Direkt zum Inhalt

News: Schlechte Schulen machen krank

Wie fühlen sich eigentlich Kinder und Jugendliche? Dieser Frage ist die Weltgesundheitsorganisation WHO in einer Studie nachgegangen und hat herausgefunden, daß ein gutes Schulklima und die Möglichkeit zur Mitbestimmung wesentlich zur Lebensqualität beitragen.
"Die Studie ist die weltweit umfassendste Untersuchung über gesundheitsbezogene Verhaltensweisen und Einstellungen junger Menschen. Durch den internationalen Vergleich gibt sie Anhaltspunkte für die Bewertung der Effektivität gesundheitspolitischer Bemühungen zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen. Die Studie zeigt dabei die Zusammenhänge zwischen Verhaltensänderungen und politischen Entwicklungen in den beteiligten Ländern auf, in wie weit Ökonomie und Politik mit psychologischen Faktoren verbunden sind", so die Einschätzung von Erio Ziglio, Regional Adviser Investment for Health bei der WHO Europe in Kopenhagen.

Im Rahmen der Studie haben Wissenschaftler acht Verhaltensbereiche untersucht:
1. Der allgemeine Gesundheitszustand Jugendlicher
2. Die Beziehung zu Eltern und Gleichaltrigen
3. Der Einfluß der Schule auf die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler
4. Das Verhältnis zwischen sozialer Lage und Gesundheit
5. Freizeitaktivitäten und sportliche Betätigung
6. Diätverhalten, Körperwahrnehmung und Zahnhygiene
7. Konsum von Tabak und Alkohol
8. Sexualverhalten

Die Daten der Studie können Aufschlüsse geben über Trends im Gesundheitsverhalten und im Gesundheitszustand junger Menschen sowohl national wie auch im Vergleich zwischen einzelnen Ländern. Gleichzeitig ermöglichen sie eine Analyse der kulturellen, politischen und ökonomischen Ursachenfaktoren. Daraus ergeben sich wertvolle Hinweise für die Entwicklung zeitgemäßer Strategien der Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung auf nationaler und internationaler Ebene.

Deutschland ist, vertreten durch die Universität Bielefeld, zum zweiten Mal an der Studie beteiligt. Die erste Untersuchung wurde 1993/94 durchgeführt.

Der Gesundheitszustand Jugendlicher

90 Prozent der Schülerinnen und Schüler aus den beteiligten Ländern gaben an, sich gesund zu fühlen. Relativ geringer waren die Angaben in Ländern Zentral- und Osteuropas, Rußland, USA, Wales, Estland und Nordirland. Jedoch wurde das Auftreten spezifischer Symptome wie etwa Kopf- und Magenschmerzen wesentlich häufiger angegeben als ein allgemein schlechter Gesundheitszustand. In sieben Ländern, den USA, Schottland, England, Wales, Nordirland, Kanada und Finnland nahmen mehr als 50 Prozent der befragten 15jährigen regelmäßig Medikamente ein. Dabei wurden Schmerzmittel häufiger genommen als Beruhigungsmittel. Letztere wurden besonders häufig in Grönland (25 Prozent) und Israel (17 Prozent) verwendet. In den übrigen Ländern variierte die Rate von nahezu keinem Gebrauch in Norwegen (1 Prozent) bis hin zu 13 Prozent in Rußland.

Unter den deutschen Jugendlichen berichteten 22 Prozent der 11jährigen Jungen und 26 Prozent der Mädchen die Einnahme von Medikamenten gegen Kopfschmerzen innerhalb des letzten Monats. Bei den 13jährigen waren es 24 Prozent der Jungen und 32 Prozent der Mädchen und bei den 15jährigen 28 Prozent der Jungen und 42 Prozent der Mädchen. Auch der Gebrauch von Beruhigungsmittel ist bei deutschen Jugendlichen vergleichsweise häufig. So wurden diese Mittel bei den 11jährigen von 8 Prozent der Jungen und 4 Prozent der Mädchen eingenommen.

Beziehung zur Familie und zu Gleichaltrigen

Im Verlauf der Pubertät häufen sich bei den Jugendlichen Probleme in der Kommunikation mit den Eltern. Dabei stellt sich das Gespräch mit dem Vater durchweg schwieriger dar als mit der Mutter. 52 Prozent der 15jährigen berichteten, daß es ihnen schwer oder sehr schwer fällt, mit ihrem Vater über persönliche Dinge zu reden. Unter den deutschen Jugendlichen im Alter von 15 Jahren waren es 48 Prozent der Jungen und 69 Prozent der Mädchen, die dies angaben.

Probleme in der Kommunikation mit den Eltern wirken sich auch auf den Austausch mit den Geschwistern aus. Zudem ist eine schlechte familiäre Kommunikation besonders bei Mädchen eng verbunden mit negativen Gefühlen und mit einem vermehrten Konsum von Alkohol und Zigaretten. Während bei den 11jährigen ein häufiges Zusammensein mit Gleichaltrigen mit einer besseren Kommunikationsfähigkeit einher geht, ist es bei den Älteren eher eine Flucht vor dem Elternhaus und stark verknüpft mit dem Beginn des Rauchens und mit Erfahrungen von Trunkenheit.

Schule und Gesundheit

Die Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler, an den Entscheidungsprozessen an ihrer Schule beteiligt zu sein, sowie die Unterstützung durch die Lehrer stellten sich als die zwei wichtigsten Faktoren für die Zufriedenheit mit der Schule heraus. Fühlen sich die Schülerinnen und Schüler nicht beteiligt und erfahren sie wenig persönliche Unterstützung durch ihre Lehrer, so orientieren sie sich weg von der Schule, zeigen schlechtere Leistungen und sind wesentlich anfälliger für das Rauchen.

Deutsche Jugendliche geben ihrer Schule im internationalen Vergleich recht gute Noten: Bei den 11jährigen gehen 54 Prozent der Jungen und 68 Prozent der Mädchen gern in ihre Schule. Diese Einschätzung stagniert in den höheren Altersgruppen. Bei den 13jährigen geht nur noch jeder vierte gern zur Schule und bei den 15jährigen sind es nur noch 13 Prozent der Jungen und 16 Prozent der Mädchen.

Auch in der Beurteilung der Mitwirkungsmöglichkeiten zeigen sich deutsche Schülerinnen und Schüler vergleichsweise optimistisch. So empfinden etwa zwei Drittel der 11jährigen, daß sie an der Regelsetzung in der Schule beteiligt sind. Unter den 13jährigen sind es noch die Hälfte und bei den 15jährigen etwa ein Drittel, die dieser Ansicht sind. Ebenso ist die empfundene Belastung durch die Anforderungen in der Schule unter deutschen Schülerinnen und Schülern ausgesprochen gering. Deutlich weniger als 5 Prozent von ihnen fühlen sich durch die Schule stark belastet. Im Vergleich dazu sind es etwa in Belgien und den USA deutlich mehr als 15 Prozent die dies empfinden.

Trotz dieser Eischätzung beurteilen die deutschen Schülerinnen und Schüler ihre akademische Leistung in der Schule als außergewöhnlich gering. Nur etwa 3 Prozent von ihnen bezeichnet sich selbst als sehr guten Schüler. Nur Lettische Jugendliche haben eine ähnlich negative Selbstbeurteilung. Demgegenüber schätzen sich in den übrigen westeuropäischen Ländern und in Nordamerika die Schülerinnen und Schüler etwa fünf bis zehnmal häufiger zu als sehr gut ein.

Soziale Lage und Gesundheit

Zusätzlich zu den herkömmlichen Indikatoren wie Beruf und Bildungsgrad der Eltern wurden hier neue Maße eingeführt, die die soziale Lage der Jugendlichen charakterisieren können. Dies sind etwa Fragen nach der Anzahl der Urlaubsreisen oder der PKW in der Familie. Diese Maße beziehen den sozialen Vergleich anhand des Besitzes von repräsentativen Gütern in die Wahrnehmung der sozialen Lage ein. Während sich beim Vergleich anhand des Berufsstatus der Eltern keine eindeutigen Zusammenhänge mit gesundheitlichen Faktoren zeigten, kann der erweiterte Indikator zur Vorhersage von geringer Lebenszufriedenheit, Zuversicht und dem Gefühl von Hilflosigkeit in der benachteiligten Gruppe dienen. Ebenso zeigten sich in den sozial privilegierten Gruppen weniger physische Beschwerden und ein besserer subjektiver Gesundheitszustand. Diese Effekte wurden in allen beteiligten Ländern gefunden.

Sport, Freizeit und Ernährung

Mehr als die Hälfte aller befragten Schülerinnen und Schüler treibt neben der Schule regelmäßig Sport. Die Raten schwanken jedoch zwischen den Ländern erheblich. So treiben zum Beispiel 69 Prozent der dänischen Jungen im Alter von 15 Jahren zwei mal und häufiger pro Woche Sport, in Nordirland sind es sogar 90 Prozent. Auch deutsche Jugendliche finden sich hier in der Spitzengruppe der aktiven Sportler. Hier sind es 83 Prozent der männlichen und 66 Prozent der weiblichen Jugendlichen, die regelmäßig wöchentlich einer sportlichen Betätigung nachgehen.

Dabei verbringen die deutschen Jugendlichen vergleichsweise viel Zeit beim Sport. Jugendliche die regelmäßig Sport treiben verbringen mehr Zeit mit Freunden und sind zuversichtlicher. Kinder aus sozial besser gestellten Familien haben offensichtlich bessere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und betätigen sich daher auch häufiger körperlich.

Etwas weniger als die Hälfte der Jugendlichen sieht täglich mehr als vier Stunden fern. Deutsche Jugendliche zeigen sich im internationalen Vergleich jedoch als zurückhaltende Fernsehkonsumenten. Etwa 20 Prozent von ihnen verbringt vier oder mehr Stunden täglich vor dem Fernseher. Im Vergleich dazu sind es in den osteuropäischen Ländern etwa doppelt so viele Jugendliche.

Computerspiele werden überwiegend von Jungen genutzt. Die Raten der Nutzer schwankt bei den Mädchen von 3 bis 16 Prozent während es bei den Jungen 15 bis 50 Prozent sind, die täglich mehrere Stunden mit den verschiedenen elektronischen Spielen verbringen. Hier sind die deutschen Jugendlichen weniger zurückhaltend. Bei den 15jährigen sind sie, zusammen mit den Finnen und den Norwegern gar internationale Spitzenreiter mit 46 Prozent.

Je mehr der täglichen Zeit vor dem Fernseher oder mit Computerspielen verbracht wird, um so häufiger wird auch sogenanntes Junk-Food wie etwa Chips verzehrt. In 13 der beteiligten Länder verzehren mehr als 20 Prozent der Jugendlichen täglich Kartoffelchips, besonders in Großbritannien und Irland. Generell essen Mädchen häufiger Obst während Jungen häufiger Milch trinken. Jungen zeichnen sich allgemein häufiger durch den Verzehr ernährungsphysiologisch ungünstigerer Nahrungsmittel mit hohem Fett und Zuckeranteil aus.

Zigaretten- und Alkoholkonsum

Das Rauchen unter den Jugendlichen nimmt in allen Ländern zu. 60 bis 70 Prozent der 15jährigen gab an, innerhalb der letzten 12 Monate mindestens einmal geraucht zu haben. Regelmäßiges Rauchen variiert dagegen sehr stark zwischen den Ländern. So tun dies nur 6 Prozent der 15jährigen in Lettland, gegenüber 56 Prozent in Grönland. In Deutschland waren es unter den 13jährigen 13 Prozent der Mädchen und 14 Prozent der Jungen und unter den 15jährigen 28 Prozent der Jungen und 33 Prozent der Mädchen, die regelmäßig mehrfach wöchentlich rauchen. In den meisten mitteleuropäischen Industrieländern sind heute unter den Mädchen deutlich mehr Raucher zu finden als unter den Jungen. Im Vergleich zur Untersuchung von 1993/94 hat es in keinem Land einen nennenswerten Rückgang der jugendlichen Raucher gegeben. Bei den deutschen Jugendlichen stieg der Anteil der Raucher um 4,9 Prozent bei den 13jährigen und 5,7 Prozent bei den 15jährigen.

Klare gesetzliche Regelungen zum Erwerb von Zigaretten und erzwungene oder freiwillige Beschränkungen in der Tabakwerbung wurden bisher nur halbherzig verfolgt oder haben sich als nicht effektiv erwiesen. Der starke statistische Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Rauchen zeigt eine Bündelung von gesundheitsbezogenem Risikoverhalten bei Jugendlichen. Dies ist jedoch unter den Mädchen schwächer ausgeprägt.

Der Konsum von Alkohol nimmt mit dem Alter deutlich zu. Die Trinkgewohnheiten Jugendlicher unterscheiden sich kulturabhängig stark zwischen den Ländern. Deutsche Jugendliche sind hier mit einer mittleren Häufigkeit vertreten: 10 Prozent der Jungen und 5 Prozent der Mädchen im Alter von 13 Jahren konsumiert regelmäßig wöchentlich Alkohol. Bei den 15jährigen sind es 29 Prozent der Jungen und 22 Prozent der Mädchen. Als besorgniserregend wird in einzelnen Ländern der regelmäßige wöchentliche Bierkonsum angesehen. Die ist besonders in Wales (50 Prozent), Dänemark (43 Prozent), Griechenland (42 Prozent) und England (40 Prozent) der Fall. Dabei hängen Schulprobleme und ein starkes eingebunden sein in eine Freundesclique eng mit der Trinkhäufigkeit zusammen. Die Häufigkeit von Trunkenheit ist in den südeuropäischen Ländern und in der Schweiz vergleichsweise gering, während sie in Großbritannien recht groß ist. In Deutschland haben etwa ein Drittel der 15jährigen Jugendlichen mehrfach Erfahrungen mit Trunkenheit gemacht.

Sexualverhalten

Neun der beteiligten Länder schlossen Fragen über das Sexualverhalten der Jugendlichen in den Fragebogen ein. Es wurden Fragen zu ersten sexuellen Erfahrungen und zur Verwendung von Verhütungsmitteln gestellt. 10 bis 38 Prozent der 15jährigen Mädchen und 23 bis 42 Prozent der Jungen gaben an, schon einmal Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Das Durchschnittsalter des ersten Verkehrs wurde mit 13,8 bis 14,9 Jahren für Jungen und 14,2 bis 15,5 Jahren für Mädchen ermittelt. 63 bis 87 Prozent der sexuell aktiven Jungen und 55 bis 86 Prozent der Mädchen gaben an, Kondome benutzt zu haben. Der Gebrauch von Verhütungsmitteln allgemein variierte von 98 Prozent der Mädchen in Frankreich bis zu lediglich 67 Prozent in Lettland.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.