News: Schneller als der Schall erlaubt
Was der Relativitätstheorie ihre Lichtgeschwindigkeit ist der Rissforschung ihre Schallgeschwindigkeit: Schneller als Schwingungen im jeweiligen Material sollte sich ein Bruch eigentlich nicht ausbreiten - eigentlich!
Glas zerbricht, Stahl reißt, Gummi platzt – es gibt einige Arten, wie Materialien bei Überbeanspruchung versagen können. Doch bis heute sind viele der atomaren Ursachen für Materialversagen noch unbekannt. Was bestimmt beispielsweise, wie schnell ein bestimmer Stoff reißt?
Aufwändige Computersimulationen sollen Antwort geben. Markus Buehler und Huajian Gao vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung sowie ihr Kollege Farid Abraham vom IBM Almaden Forschungszentrum im kalifornischen San José machten dazu zunächst einen bislang fehlenden Aspekt in der heutigen Theorie der Rissausbreitung aus: Die Elastizität von Festkörpern hängt von der Intensität ihrer Verformung ab.
So werden etwa Metalle weich, Polymere hingegen hart, wenn sie sich durch zunehmende Dehnung dem Zustand des Materialversagens nähern. "Nur für unendlich kleine Deformationen kann man annehmen, dass sich die elastischen Eigenschaften eines Materials nicht ändern und sein Verhalten linear ist", erklärt dazu Gao. Nur innerhalb dieser Grenzen sind Dehnung und Spannung direkt proportional zueinander. "Trotzdem beschreiben viele der heutigen Theorien die Rissausbreitung auf der Grundlage linearer Elastizität und vernachlässigen, wie unterschiedlich sich Materialien bei kleinen oder großen Dehnungen verhalten. Die bisherigen Theorien sind deshalb aus unserer Sicht zu bezweifeln, denn wenn sich ein Riss in einem Werkstück ausbreitet, bricht das Material an der Rissspitze gerade wegen der extrem großen Deformationen in diesem Bereich."
Und so zeigen die Wissenschaftler in ihrer Untersuchung konsequenterweise, dass auch Hyperelastizität, das nicht lineare Verhalten bei großen Dehnungen, das Reißverhalten bestimmen kann. Denn während sich Risse ausbreiten, absorbieren und vernichten sie Energie vom umgebenden Material. "Wir haben eine neue charakteristische Längenskala entdeckt, die jenen Bereich um den Riss beschreibt, aus dem Energie transportiert werden muss, damit der Riss seine Ausbreitung fortsetzen kann," so Gao. "Bei extrem hohen Spannungen ist diese Längenskala nur einige Dutzend Nanometer groß."
Oder mathematisch ausgedrückt: Diese charakteristische Längenskala ist proportional zur Rissoberflächenenergie und den elastischen Eigenschaften und umgekehrt proportional zum Quadrat der angelegten elastischen Spannung. Im Gegensatz zum bisherigen Verständnis ist kein Energietransport von weiter entfernten Regionen zum Riss notwendig, sondern nur von einem kleinen, lokal begrenzten Bereich, der durch die charakteristische Längenskala beschrieben ist.
Je nach Größe der hyperelastischen Zone im Vergleich zur charakteristischen Längenskala, versagt die Annahme linearer Elastizität also und damit auch die klassische Theorie der Rissausbreitung. Denn in weichen Materialien verläuft der Energietransport langsamer, in harten Materialien schneller. Entsprechend beschleunigt oder verlangsamt sich die Rissgeschwindigkeit bei einem ausreichend großen nicht elastischen Bereich. Ist die Region um den Riss beispielsweise durch Hyperelastizität verhärtet, kann in kürzerer Zeit sehr viel mehr Energie zum Riss transportiert werden. Umgekehrt wird der Energietransport langsamer, wenn der Bereich um die Rissspitze weicher wird. Daher schlussfolgern die Wissenschaftler, dass die Hyperelastizität entscheidend ist, um die Dynamik von Rissen korrekt verstehen und vorhersagen zu können.
Erstaunliches kann dabei geschehen: Bestimmt Hyperelastizität ihre Dynamik, können Risse sich schneller als alle elastischen Wellen bewegen. Eine Erkenntnis, die in krassem Widerspruch zu klassischen Theorien steht, nach denen die (longitudinale) Wellengeschwindigkeit eine unüberwindbare obere Grenze für die Rissgeschwindigkeit darstellt. Die Computersimulation zeigte indes eindeutig, wie sich ein Riss unter Scherbelastung ausbreitet, die Schallmauer durchbricht und mit Überschallgeschwindigkeit durch das Material rast. Solche Phänomene können nur unter Berücksichtigung der Hyperelastizität verstanden werden.
Soweit zur Simulation, doch wie realistisch sind die Ergebnisse des Computers? Unter normalen experimentellen Bedingungen sind die Spannungen eine oder zwei Größenordnungen kleiner als in atomistischen Simulationen. In diesen Fällen ist die charakteristische Länge des Energietransports relativ groß, und der Effekt von Hyperelastizität auf die effektive Geschwindigkeit des Energietransports ist klein.
Doch Buehler und seine Kollegen haben auch gezeigt, dass – im Gegensatz dazu – bei nur einem Prozent Dehnung die charakteristische Länge für den Energietransport nur noch einige hundert Atomabstände, also nur einige Dutzend Nanometer groß ist. In diesem Fall treten sofort bedeutende hyperelastische Effekte auf. Von daher vermuten die Forscher, dass Hyperelastizität in nanostrukturierten Materialien wie dünnen Schichten oder bei sehr schnellen Verformungsvorgängen die Rissentwicklung dominiert. Denn in beiden Fällen treten sehr hohe Spannungen auf, sodass die Region, aus der Energie zum Riss fließen muss, relativ klein ist. Mit anderen Worten: Kleine Strukturen geben offensichtlich besonders schnell nach – eine Erkenntnis, die Ingenieure beim Entwurf ihrer Mikro- und Nanokreationen unter Umständen im Hinterkopf haben sollten.
Aufwändige Computersimulationen sollen Antwort geben. Markus Buehler und Huajian Gao vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung sowie ihr Kollege Farid Abraham vom IBM Almaden Forschungszentrum im kalifornischen San José machten dazu zunächst einen bislang fehlenden Aspekt in der heutigen Theorie der Rissausbreitung aus: Die Elastizität von Festkörpern hängt von der Intensität ihrer Verformung ab.
So werden etwa Metalle weich, Polymere hingegen hart, wenn sie sich durch zunehmende Dehnung dem Zustand des Materialversagens nähern. "Nur für unendlich kleine Deformationen kann man annehmen, dass sich die elastischen Eigenschaften eines Materials nicht ändern und sein Verhalten linear ist", erklärt dazu Gao. Nur innerhalb dieser Grenzen sind Dehnung und Spannung direkt proportional zueinander. "Trotzdem beschreiben viele der heutigen Theorien die Rissausbreitung auf der Grundlage linearer Elastizität und vernachlässigen, wie unterschiedlich sich Materialien bei kleinen oder großen Dehnungen verhalten. Die bisherigen Theorien sind deshalb aus unserer Sicht zu bezweifeln, denn wenn sich ein Riss in einem Werkstück ausbreitet, bricht das Material an der Rissspitze gerade wegen der extrem großen Deformationen in diesem Bereich."
Und so zeigen die Wissenschaftler in ihrer Untersuchung konsequenterweise, dass auch Hyperelastizität, das nicht lineare Verhalten bei großen Dehnungen, das Reißverhalten bestimmen kann. Denn während sich Risse ausbreiten, absorbieren und vernichten sie Energie vom umgebenden Material. "Wir haben eine neue charakteristische Längenskala entdeckt, die jenen Bereich um den Riss beschreibt, aus dem Energie transportiert werden muss, damit der Riss seine Ausbreitung fortsetzen kann," so Gao. "Bei extrem hohen Spannungen ist diese Längenskala nur einige Dutzend Nanometer groß."
Oder mathematisch ausgedrückt: Diese charakteristische Längenskala ist proportional zur Rissoberflächenenergie und den elastischen Eigenschaften und umgekehrt proportional zum Quadrat der angelegten elastischen Spannung. Im Gegensatz zum bisherigen Verständnis ist kein Energietransport von weiter entfernten Regionen zum Riss notwendig, sondern nur von einem kleinen, lokal begrenzten Bereich, der durch die charakteristische Längenskala beschrieben ist.
Je nach Größe der hyperelastischen Zone im Vergleich zur charakteristischen Längenskala, versagt die Annahme linearer Elastizität also und damit auch die klassische Theorie der Rissausbreitung. Denn in weichen Materialien verläuft der Energietransport langsamer, in harten Materialien schneller. Entsprechend beschleunigt oder verlangsamt sich die Rissgeschwindigkeit bei einem ausreichend großen nicht elastischen Bereich. Ist die Region um den Riss beispielsweise durch Hyperelastizität verhärtet, kann in kürzerer Zeit sehr viel mehr Energie zum Riss transportiert werden. Umgekehrt wird der Energietransport langsamer, wenn der Bereich um die Rissspitze weicher wird. Daher schlussfolgern die Wissenschaftler, dass die Hyperelastizität entscheidend ist, um die Dynamik von Rissen korrekt verstehen und vorhersagen zu können.
Erstaunliches kann dabei geschehen: Bestimmt Hyperelastizität ihre Dynamik, können Risse sich schneller als alle elastischen Wellen bewegen. Eine Erkenntnis, die in krassem Widerspruch zu klassischen Theorien steht, nach denen die (longitudinale) Wellengeschwindigkeit eine unüberwindbare obere Grenze für die Rissgeschwindigkeit darstellt. Die Computersimulation zeigte indes eindeutig, wie sich ein Riss unter Scherbelastung ausbreitet, die Schallmauer durchbricht und mit Überschallgeschwindigkeit durch das Material rast. Solche Phänomene können nur unter Berücksichtigung der Hyperelastizität verstanden werden.
Soweit zur Simulation, doch wie realistisch sind die Ergebnisse des Computers? Unter normalen experimentellen Bedingungen sind die Spannungen eine oder zwei Größenordnungen kleiner als in atomistischen Simulationen. In diesen Fällen ist die charakteristische Länge des Energietransports relativ groß, und der Effekt von Hyperelastizität auf die effektive Geschwindigkeit des Energietransports ist klein.
Doch Buehler und seine Kollegen haben auch gezeigt, dass – im Gegensatz dazu – bei nur einem Prozent Dehnung die charakteristische Länge für den Energietransport nur noch einige hundert Atomabstände, also nur einige Dutzend Nanometer groß ist. In diesem Fall treten sofort bedeutende hyperelastische Effekte auf. Von daher vermuten die Forscher, dass Hyperelastizität in nanostrukturierten Materialien wie dünnen Schichten oder bei sehr schnellen Verformungsvorgängen die Rissentwicklung dominiert. Denn in beiden Fällen treten sehr hohe Spannungen auf, sodass die Region, aus der Energie zum Riss fließen muss, relativ klein ist. Mit anderen Worten: Kleine Strukturen geben offensichtlich besonders schnell nach – eine Erkenntnis, die Ingenieure beim Entwurf ihrer Mikro- und Nanokreationen unter Umständen im Hinterkopf haben sollten.
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