Direkt zum Inhalt

News: Schließmechanismus der Zelltür

Mithilfe eines fein abgestimmten Regelwerkes kontrolliert unser Körper wichtige Lebensfunktionen. Damit die Zellen untereinander reibungslos Informationen austauschen können, enthalten ihre umgebenden Hüllen - die Zellmembranen - siebartige Löcher von bestimmter Struktur und Größe, durch die auserwählte Ionen als Botenstoffe wandern. Doch die Zelltüren stehen nicht permanent offen, sondern schnappen innerhalb von Millisekunden wieder zu. Dazu schlängelt sich ein Protein tief in den Ionenkanal hinein und verschließt den Weg.
Um elektrische Impulse aufzubauen und aufrechtzuerhalten, sind alle erregbaren Zellen mit besonderen kanalähnlichen Strukturen ausgestattet. Diese aus Proteinen bestehenden Poren durchspannen die Zellmembran und ermöglichen es bestimmten Ionen, zwischen dem Zellinneren und der wässrigen Umgebung hin und her zu pendeln. Allerdings kann die molekulare Schleuse nicht Tag und Nacht passierbar sein, denn sonst könnten Zellen beispielsweise keine Nervenimpulse oder Herz- und Muskelkontraktionen erzeugen. Vielmehr fallen die Zelltüren innerhalb von Sekundenbruchteilen automatisch wieder ins Schloss und verwehren den fließenden Ionen den Durchlass.

Doch wie kippen die Zellen diesen geheimnisvollen biologischen Schalter jeweils in die "Auf"- beziehungsweise "Zu"-Position? Lange Zeit nahmen Forscher an, dass ein "ball and chain"-Mechanismus die entsprechenden Weichen stellt: Diesem Modell zufolge schwingt ein Stöpsel oder Ball an einer molekularen Kette in das Innere des Tunnels und blockiert ihn.

Roderick MacKinnon und seine Kollegen von der Rockefeller University vermuteten jedoch, dass der Ball eher einer Schlange ähnelt, die in den Kanal hineinkriecht, um tief in der Pore zu binden und das Loch zu verstopfen. Die von ihnen aufgeklärte Struktur des Kaliumkanals unterstützt ihre Theorie: Wasserabstoßende – hydrophobe – Aminosäuren kleiden die Tunnelwände aus, während die Porenoberfläche im Cytoplasma der Zelle wasseranziehende – hydrophile – Eiweißbausteine aufweist. Da sich wasserabstoßende Moleküle gegenseitig anziehen, würde, so spekulieren die Forscher, der "Türpfropfen" mit seinem aus zehn hydrophoben Aminosäuren bestehenden N-terminalen Ende natürlicherweise gut in das Zelltor hineinpassen.

Aber kann sich die enge Schleuse überhaupt weit genug öffnen, um ein derartig ausgedehntes Molekül aufzunehmen? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, führten die Wissenschaftler Versuche mit dem relativ großen Hemmstoffmolekül Tetrabutylammonium (TBA) durch. Röntgenkristallographische Studien enthüllten, dass für die TBA-Moleküle – und demnach ebenfalls für das N-terminale Ende des Türpfropfens – im Ionenkanal ausreichend Platz vorhanden ist.

Außerdem veränderten die Wissenschaftler bestimmte Aminosäuren im Poreninneren sowie im molekularen Türschloss. Und tatsächlich wirkte sich das mutierte Innenleben des Kanals tiefgreifend auf den Schließmechanismus aus. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich das Peptid weit in die Pore hineinstreckt", erläutert MacKinnon.

Die Forschungsergebnisse geben nicht nur das Geheimnis des Schließmechanismus preis, sondern eröffnen auch neue Einblicke, die bei der Entwicklung von Medikamenten hilfreich sein könnten. Denn schon jetzt werden in der Anästhesie und zur Kontrolle eines unregelmäßigen Herzschlages Agenzien eingesetzt, die auf Ionenkanäle abzielen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.