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News: Schnelle Flitzer und langsame Kriecher im Halbleiter

Der eine mag keinen Fuß vor die Tür setzen, ein anderer will so schnell wie möglich weit weg von daheim. Was bei Menschen mit einem Achselzucken hingenommen wird, bereitet Physikern bei Halbleitern Kopfzerbrechen. Denn eigentlich sollten Atome von Gallium und Antimon gleich schnell durch den Mischkristall wandern. In einem neuen Experiment diffundierte Gallium aber tausendmal schneller als sein Partner. Für die Entwicklung neuer Mikroelektronik und optoelektronischer Geräte ist es jedoch absolut notwendig zu wissen, wie die verschiedenen Elemente sich verhalten.
In Kristallen ist es eng. Dicht an dicht besetzen Atome die einzelnen Gitterpunkte und versperren sich gegenseitig den Weg nach links, recht, oben, unten, vorne oder hinten. Dennoch gibt es auch in solch kompakten Festkörpern Zufallswanderungen. Bereits 1924 meinte der russische Physiker Y.Z. Frenkel, dass die Atome bei der Diffusion nicht einfach ihre Plätze tauschen, sondern auf Defekte im Kristall angewiesen sind. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass in Metallen fehlende Gitteratome diese wertvollen Lücken bereitstellen. Das Modell schien schlüssig.

Bis Wissenschaftler sich intensiver mit den Eigenschaften des Halbleiterelements Silizium beschäftigten. Völlig überraschend reichten die Lücken alleine nicht mehr aus, um die Diffusion in diesem Material zu erklären. Erst wenn man einen zweiten Effekt hinzuzog, den Frenkel zwar schon erwähnt, aber niemand mehr beachtet hatte, passten die experimentellen Daten zur Theorie. Neben den freien Plätzen gibt es im Silizium nämlich auch zusätzliche Atome, die sich zwischen den offiziellen Gitterpunkten befinden. Heutzutage nutzen Ingenieure das Wissen über die beiden Defekttypen, um sie bei der Zucht ultrareiner Kristalle gegeneinander auszuspielen.

Die Wanderung von Atomen in reinem Silizium haben Wissenschaftler also anscheinend verstanden. Bei Mischkristallen aus zwei oder mehr verschiedenen Komponenten kann es aber komplizierter werden. Glücklicherweise verhalten die meisten Halbleiter sich recht ähnlich wie Silizium, doch Hartmut Bracht von der Universität Münster und seine Kollegen berichten von einem seltsamen Unterschied in der Diffusionsgeschwindigkeit der beiden Elemente in Galliumantimonid GaSb (Nature vom 2. November 2000).

Die Forscher stellten Proben mit geschichtetem GaSb her, die in den einzelnen Lagen unterschiedliche stabile Isotope von Gallium und Antimon enthielten. Dann verfolgten sie die Diffusion der verschiedenen Atomsorten mit Hilfe der Sekundärionen-Massenspektroskopie. Dabei trägt ein energiereicher Ionenstrahl neutrale und geladene Atome von der Oberfläche ab. Schritt für Schritt gräbt er sich so in die Tiefe, während geeignete Filter und Detektoren messen, welche Mengen von welchem Isotop auftauchen. Insgesamt ergibt sich ein Tiefenprofil, das die Zusammensetzung der Probe verrät.

Brachts Team stellte fest, dass bei Temperaturen knapp unter dem Schmelzpunkt die Galliumisotope sich nach 18 Tagen homogen über den ganzen Kristall verteilt hatten, während das Antimon kaum vorangekommen war. Für die Strecke bis zum nächsten Nachbaratom benötigte Antimon über eine Stunde, das Gallium dagegen nur Sekunden – es war rund tausendmal schneller.

Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu früheren Messungen mit radioaktiven Isotopen. Damals hatten Wissenschaftler den beiden Elementen in etwa die gleiche Beweglichkeit bescheinigt. Experten wie Ulrich Gösele vom Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle schenken jedoch den neuen Daten mehr Vertrauen. Denn zum einen hatten Bracht und seine Kollegen eine längere Beobachtungszeit, da sie nicht durch die Zerfallszeit ihrer Isotope eingeschränkt wurden, und zum anderen verfolgten sie die Wanderung der Atome mitten im Kristall. Die früheren Experimente waren störenden Oberflächeneffekten ausgesetzt, weil die radioaktiven Marker außen aufgetragen werden mussten.

Noch wissen die Physiker nicht genau, wie es zu dem Unterschied in der Diffusionsgeschwindigkeit kommt. Sie nehmen an, dass einige Galliumatome einfach die freien Gitterplätze von Antimonatomen besetzen. Das schafft neue Lücken im Galliumgitter und verstopft gleichzeitig den Weg für Antimon. Sollte dieses Modell zutreffen, könnten noch mehr Überraschungen auf Materialforscher warten. Denn fast alle Studien wurden bislang mit radioaktiven Sonden an der Oberfläche durchgeführt. Und die haben eben wohl mitunter ihre Schwächen.

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