Nachruf: Schliemanns Erbe
Ein Schrittmacher der modernen Archäologie, ein Patriarch, gar ein Scharlatan? Der Prähistoriker Manfred Korfmann, Grabungsleiter in Troia seit 1988 und Inhaber einer persönlichen Grabungslizenz der türkischen Regierung, war ein Gelehrter, an dem sich manche rieben, aber zu dem viele bewundernd aufsahen. Am Donnerstag Morgen verstarb er im Kreise seiner Angehörigen an einem Krebsleiden.
Sein Interesse galt zunächst der frühen Bronzezeit (3. Jahrtausend v. Chr.), als Manfred Korfmann als Dozent für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen die Besik-Bucht nahe der Dardanellen untersuchte. Doch der Hirsalik lag nicht weit, jener Hügel, auf dem Heinrich Schliemann, Wilhelm Dörpfeld und Carl Blegen nach dem Troia Homers gegraben hatten. Der Mythos eines zehn Jahre andauernden Krieges zwischen dem mykenischen Griechenland und dem mächtigen Troia stand zwar nicht auf Korfmanns Agenda. Doch was im Umfeld der seit fünfzig Jahren sich selbst überlassenen Grabungsstätte ans Licht kam, verwies immer wieder auf das Troia der späten Bronzeit: die Hafenbucht, ein Friedhof aus dem 13. vorchristlichen Jahrhundert, ein Denkmal, an dem Griechen ihrem sagenhaften Helden Achilleus gedacht hatten.
Aus der Bucht auf den Hügel. Das war konsequent und doch ein Schritt, der Mut erforderte. Dass ihm dabei durchaus ein wenig mulmig war, verriet mir Manfred Korfmann, als wir an seinem Beitrag für Spektrum der Wissenschaft arbeiteten. Denn: "Wer in Troia arbeitet, auf den schaut die Welt." Es galt, sich in die Riege der Großmeister der Archäologie einzureihen, an einem Ort zu arbeiten, der mythisch beladen ist, an dem die Grundlagen der archäologischen Methodik gelegt wurden.
Doch Manfred Korfmann verstand es, den Mythos Troia für die Forschung zu nutzen. Daimler-Benz, heute Daimler-Chryssler übernahm für lange Jahre rund ein Fünftel der Finanzierung, Journalisten standen Schlange, um den Job zu erledigen, den Korfmann ihnen zu dachte: für die Öffentlichkeitsarbeit zu sorgen.
Dass der Tübinger Archäologe in den spätbronzezeitlichen Siedlungsschichten Troias Übereinstimmungen mit Homers Schilderungen in der "Ilias" entdeckte, mochte ihm mancher Althistoriker und Altphilologe auch nicht abnehmen. Es verstieß gegen die etablierte Ansicht, das Epos entbehre jeglicher Geschichtlichkeit. Dass Korfmann obendrein dieses Troia in den Dunstkreis des hethitischen Reiches, also vom Abendland in den Orient verlegte, empfand manch einer als Kulturverrat.
Als der "Neue Streit um Troia" ausbrach, traf es den Erfolggewohnten unvorbereitet. Plötzlich stand er im eigenen Haus einem erbitterten Gegner gegenüber, wurde seinem Troia der Rang als Stadt und Zentrum streitig gemacht, hielt man ihm vor, Funde unkritisch zu bewerten. Klarstellungen folgten, das Rauschen im Blätterwald ebbte schließlich ab, beide Seiten halten sich mittlerweile deutlich bedeckt.
Eigentlich wollte Manfred Korfmann seine Rolle im Troia-Projekt neu definieren. Nach 17 Grabungskampagnen sei es für ihn Zeit, sich verstärkt um die Auswertung all der Daten zu kümmern, erklärte er Journalisten im Herbst 2003. Irgendwann würde dann eine jüngere Generation von Archäologen mit neuen Techniken erneut auf dem Hirsalik graben. Ein Krebsleiden hat seine Pläne nun vereitelt. Der Lotse ist vor der Zeit von Bord gegangen, und die Zukunft Troias ist ungewiss.
Aus der Bucht auf den Hügel. Das war konsequent und doch ein Schritt, der Mut erforderte. Dass ihm dabei durchaus ein wenig mulmig war, verriet mir Manfred Korfmann, als wir an seinem Beitrag für Spektrum der Wissenschaft arbeiteten. Denn: "Wer in Troia arbeitet, auf den schaut die Welt." Es galt, sich in die Riege der Großmeister der Archäologie einzureihen, an einem Ort zu arbeiten, der mythisch beladen ist, an dem die Grundlagen der archäologischen Methodik gelegt wurden.
Doch Manfred Korfmann verstand es, den Mythos Troia für die Forschung zu nutzen. Daimler-Benz, heute Daimler-Chryssler übernahm für lange Jahre rund ein Fünftel der Finanzierung, Journalisten standen Schlange, um den Job zu erledigen, den Korfmann ihnen zu dachte: für die Öffentlichkeitsarbeit zu sorgen.
"Wer in Troia arbeitet, auf den schaut die Welt"
(Manfred Korfmann)
Diese erfolgreiche Vermarktung wurde ihm aber auch vorgeworfen und geneidet. Manch ein anderer Ort mochte in seiner Zeit größer und wichtiger gewesen sein als Troia, doch kein anderes archäologisches Projekt konnte so aus dem Vollen schöpfen. Korfmann band die Naturwissenschaften mit ein, ließ die Landschaftsentwicklung der Troas genannten Region ebenso erkunden wie Fauna und Flora. International renommierte Wissenschaftler und zahllose engagierte Studenten und Doktoranden holte er ins Boot. Wer es steuerte, war keine Frage. Der Ur- und Frühgeschichtler war ein Macher, der klare Regeln vorgab. Mit "rastloser Dynamik" verstand er es, das Team mitzureißen, wie der Gräzist Joachim Latacz, einer von Korfmanns engsten Mitstreitern, in einem Nachruf für die FAZ schrieb. (Manfred Korfmann)
Dass der Tübinger Archäologe in den spätbronzezeitlichen Siedlungsschichten Troias Übereinstimmungen mit Homers Schilderungen in der "Ilias" entdeckte, mochte ihm mancher Althistoriker und Altphilologe auch nicht abnehmen. Es verstieß gegen die etablierte Ansicht, das Epos entbehre jeglicher Geschichtlichkeit. Dass Korfmann obendrein dieses Troia in den Dunstkreis des hethitischen Reiches, also vom Abendland in den Orient verlegte, empfand manch einer als Kulturverrat.
Als der "Neue Streit um Troia" ausbrach, traf es den Erfolggewohnten unvorbereitet. Plötzlich stand er im eigenen Haus einem erbitterten Gegner gegenüber, wurde seinem Troia der Rang als Stadt und Zentrum streitig gemacht, hielt man ihm vor, Funde unkritisch zu bewerten. Klarstellungen folgten, das Rauschen im Blätterwald ebbte schließlich ab, beide Seiten halten sich mittlerweile deutlich bedeckt.
Eigentlich wollte Manfred Korfmann seine Rolle im Troia-Projekt neu definieren. Nach 17 Grabungskampagnen sei es für ihn Zeit, sich verstärkt um die Auswertung all der Daten zu kümmern, erklärte er Journalisten im Herbst 2003. Irgendwann würde dann eine jüngere Generation von Archäologen mit neuen Techniken erneut auf dem Hirsalik graben. Ein Krebsleiden hat seine Pläne nun vereitelt. Der Lotse ist vor der Zeit von Bord gegangen, und die Zukunft Troias ist ungewiss.
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