Hirnhälften: Schönheit liegt im Auge des Betrachters
Vögel sind in der Wahl ihres Partners durchaus anspruchsvoll: Bei vielen Arten muss bei der Begutachtung des Partners auch die Optik stimmen. Welche Mechanismen dabei im Gehirn ablaufen, ist aber wenig bekannt. Forscher um Jennifer Templeton vom Knox College in Illinois konnten jetzt am Beispiel einer australischen Finkenart zeigen, dass männliche Vögel nur mit dem rechten Auge die Attraktivität eines Weibchens beurteilen können. Demnach scheint bei ihnen ausschließlich die linke Gehirnhälfte für diese Aufgabe verantwortlich zu sein. Dass Partnerwahl zumindest bei manchen Tieren zu den lateralisierten Funktionen des Gehirns gehört, war bisher nur vermutet worden.
Um die Spezialisierung der Hirnhälften, die Lateralisierung, zu untersuchen, bieten sich Vögel ganz besonders an: Zum einen kreuzen sich bei ihnen so gut wie alle Sehnerven, wodurch die Information vom eines Auges nahezu komplett in die gegenüberliegende Gehirnhälfte gesendet wird. Zum anderen findet ein Austausch zwischen den Hirnhälften, anders als beispielsweise beim Menschen, nicht statt. Eine Information, die etwa nur dem rechten Auge vorliegt, kann also nur von der linken Gehirnhälfte verarbeitet werden.
Um zu testen, ob eine der beiden Hirnhälften auf das visuelle Erkennen von Partnern spezialisiert ist, haben Templeton und ihre Kollegen in der Gouldamadine (Chloebia gouldiae) ein geeignetes Versuchstier gefunden. Dieser kleine, zu den Finken gehörende Vogel kommt in unterschiedlichen Färbungen vor. Manche Gouldamadinen haben rote, andere schwarze Köpfe. Bei der Partnerwahl gehen die Männchen nach dem Schema "Gleich und Gleich gesellt sich gern" vor: Sie bevorzugen Weibchen mit der Kopffarbe, die sie selber haben.
Das haben sich die Wissenschaftler in einem einfachen Verhaltensversuch zunutze gemacht. Schwarzköpfige Männchen wurden in eine Arena gesetzt, von der aus sie durch Fenster ein Weibchen mit rotem Kopf, eines mit schwarzem Kopf, ein anderes Männchen und eine leere Kammer sehen konnten. Dabei waren dem Vogel entweder das linke, das rechte oder kein Auge verbunden. Konnten die Tiere nur mit dem rechten Auge sehen, verbrachten sie die meiste Zeit mit Annäherungsversuchen an das "attraktive", schwarzköpfige Weibchen. Das Gleiche traf zu, wenn sie unverbundene Augen hatten. War allerdings nur das linke Auge zur Verfügung, schienen die Vögel nicht in der Lage, das richtige Weibchen zu erkennen. Sie verbrachten gleich viel Zeit mit der Betrachtung beider Weibchen und interessierten sich sogar für das Männchen.
Diese Lateralisierung der Partnerwahl in der linken Hirnhälfte könnte einige Verhaltensweisen erklären, die sich im Balzverhalten verschiedenster Vogelarten zeigen. So kommt es oft vor, dass die Männchen sich von einer bestimmten Seite präsentieren. Dieses Verhalten lässt sich nun auf Grund der Ergebnisse von Templeton und ihren Kollegen weniger als "sich von seiner besten Seite zeigen" deuten, sondern ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Im Fall der Gouldamadine eben im rechten.
Schreiben Sie uns!
1 Beitrag anzeigen