Epigenetik : Schlimme Kindheit ändert Genaktivität
Frühe Traumata verringern die Dichte von Anti-Stress-Rezeptoren im Gehirn.
Vernachlässigung oder Missbrauch in der Kindheit hat für die Betroffenen oft dramatische Langzeitfolgen – sie verlangsamen etwa die geistige Entwicklung und erhöhen das Suzidrisiko. Wie genau sich frühe Traumata in die Psyche eingraben, untersuchten nun Neurowissenschaftler um Michael Meaney von der McGill University in Montreal (Kanada). Ihnen zufolge verändern schlimme Erfahrungen dauerhaft die Aktivität von Genen, die bei der Verarbeitung von Stress eine Rolle spielen.
Die Forscher verglichen insgesamt 36 Gehirne von Verstorbenen aus drei unterschiedlichen Gruppen: Die einen waren Suizidopfer und als Kind sexuell missbraucht, geschlagen oder vernachlässigt worden; die anderen hatten ebenfalls den Freitod gewählt, aber keine traumatischen Kindheitserfahrungen erlitten; und die Spender der dritten Gruppe waren durch Krankheit oder Unfall ums Leben gekommen.
Meaney und seine Kollegen entnahmen jeweils Gewebeproben aus dem Hippocampus, einer wichtigen Gedächtniszentrale des Gehirns, und bestimmten darin die Dichte der Glucocorticoid-Rezeptoren vom Typ NR3C1. Von diesen chemischen Signalempfängern weiß man seit längerem, dass sie die Ausschüttung von Stresshormonen dämpfen. Je mehr von diesen Rezeptoren jemand besitzt, desto relaxter bleibt er daher auch unter widrigen Umständen.
Ergebnis der Analysen: Im Hippocampus von Selbstmördern, die als Kind misshandelt worden waren, fanden sich weit weniger von den schützenden Andockstellen als in den Gewebeproben der beiden anderen Gruppen. Frühkindliche Erfahrungen beeinflussen also offenbar, wie oft der genetische Kode, die "Bauanleitung" für den Rezeptor, in den Nervenzellen tatsächlich abgelesen wird.
Den Unterschied machen dabei jene Abschnitte der DNA, die selbst keine Erbinformation tragen, sondern nur die Aktivität der Gene steuern. Diese Sequenzen waren bei den traumatisierten Spendern chemisch verändert – nach Ansicht der Forscher eine Folge der frühkindlichen Erfahrungen. Das würde erklären, warum die ersten Lebensjahre so prägend für die Stressreaktion im späteren Leben sind. (cw)
Meaney, M. et al.: Epigenetic regulation of the glucocorticoid receptor in human brain associates with childhood abuse. In: Nature Neuroscience 10.1038/nn.2270, 2009.
Die Forscher verglichen insgesamt 36 Gehirne von Verstorbenen aus drei unterschiedlichen Gruppen: Die einen waren Suizidopfer und als Kind sexuell missbraucht, geschlagen oder vernachlässigt worden; die anderen hatten ebenfalls den Freitod gewählt, aber keine traumatischen Kindheitserfahrungen erlitten; und die Spender der dritten Gruppe waren durch Krankheit oder Unfall ums Leben gekommen.
Meaney und seine Kollegen entnahmen jeweils Gewebeproben aus dem Hippocampus, einer wichtigen Gedächtniszentrale des Gehirns, und bestimmten darin die Dichte der Glucocorticoid-Rezeptoren vom Typ NR3C1. Von diesen chemischen Signalempfängern weiß man seit längerem, dass sie die Ausschüttung von Stresshormonen dämpfen. Je mehr von diesen Rezeptoren jemand besitzt, desto relaxter bleibt er daher auch unter widrigen Umständen.
Ergebnis der Analysen: Im Hippocampus von Selbstmördern, die als Kind misshandelt worden waren, fanden sich weit weniger von den schützenden Andockstellen als in den Gewebeproben der beiden anderen Gruppen. Frühkindliche Erfahrungen beeinflussen also offenbar, wie oft der genetische Kode, die "Bauanleitung" für den Rezeptor, in den Nervenzellen tatsächlich abgelesen wird.
Den Unterschied machen dabei jene Abschnitte der DNA, die selbst keine Erbinformation tragen, sondern nur die Aktivität der Gene steuern. Diese Sequenzen waren bei den traumatisierten Spendern chemisch verändert – nach Ansicht der Forscher eine Folge der frühkindlichen Erfahrungen. Das würde erklären, warum die ersten Lebensjahre so prägend für die Stressreaktion im späteren Leben sind. (cw)
Meaney, M. et al.: Epigenetic regulation of the glucocorticoid receptor in human brain associates with childhood abuse. In: Nature Neuroscience 10.1038/nn.2270, 2009.
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