News: Schöpfung im Reagenzglas
Neurale Stammzellen finden sich im Stammhirn und entwickeln sich normalerweise zu Nervenzellen und anderem Hirngewebe. Die Forschungen der letzten beiden Jahre zeigten bereits, dass sich die zukünftige Entwicklung von Stammzellen sehr viel variabler gestaltet, als ursprünglich angenommen. Und schon bald entstanden aus ihnen Herz-, Leber- und sogar Blutzellen. Angelo Vescovi vom Ospedale San Raffaele in Mailand und Giulio Cossu vom Dipartimento di Istologia e Embriologia Medica der Università degli Studî di Roma "La Sapienza" fanden nun heraus, dass offenbar der bloße Kontakt mit bestimmten anderen Zellen ausreicht, damit sich die Stammzellen differenzieren (Nature Neuroscience vom Oktober 2000).
Dazu brachten sie in einem ersten Schritt im Labor neurale Stammzellen aus dem Gehirn von Mäusen mit Muskelzellen zusammen. Tatsächlich produzierten die Stammzellen innerhalb weniger Tage Proteine, wie es sonst nur Muskelzellen tun. Schließlich verbanden sie sich sogar mit den Muskelzellen und bildeten Myotuben, Zellverbände, aus denen ein Großteil des Muskelgewebes besteht. Allerdings muss zwischen den Stammzellen und dem Muskelgewebe ein inniger Kontakt bestehen. Waren sie durch eine poröse Membran voneinander getrennt, ließen sich die Stammzellen nicht beeinflussen. In einem weiteren Schritt wollten die Forscher wissen, ob dies auch in lebenden Tieren geschieht und injizierten Stammzellen in die geschädigten Muskeln von Mäusen. Mit eindeutigem Ergebnis, denn bereits zwei Wochen später fanden sich die ehemaligen Hirnzellen in dem regenerierten Muskelgewebe wieder.
Die Ergebnisse der italienischen Forschergruppe stießen auf große Resonanz. Für Derek von der Kooy vom Department of Anatomy and Cell Biology der University of Toronto sind die Arbeiten von Vescovi und Cossu ein "ziemlich überzeugender" Hinweis dafür, dass aus neuralen Stammzellen tatsächlich normales Muskelgewebe wird. Ronald McKay vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke in Bethesda drängt auf baldige Klärung der Mechanismen, die der Umwandlung der Zellen zugrunde liegen. Auf diese Weise könnte ein wichtiger Schritt hin zur Behandlung von Muskelkrankheiten erfolgen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 11.8.2000
"Eene, meene muh, und Fettzelle bist du"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 3.8.2000
"Stammzellen unter Spannung"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 17.7.2000
"Blick aus der Petrischale" - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 13.7.1998
"Der Joker aus der Petrischale" - Spektrum der Wissenschaft 7/99, Seite 32
"Neue Nervenzellen im erwachsenen Gehirn"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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