hungergefühls innerhalb von sieben Sekunden eine Mischung aus Kaffee und verschiedenen Gewürzen und Nahrungsergänzungsmittel trinken. Expertinnen und Experten sind sich aber noch nicht sicher, ob Kaffee (und insbesondere Koffein) wirklich dazu beiträgt, dass die Pfunde purzeln.

Dass koffeinhaltigen Getränken eine gewichtsreduzierende Wirkung nachgesagt wird, hängt mit der Ankurbelung des Verdauungssystems zusammen. Koffein kann Muskelkontraktionen im Dickdarm verstärken, die den Stuhlgang anregen. Das Verdauungssystem entleert seinen Inhalt dann ein wenig schneller als gewöhnlich. Zudem ist Koffein ein Diuretikum, es erhöht also die Urinproduktion. Diese Auswirkungen treten schnell nach dem Kaffeekonsum auf, halten aber nur für kurze Zeit an und führen nicht zu einem dauerhaften Gewichtsverlust. Über einen längeren Zeitraum hinweg scheint Kaffeekonsum aber anders zu wirken.

Regelmäßiges Kaffeetrinken führt zwar nicht zu einer signifikanten Gewichtsabnahme, kann aber verhindern, dass man zunimmt – allerdings nur in geringem Maß. Im Durchschnitt nehmen Menschen mittleren Alters jährlich etwa ein halbes Kilogramm zu. Kaffeetrinker scheinen davon allerdings weniger betroffen. Eine 2023 veröffentlichte Studie verfolgte die Kaffeegewohnheiten von mehr als 150 000 Personen und stellte fest, dass das Trinken von ungesüßtem Kaffee über vier Jahre mit einer niedrigeren Gewichtszunahme verbunden war, wenn auch kaum merklich: Mit jeder Tasse, die sie täglich mehr tranken, nahmen Kaffeetrinker in vier Jahren etwa 125 Gramm weniger zu als ihre Altersgenossen. Andere Studien berichten über ähnliche Ergebnisse. »Man nimmt immer noch zu, nur etwas weniger als die Allgemeinbevölkerung«, sagt Frank Hu, Leiter des Bereichs für Ernährung an der Harvard T. H. Chan School of Public Health und Mitautor der Studie von 2023.

Fettabbau durch Kaffee?

Kaffee wird auch mit einem geringen Verlust an Körperfett in Verbindung gebracht. In einer 2020 veröffentlichten Untersuchung wiesen Menschen, die täglich vier Tassen Instantkaffee tranken, vier Prozent weniger Körperfett auf. Außerdem verloren sie nach sechs Monaten einen kleinen Teil ihres Körpergewichts. Die Ergebnisse wurden mit einer Placebogruppe verglichen, die ein wie Kaffee anmutendes Getränk trank und ähnliche Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten hatte.

Koffein, die wichtigste bioaktive Verbindung im Kaffee, scheint eine der Hauptursachen für die geringere Gewichtszunahme zu sein. Der Stoff ist dafür bekannt, dass er die nahrungsinduzierte Thermogenese anregt – der Körper also durch Verdauung sowie die Aufnahme und Speicherung von Nährstoffen mehr Energie freisetzt. Im Mittel macht die Verarbeitung von Nahrungsmitteln etwa zehn Prozent des gesamten Energieverbrauchs eines Menschen aus. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Koffein diesen Anteil erhöhen kann, indem es den Stoffwechsel ankurbelt. Dadurch verbrennt der Körper im Ruhezustand mehr Kalorien. Die Verdauung wird beschleunigt, der Darm braucht mehr Energie. Insgesamt ist der Energiezuwachs jedoch gering: Kaffeetrinker verbrennen einer Studie zufolge 80 bis 150 zusätzliche Kalorien pro Tag – was gerade einmal einem Oreo-Keks entspricht. Aber diese fehlenden Kalorien können sich mit der Zeit summieren, erklärt Hu.

Koffein könnte zudem das sympathische Nervensystem stimulieren, das die Kampf- und Fluchtreaktionen des Körpers steuert. Indem Rezeptoren blockiert werden, die Adenosin binden – einen Neurotransmitter, der Schläfrigkeit auslöst und die Entspannung fördert – kann der Wirkstoff eine erhöhte Herzfrequenz und Wachsamkeit verursachen. Dadurch werden etwas mehr Kalorien verbrannt, erklärt Marilyn Cornelis, Professorin für Präventivmedizin an der Northwestern University. Koffein könnte auch den Abbau von im Gewebe gespeichertem Fett erhöhen, was erklären würde, warum Kaffeekonsum offenbar mit weniger Körperfett einhergeht.

Nicht nur Koffein beeinflusst das Gewicht

Daneben enthält Kaffee mehrere Polyphenole (eine Sorte antioxidativ wirkender Substanzen), die das Gewicht beeinflussen könnten. Chlorogensäure etwa, die dem Getränk seinen charakteristischen bitteren Geschmack verleiht, stabilisiert nachweislich den Blutzuckerspiegel. Da Heißhunger mit Schwankungen des Blutzuckers zusammenhängt, könnte das den Appetit zügeln, sagt Cornelis. Auch der bittere Geschmack selbst könnte dabei eine Rolle spielen: Es gibt Hinweise darauf, dass der Darm Bitterstoffe wahrnimmt und daraufhin weniger Appetithormone freisetzt, um die Nahrungsaufnahme zu reduzieren.

Forschende beginnen gerade erst zu verstehen, wie Chlorogensäure im Kaffee auf Appetit und Hunger wirkt. Laut einer 2020 veröffentlichte Studie mit 126 übergewichtigen Teilnehmern regulierte Kaffee die Sättigungshormone; die Probanden aßen etwas weniger und fühlten sich nach dem Kaffeekonsum satter. Sie hatten nach dem Trinken zudem einen höheren Serotoninspiegel (was den Appetit unterdrücken kann) und einen niedrigeren Spiegel des Hunger auslösenden Hormons Ghrelin. Diese Effekte fielen bei jenen Teilnehmern stärker aus, die Kaffee mit einem höheren Chlorogensäuregehalt tranken.

Kaffee scheint sich insgesamt positiv auf die Gesundheit auszuwirken – zumindest, wenn man ihn in Maßen konsumiert. Die Forschung bringt langfristigen Kaffeekonsum mit einem geringeren Risiko für Diabetes Typ II, Herzkrankheiten, verbesserten kognitiven Funktionen und sogar einer geringeren Sterblichkeit in Verbindung. Das heißt allerdings nicht, dass man mehr Kaffee trinken sollte, nur um diese Effekte zu erzielen. »Mehr ist nicht unbedingt besser«, sagt der Sport- und Ernährungswissenschaftler Rob van Dam von der George Washington University. Mehr als 400 Milligramm Koffein pro Tag können Schlafstörungen, Stress und Angst verursachen. Zum Vergleich: Ein Espresso enthält in der Regel etwa 60 Milligramm Koffein; andere beliebte Kaffeemischungen können aber je nach Größe und Röstung auf viel mehr kommen.

Ein Trendgetränk wie Milchkaffee oder Frappé, in dem viel Zucker und Sahne beigemischt ist, wirkt den Vorteilen allerdings entgegen. »Zucker hat viele Kalorien, auch wenn Kaffee an sich ein kalorienfreies Getränk ist«, sagt Cornelis. Sie empfiehlt, das Heißgetränk mit möglichst wenig Zucker und Sahne zu sich zu nehmen. Insgesamt lässt sich laut Hu sagen, dass Kaffee ein klein wenig bei der Gewichtsabnahme helfen kann. Der Forscher rät aber von der unrealistischen Erwartung ab, dass man durch das Kaffeetrinken allein stark abnimmt.

WEITERLESEN MIT SPEKTRUM - DIE WOCHE

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen »spektrum.de« Artikeln sowie wöchentlich »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Genießen Sie uneingeschränkten Zugang und wählen Sie aus unseren Angeboten.

Zum Angebot

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Alperet, D. J. et al.: The effect of coffee consumption on insulin sensitivity and other biological risk factors for type 2 diabetes: a randomized placebo-controlled trial. The American Journal of Clinical Nutrition 111, 2020

Henn, M. et al.: Changes in coffee intake, added sugar and long-term weight gain – results from three large prospective US cohort studies. The American Journal of Clinical Nutrition 118, 2023

Hu, F. B. et al.: Changes in caffeine intake and long-term weight change in men and women. The American Journal of Clinical Nutrition 83, 2006

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.