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Vollmondnächte: Vollmond lässt uns wirklich schlechter schlafen

Vollmond

Viele glauben, bei Vollmond schlechter schlafen zu können – und zwar auch dann, wenn nachts dichte Jalousien oder dunkle Wolken den blendenden Erdtrabanten eigentlich gut verstecken. Endlich bestätigen jetzt Schlafforscher den subjektiven Eindruck: Ihre Auswertung zeigt, dass Mondphasen und Körperphysiologie beim Menschen in der Tat miteinander gekoppelt sind. So schlafen wir etwa bei Vollmond langsamer ein und insgesamt weniger lang, zudem fallen die Tiefschlafphasen kürzer aus, und der typische Spiegel des Aktivitätshormons Melatonin verändert sich.

Die Wissenschaftler um Christian Cajochen von der Universität Basel waren "nach einer Vollmondnacht abends in der Bar" auf die Idee gekommen, ältere, für andere Zwecke erhobene Schlaflabordaten nachträglich mit dem Mondzyklus während der Experimente abzugleichen. Insgesamt eigneten sich für diesen Zweck die Aufzeichnungen von 33 Personen (siehe Fußnote unten), die zwischen den Jahren 2000 und 2003 unter experimentell streng kontrollierten Methoden im Schlaflabor genächtigt hatten. Die Auswertung ergab nun, dass die subjektive Schlafqualität sowie verschiedene messbare physiologische Werte damals eindeutig mit den Mondphasen im Versuchszeitraum korreliert hatten [1].

Hormonschwankungen folgen dem Mond

Insgesamt haben die Testpersonen in den Nächten um den Vollmond demnach im Mittel rund 20 Minuten kürzer geschlafen, die erste leichte Schlaf um fünf Minuten später erreicht und waren kürzer in den REM-Tiefschlafphasen geblieben, wie EEG-Aufzeichnungen belegen. Das für die Schlafphysiologie und den Tag-Nacht-Rhythmus wichtige Hormon Melatonin sank um Vollmondnächte herum zudem auf unterdurchschnittliche Werte. Passend dazu hatten die Probanden bei der routinemäßigen Befragung auch selbst öfter angegeben, schlechter geschlafen zu haben. Die ursprünglichen Experimente hatten den Mondzyklus weder im Fokus gehabt noch thematisiert – weshalb Cajochen und Kollegen eine etwaige subtile Beeinflussung der Probanden durch die Art der damaligen Befragung ausschließen.

Auf der Suche nach einer sinnvollen physiologischen Erklärung des Phänomens tappen die Schlafforscher weiter im Dunkeln. Womöglich sei die Reaktion des Körpers auf den Mond ein evolutives Überbleibsel einer schon in Wirbeltiervorfahren tickenden zirkumlunaren Körperuhr. Tatsächlich kennen Biologen einige Tiere mit auf die Mondphasen justierten zellulären Instrumenten – etwa in Küstennähe lebende Meeresorganismen, die sich mit einem zirkumlunaren Rhythmus an die für sie lebenswichtige Gezeitenfolge anpassen. Evolutiv alte, biochemische Lunarmetrie-Mechanismen könnten vielleicht auch in den Zellen des Menschen weiterexistieren und subtile, individuell sehr unterschiedliche Veränderungen bewirken. Einige weitab der Gezeiten landlebende Tiere besitzen jedenfalls ebenfalls nachweislich ein funktionsfähiges lunarsensible Sensorium – dessen Funktion aber rätselhaft bleibt.

Männer, Frauen und der Mond

Ob die endogene zirkumlunare Uhr eine bisher unterschätze Bedeutung für die menschliche Physiologie hat, sei schwer zu ermitteln, geben Cajochen und Kollegen zu bedenken. So haben häufig erst intensive Nachforschungen ergeben, dass mit dem lunaren Zyklus scheinbar in Zusammenhang stehende Ereignisse – vom gehäuften Auftreten von Verkehrsunfällen bis zu Geburten – in Wahrheit statistisch nichts mit den Mondphasen verbindet [2]. Durch Schlafmangel mit ausgelöste psychische Ereignisse – etwa Epilepsieattacken – können dagegen durchaus mit dem Vollmond korrelieren. Die neuen Ergebnisse mit weiblichen und männlichen Versuchsteilnehmern liefern immerhin keine Argumente dafür, dass die Mondfühligkeit des Menschen geschlechtsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt ist, also vielleicht auf irgendeine Weise mit dem weiblichen Zyklus gekoppelt ist.

Schon seit Langem bemühen sich Schlafforscher, esoterische, wissenschaftlich unsinnige Erklärungsansätze für die von vielen Menschen empfundene Mondfühligkeit zu widerlegen. So ist etwa die folkloristische Vermutung falsch, der Vollmond wirke über die Schwerkraft auf den zu großen Teilen aus Wasser bestehenden menschlichen Körper. Natürlich ist für die Gravitationswirkung allein der Abstand zum Mond und nicht seine Ausleuchtung durch die Sonne entscheidend, und ein Vollmond muss der Erde nicht näher sein als ein Neumond. Zum anderen übt aber selbst die Masse einer nahen Mauer im Schlafzimmers auf Schläfer (und Nichtschläfer) eine größere Schwerkraftwirkung aus als der Mond, wie Forscher längst vorgerechnet haben [3] – oder auch als die Sonne, die je nach Position zu Erde und Mond den Tidenhub der Ozeane mit ihrer Schwerkraftwirkung maßgeblich mitbestimmt.

Fußnote: In einer früheren Version dieses Textes wurde die Anzahl der Probanden mit 17 angegeben. Tatsächlich flossen die Daten von 33 Probanden in die Studie ein. Bitte entschuldigen Sie meinen Fehler. /jo
  • Quellen
[1] Curr Biol 10.1016/j.cub.2013.06.029, 2013
[2] Curr Biol 18, R784-R794, 2008
[3] Psychol Rep 62, S. 683–710, 1988

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