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News: Schmerz kitzelt das Belohnungszentrum

Der Philosoph Spinoza scheint Recht zu haben: Freude und Schmerz sind nur die gegensätzlichen Enden desselben Spektrums. Zumindest reagiert das Belohnungszentrum im Gehirn - eigentlich geeicht auf Geld, Essen und Kokain - in Sekundenschnelle auf einen schmerzhaften Reiz. Kurz nach Abklingen der dortigen Aktivität springt auch das Schmerzzentrum an. Chronische Schmerzpatienten könnten von diesem Wissen profitieren.
Dank früherer Studien sind zumindest einige Areale des menschlichen Gehirns bereits recht gut kartiert. So kennt man etwa den Sitz des Belohnungszentrums und mit ihm assoziierte Bereiche wie den Nucleus accumbens durch die hektische Aktivität, die in diesen Hirnregionen auftritt, wenn Essen, Kokain – und beim Menschen auch Geld – ins Spiel kommen. Aber auch das andere Ende des Gefühlsspektrums führt zu einer gesteigerten Aktivität in spezifischen Gehirnarealen, die dank Magnetresonanzspektroskopie bereits lokalisiert sind.

Wissenschaftler um Lino Becerra vom Massachusetts General Hospital wollten aufspüren, ob die beiden gegensätzlichen Gefühle vielleicht neuronale Ähnlichkeiten aufweisen, und verfolgten deshalb bei acht Freiwilligen die Gehirnantwort auf einen schmerzhaften Stimulus. Während die Teilnehmer über ein kleines Wärmekissen auf ihren Händen kurzzeitig schmerzhafte Temperaturen ertragen mussten, durchleuchteten die Forscher mithilfe der funktionalen Magnetresonanzspektroskopie das Gehirn der Probanden auf der Suche nach neuronaler Aktivität.

Was sie dabei fanden, erstaunte die Neurologen allerdings. Statt eines erwarteten aktiven Schmerzzentrums meldete sich das Belohnungszentrum als erste Struktur im Gehirn zu Wort. Direkt nach Setzen des Schmerzreizes reagierte diese Gehirnstruktur, während die Strukturen, die mit Schmerz assoziiert sind, erst zeitverzögert in Gang kamen. Nach Ergebnissen des Wissenschaftlerteams zog das Schmerzzentrum erst später während der 25 Sekunden dauernden unangenehmen Wärmebehandlung nach.

"Wir waren sehr überrascht, diese frühen und späten Antworten zu sehen", gesteht Becerra. Kein Wunder, denn beide Areale galten bislang nicht als miteinander verschaltet. Und doch scheinen beide Gefühlsregungen die jeweiligen Endpunkte eines gemeinsamen Spektrums zu sein. Von diesen überraschenden Assoziationen könnten künftig chronische Schmerzpatienten profitieren, die mit Veränderungen der Gehirnstrukturen auf den Dauerreiz reagieren. Doch wie diese Änderung vonstatten gehen, weiß bislang niemand. Als Anhaltspunkt könnte den Forschern dienen, dass die Schmerzpatienten keine freudvolle Aktivität – nicht einmal ein Kinogang – mehr genießen können.

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