Biochemie: Schlupfloch für Kodefälscher
Eine Menge Sinnvolles bastelt das Leben aus den mageren zwanzig Aminosäuren, die ihm zur Verfügung stehen. Schade eigentlich, dass der genetische Kode den Baukasten des Lebens so beschränkt hält. Lässt sich dies nicht irgendwie ändern?
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Biologen begeistert und unerwartet im unübersichtlichen Gewusel des Lebens wunderbar simple, allgemeingültige Regeln erkannten. Etwa, dass aus nur zwanzig unterschiedlichen Aminosäure-Bausteinen sämtliche Proteine aller irdischen Lebensformen zusammengesetzt sind. Und dass die Einbau-Reihenfolge dieser zwanzig Protein-Grundbausteine – bei Bakterien genau wie bei Maus oder Mensch – stets in einem verblüffend einfachen Kode festgelegt wird: Aus Dreierkombinationen von nur vier organischen Basen, den Buchstaben der genetischen Universalsprache, werden genau 64 mögliche Wörter des Lebens-Vokabulars, die Kodon-Tripletts gebildet. Viele dieser 64 Dreibuchstaben-Befehle sind synonym, insgesamt bleiben zwanzig Aminosäure-Einbaubefehle übrig.
Genauer betrachtet ist am Ende von schön simplen biologischen Wahrheiten allerdings oft nur eine Erkenntnis sicher übrig: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Längst ist etwa klar, dass sich in einigen Proteine andere als die zwanzig klassischen Aminosäuren finden – mit verschiedenen biochemischen Tricks können die ehernen Konstruktionsprinzipien des auf 64 Wörter beschränkten Kodes umgangen werden. Was Christopher Anderson und seine Kollegen vom Scripps-Institut nun aber für möglich halten, stößt die althergebrachten Kodierungs-Regeln doch ziemlich heftig vom Sockel: Eigentlich könnte man, etwas biochemische Trickserei vorausgesetzt, den genetischen Code von 64 Wörtern leicht auf bis zu 256 Wörter ausbauen – indem die vier bekannten organischen Basen nicht in Tripletts, sondern in Quadrupletts zur Kodierung kombiniert werden.
Klingt angesichts allen biochemischen Schulbuchwissens ziemlich unwahrscheinlich – ist in der biochemischen Probierstube Bakterium aber durchaus nicht ungewöhnliches. Nötig zur Ausweitung eines Dreier- zum Viererkode sind schließlich nur drei Dinge, meinen die Forscher um Anderson: Zum einen – als umgebautes Transportschiff, das eine Aminosäure spezifisch zum Konstruktionsort heranschafft – eine neue transfer-RNA, die Kodes aus vier, statt aus wie üblich drei Basen erkennt. Diese tRNA muss, zum Zweiten, von einem passenden Spezialenzym, einer Aminoacyl-tRNA-Synthetase, mit der jeweiligen Aminosäure beladen werden. Das war's dann aber auch schon – wenn auch noch, zum Dritten, eine ungewöhnliche Aminosäure zur Verfügung steht, deren Einbau in das gebildete Protein den Aufwand rechtfertigen würde.
Mit dem genetisch aufgemotzten Syntheseapparat eines Escherichia-coli-Versuchsbakteriums erfüllten Anderson und Kollegen nun alle geforderten Voraussetzungen: Das getunte Bakterium produzierte brav von einer eingeimpften genetischen Vorlage Proteine mitsamt der testweise eingeführten, ungewöhnlichen L-Homoglutamin-Aminosäure, die in einer eigens produzierten genetischen Vorlage durch ein Vierer-Kodon – die Basenfolge AGGA – kodiert waren. Dieses Kodon erkannte die E.-coli-Variante anhand speziell produzierten tRNAs mit dem passenden Vierer-Antikodon UCCU, die von einer spezifisch konstruierten Aminoacyl-tRNA-Synthetase fehlerfrei mit der gewünschten Außenseiter-Aminosäure beladen worden war. Alle Ingridenzien mühsam zu synthetisieren und im lebenden Bakterium funktionsfähig zu bekommen, war allerdings doch eher aufwändig – schließlich aber sehen die Wissenschaftler das Ziel des ganzen Experiments vor allem darin aufzuzeigen, was prinzipiell alles möglich wäre.
Übrigens: Die abgehoben erscheinende Viererkodon-Erkennung ist durchaus nicht eine reine Erfindung experimentierfreudiger Wissenschaftler. Auch in freier Wildbahn wurden schon tRNAs nachgewiesen, die beispielsweise UAGA, UAGC und ähnliche Vierer-Sequenzen in genetischen Vorlagen erkennen. Derartige tRNA-Abweichler erfüllen möglicherweise eine Rettungsankerfunktion im Proteinbiosyntheseapparat der Zellen: Sie könnten dafür sorgen, dass fatale Mutationen, die zur Verschiebung des Dreier-Kode-Leserasters geführt haben, wieder ausgeglichen werden. Das produziert in gesunden Zellen mit unmutiertem genetischen Kode zwar oft unbrauchbaren Protein-Schrott – ist im seltenen Fall einer Mutation aber möglicherweise zellulärer Lebensretter. Gelegentlich sind Regeln eben zu Brechen da.
Genauer betrachtet ist am Ende von schön simplen biologischen Wahrheiten allerdings oft nur eine Erkenntnis sicher übrig: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Längst ist etwa klar, dass sich in einigen Proteine andere als die zwanzig klassischen Aminosäuren finden – mit verschiedenen biochemischen Tricks können die ehernen Konstruktionsprinzipien des auf 64 Wörter beschränkten Kodes umgangen werden. Was Christopher Anderson und seine Kollegen vom Scripps-Institut nun aber für möglich halten, stößt die althergebrachten Kodierungs-Regeln doch ziemlich heftig vom Sockel: Eigentlich könnte man, etwas biochemische Trickserei vorausgesetzt, den genetischen Code von 64 Wörtern leicht auf bis zu 256 Wörter ausbauen – indem die vier bekannten organischen Basen nicht in Tripletts, sondern in Quadrupletts zur Kodierung kombiniert werden.
Klingt angesichts allen biochemischen Schulbuchwissens ziemlich unwahrscheinlich – ist in der biochemischen Probierstube Bakterium aber durchaus nicht ungewöhnliches. Nötig zur Ausweitung eines Dreier- zum Viererkode sind schließlich nur drei Dinge, meinen die Forscher um Anderson: Zum einen – als umgebautes Transportschiff, das eine Aminosäure spezifisch zum Konstruktionsort heranschafft – eine neue transfer-RNA, die Kodes aus vier, statt aus wie üblich drei Basen erkennt. Diese tRNA muss, zum Zweiten, von einem passenden Spezialenzym, einer Aminoacyl-tRNA-Synthetase, mit der jeweiligen Aminosäure beladen werden. Das war's dann aber auch schon – wenn auch noch, zum Dritten, eine ungewöhnliche Aminosäure zur Verfügung steht, deren Einbau in das gebildete Protein den Aufwand rechtfertigen würde.
Mit dem genetisch aufgemotzten Syntheseapparat eines Escherichia-coli-Versuchsbakteriums erfüllten Anderson und Kollegen nun alle geforderten Voraussetzungen: Das getunte Bakterium produzierte brav von einer eingeimpften genetischen Vorlage Proteine mitsamt der testweise eingeführten, ungewöhnlichen L-Homoglutamin-Aminosäure, die in einer eigens produzierten genetischen Vorlage durch ein Vierer-Kodon – die Basenfolge AGGA – kodiert waren. Dieses Kodon erkannte die E.-coli-Variante anhand speziell produzierten tRNAs mit dem passenden Vierer-Antikodon UCCU, die von einer spezifisch konstruierten Aminoacyl-tRNA-Synthetase fehlerfrei mit der gewünschten Außenseiter-Aminosäure beladen worden war. Alle Ingridenzien mühsam zu synthetisieren und im lebenden Bakterium funktionsfähig zu bekommen, war allerdings doch eher aufwändig – schließlich aber sehen die Wissenschaftler das Ziel des ganzen Experiments vor allem darin aufzuzeigen, was prinzipiell alles möglich wäre.
Übrigens: Die abgehoben erscheinende Viererkodon-Erkennung ist durchaus nicht eine reine Erfindung experimentierfreudiger Wissenschaftler. Auch in freier Wildbahn wurden schon tRNAs nachgewiesen, die beispielsweise UAGA, UAGC und ähnliche Vierer-Sequenzen in genetischen Vorlagen erkennen. Derartige tRNA-Abweichler erfüllen möglicherweise eine Rettungsankerfunktion im Proteinbiosyntheseapparat der Zellen: Sie könnten dafür sorgen, dass fatale Mutationen, die zur Verschiebung des Dreier-Kode-Leserasters geführt haben, wieder ausgeglichen werden. Das produziert in gesunden Zellen mit unmutiertem genetischen Kode zwar oft unbrauchbaren Protein-Schrott – ist im seltenen Fall einer Mutation aber möglicherweise zellulärer Lebensretter. Gelegentlich sind Regeln eben zu Brechen da.
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