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News: Schluck für Schluck die richtigen Bakterien

Über das persönlich angenehme Maß von Sauberkeit kann man geteilter Meinung sein. Doch übertriebener Reinlichkeitswahn ist offensichtlich ungesund. So treten in unserer keimfreien Welt immer stärker Autoimmunerkrankungen in den Vordergrund, weil sich unser Immunsystem aufgrund mangelnden Kontakts mit gewöhnlichen, ungefährlichen Bakterien nicht richtig entwickeln kann. Doch Frauen können ihre Säuglinge schon mit dem ersten Schluck Muttermilch auf die "richtigen" Bakterien eichen und somit ihre Widerstandskraft erhöhen. Das verringert auch die Gefahr, dass erblich bedingte Ekzeme oder Asthma ausbrechen.
Schon bei Babys kann der richtige Zeitpunkt entscheidend sein. Bereits der erste bakterielle Kontakt des Neugeborenen bestimmt seine späteren Bewohner im Magen-Darm-Trakt. Wenn es Glück hat, seine Mutter eine ausgeglichene Lebensgemeinschaft von Darmbakterien besitzt und es auf normalem Wege auf die Welt kommt, besiedeln gutartige Milchsäure-Bakterien des Stamms Lactobacillus rhamnosus aus der Scheide der Mutter den jungfräulichen Darm. Dies gilt als Voraussetzung für ein gut entwickeltes, abwehrstarkes Immunsystem. Wird es aber per Kaiserschnitt geholt, ist sein erster Kontakt mit Bakterien ein ganz anderer. Nun ziehen in Krankenhäusern heimische Bakterienstämme wie die sich in Ketten formatierenden Streptokokken oder Clostridien als erste Bewohner im Magen-Darm-Trakt ein. Kindern, die eine genetische Veranlagung für Hauterkrankungen oder Asthma geerbt haben, bekommt dies schlecht. Ihr falsch entwickeltes Immunsystem reagiert bei Bakterienkontakt über und greift das eigene Gewebe der Atemwege, der Haut und des Darms an.

Um dem vorzubeugen, wandten finnische Ärzte ein neues Verfahren an. Statt auf einen späteren Zeitpunkt – wenn sich die Erkrankungen schon manifestiert haben – zu warten, versorgte das Team um Marko Kalliomäki von der University of Turku den Nachwuchs schon vor der Geburt mit den "richtigen" Bakterien. Allerdings indirekt über die Mutter, die zwei Wochen vor dem Geburtstermin mit der täglichen Einnahme des Bakteriums Lactobacillus rhamnosus begann und dies über einen Zeitraum von sechs Monaten fortführte. So konnten die Bakterien in die Muttermilch übertreten und mit jedem Schluck den Magen des Säuglings erreichen. Die derart geschützten Kleinkinder entwickelten nur halb so oft Ekzeme wie die unbehandelte Vergleichsgruppe.

Wie genau die gutartigen Darmbewohner der Entstehung von Ekzemen vorbeugen, ist noch spekulativ. Doch Wissenschaftler vermuten, dass die Bakterien für eine erhöhte Konzentration bestimmter Botenstoffe – den Cytokinen – sorgen. Diese stimulieren die Zellteilung, die man auch als Cytokinese bezeichnet, und regen dadurch offensichtlich vermehrt die Bildung von Lymphocyten an. Das Immunsystem entwickelt somit eine starke Abwehr gegen feindliche Bakterien und kann die Angriffe erfolgreich abwehren. Vielleicht kann in Zukunft die Schwangere ihr Baby durch den Verzehr eines entsprechend angereicherten Joghurts mit gesunden Biokulturen schützen. Die Lebensmittelindustrie hat probiotische Zusätze auf jeden Fall schon entdeckt.

  • Quellen
New Scientist
The Lancet 357: 1076–1079 (2001)
The Lancet 357: 1057 (2001)

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