Attraktivität: Schönheit ist nicht gleichgeschaltet
Glaubt man den zahllosen Attraktivitätsstudien, dann gibt es für Schönheit eine universelle Formel. Gesichter mit perfekter Symmetrie und ausgewogenen Proportionen werden allgemein bevorzugt. Dieses Schema sei, so die gängige Ansicht, fest eingebrannt in unsere Gene. Ein Blick auf die ewig gleichförmigen Modelgesichter in Modemagazinen und auf Werbeflächen scheinen diese Ergebnisse zu bestätigen.
Doch möglicherweise ist die Bedeutung dieser universellen Schönheitskriterien bisher überschätzt worden. Darauf deutet eine Studie von Psychologen um Laura Germine von der Harvard University hin. Nach Ansicht der Wissenschaftler wird unsere Vorliebe für bestimmte Gesichtszüge entscheidend von unseren intimsten Erfahrungen beeinflusst. Angeborene Präferenzen spielten dagegen eine untergeordnete Rolle.
Für ihre Untersuchung ließen die Wissenschaftler in einer Onlineumfrage 35 000 Freiwillige die Gesichter von 200 Personen hinsichtlich ihrer Attraktivität auf einer Skala von 1 (unattraktiv) bis 7 (sehr attraktiv) bewerten. Zwar lagen dabei ebenmäßige Gesichter erwartungsgemäß ganz vorne, doch bei genauerer Betrachtung stießen die Forscher auf überraschende Unregelmäßigkeiten.
Schönheit ist nicht mit Attraktivität gleichzusetzen
Beim Vergleich der Wertungen der einzelnen Studienteilnehmer mit den Durchschnittswertungen der Gesamtheit der Teilnehmer fielen regelmäßige Abweichungen von über 50 Prozent auf. "Das passt zur Alltagserfahrung, dass Topmodels zwar einerseits viel Geld mit ihrem Aussehen verdienen können, man aber mit Freunden endlos darüber diskutieren kann, ob sie attraktiv sind oder nicht", so Laura Germine.
Die Forscher gingen nun der Frage nach, worauf diese auffälligen Unterschiede zurückzuführen seien. Dabei hatten sie zunächst genetische Ursachen im Verdacht. Frühere Studien hatten nämlich gezeigt, dass im Bereich des Visuellen die persönlichen Vorlieben einer Person meist erblich bedingt sind. Bei der Bewertung der Attraktivität von Gesichtern scheint das überraschenderweise jedoch nicht zu gelten. Diese Präferenzen seien lediglich zu 22 Prozent auf genetische Ursachen und zu 78 Prozent auf Umwelteinflüsse zurückzuführen.
Das schließen Germine und Kollegen nun aus einem Experiment mit Zwillingen. Erneut ließen sie Freiwillige die Attraktivität von Gesichtern bewerten, nur handelte es sich bei den Befragten diesmal um 547 eineiige und 214 gleichgeschlechtliche zweieiige Zwillingspaare. Weil Zwillinge in meist sehr ähnlichen Umgebungen aufwachsen und darüber hinaus eineiige Zwillingspaare etwa doppelt so viele Gene gemeinsam haben wie zweieige Zwillinge, eignen sie sich besonders gut als Probanden, wenn es darum geht herauszuarbeiten, welchen Anteil Gene oder Umwelteinflüsse auf die persönlichen Präferenzen haben.
Das soziale Umfeld spielt keine Rolle
Im Paarvergleich zeigten sich zwischen den Wertungen zweieiiger Zwillinge nur geringfügig größere Abweichungen als zwischen denen eineiiger Zwillingen. Damit ist klar, dass beim Schönheitsempfinden, zumindest was Gesichter anbelangt, genetische Ursachen lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Interessanterweise waren die Unterschiede bei Bewertungen der Gesichter im Paarvergleich innerhalb von Zwillingspaaren genauso groß wie unter nicht verwandten Probanden. Dies ist überraschend, weil Zwillinge in ihrer Entwicklung meist in derselben Umgebung aufwachsen.
Die Wissenschaftler schließen daraus, dass das gemeinsame soziale Umfeld für die Ausbildung der individuellen Gesichtspräferenzen offenbar gar nicht sonderlich ausschlaggebend ist. Es seien die ureigenen, intimen Erfahrungen des Einzelnen, wie das Gesicht eines Schauspielers der Lieblingsserie oder des ersten Freundes, die unsere Präferenz bei Gesichtern prägen.
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