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News: Schlüsselmolekül für Zellwanderung

Wie bilden sich Organe, woher wissen die Zellen eines Embryos, wohin sie im Laufe der Entwicklung wandern müssen? Die Frage nach den Mechanismen der Zellwanderung beschäftigt Forscher nicht nur aus reiner Neugier. Göttinger Wissenschaftler haben jetzt ein Molekül identifiziert, das bei der Migration von Keimzellen in Zebrafischen eine entscheidende Rolle spielt.
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Im Laufe der Entwicklung von Lebewesen entstehen Zellen oft an anderer Stelle als den Orten, an denen sie später gebraucht werden. Sie müssen erst dorthin gelangen. Die Untersuchung solcher Zellwanderungen und die Identifizierung der zugrunde liegenden molekularen Zusammenhänge hilft Biologen, die grundlegenden Prozesse bei der Entwicklung von Gewebe und Organen zu verstehen. Mit diesem Wissen kann man dann Therapien zur Behandlung von Krankheiten entwickeln, die auf eine abnormale Zellmigration zurückzuführen sind.

Ein wichtiges Modell bei der Untersuchung solcher Prozesse ist die Zellmigration von Keimzellen. Während der embryonalen Entwicklung wandern diese Zellen weite Distanzen vom Ort der Entstehung bis zu ihrem Zielorgan, den Genitalien, wo sie sich zu Spermien oder Eiern weiterentwickeln. Welche Moleküle die Keimzellen zum Ziel führen, wusste man bisher jedoch noch nicht.

Eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, unter der Leitung von Erez Raz, hat jetzt Licht ins Dunkel gebracht und – an Zebrafischen – einen molekularen Signalweg identifiziert, der diese Wanderung steuert. Zebrafische sind ein ideales Studienobjekt für Zellwanderungen: Die Embryos entwickeln sich rasch und außerhalb des Mutterleibes – und sie sind durchsichtig, was für mikroskopische Betrachtungen geradezu ideal ist. Mit gentechnischen Methoden kann man zudem die spezifischen Eigenschaften von verschiedenen Zebrafisch-Mutanten untersuchen und so auf molekulare Zusammenhänge schließen.

Die Wissenschaftler entdeckten, dass während der frühen Entwicklung des Zebrafisches die Keimzellen von einer Substanz geleitet werden, die auch für die Mobilisierung von Blutstammzellen, Leukozyten und Neuronen wichtig ist. Der Faktor SDF-1 (stromal-cell derived factor-1) spielt auch bei der Entstehung von Krebsmetastasen sowie bei HIV-Infektionen und Arthritis eine entscheidende Rolle.

Um die Verteilung von SDF-1 im Embryo überhaupt wahrnehmen zu können, bedienen sich die Keimzellen eines Rezeptors mit dem Namen CXCR4, an den SDF-1 bindet. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass dieser Rezeptor während der Migration in den Keimzellen produziert wird. Die Zellen wandern dann in die Richtung, in der die Konzentration von SDF-1 am höchsten ist.

Das dynamische Expressionsmuster von SDF-1 während der normalen Embryonalentwicklung führt die Keimzellen präzise zum Zielorgan, der Region der zukünftigen Genitalien. Störungen des Signalweges führen dagegen zu schweren Migrationsdefekten. Wird zum Beispiel die Aktivität von SDF-1 oder des entsprechenden Rezeptors reduziert, können die Keimzellen sich nicht mehr orientieren und verteilen sich ungeordnet im gesamten Embryo. Umgekehrt lassen sich mit erhöhten SDF-1-Konzentrationen Keimzellen in Regionen locken, wo sie normalerweise nicht gefunden werden. In Fischembryos, in denen die Aktivität des eigenen SDF-1 unterdrückt und SDF-1 von außen an zufälligen Positionen injiziert wurde, wanderten die Keimzellen zu abnormalen Regionen.

Damit sind ein wichtiger Teil des Signalweges, durch den Keimzellen wandern, und der zugrunde liegende molekulare Mechanismus identifiziert; die Arbeitsgruppe untersucht diese Mechanismen gegenwärtig in anderen Modellorganismen. Der beobachteten "Anziehung" der Keimzellen durch SDF-1 in Zebrafischen liegt ein ähnlicher Mechanimus zugrunde wie der Zellbewegung bei bestimmten Krankheiten des Menschen, zum Beispiel wenn sich bei rheumatischer Arthritis T-Zellen in den Gelenken anlagern oder wenn Brustkrebszellen Metastasen in Gewebe bilden, das SDF-1 exprimiert, wie zum Beispiel Knochenmark, Leber oder Lunge. Die Keimzellmigration bei Zebrafischen könnte daher als Modell zur Untersuchung dieser Krankheiten dienen.
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