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Evolutionsgeschichte: Schon die Großeltern der Säugetiere lebten nachts

Säugetiere mussten einst lernen, den Dinosauriern aus dem Weg zu gehen. Das klappt nachts ganz gut - eine Idee, die aber vorher schon andere gehabt hatten.

Unsere Vorfahren, die frühen Säugetiere des Erdmittelalters, führten ziemlich sicher eine Nischenexistenz zu Füßen der damals weltweit dominierenden und überlegenen Dinosaurier. Eine Ausweichmöglichkeit bot sich vor allem in der Nacht; und gut gegen Kühle isolierte, gleichwarme und nachtsichtige Säugetiere gediehen rasch und entwickelten sich als kleine, flinke Dinosauriereierdiebe und Allesfresser. Aber wann begann die Ära dieser nachtaktiven Tiere? Erstaunlich früh – offenbar sogar lange vor der Geburt der allerersten Säugetiere, berichten nun Forscher um Lars Schmitz von den Claremont Colleges. Auch die Reptilienvorfahren der Säugetiere, die ursprünglichen Synapsiden, hatten schon die Fähigkeit gut im Dunkeln zu sehen.

Die Forscher schließen das aus Schädelanalysen von 24 Synapsiden-Spezies, die vor 315 bis 190 Millionen Jahren gelebt hatten. Instruktiv waren dabei vor allem die Lage der Augenhöhlen und etwaiger abschirmender Knochenwülste, die den Lichteinfall ins Auge behindern können. Eindeutig seien einige Schädel auf die Fähigkeit zur Nacht- oder Dämmerungssicht hin optimiert, meinen die Forscher. Damit hätten Tiere wohl schon 100 Millionen Jahre früher als vermutet eine Nachtnischenexistenz geführt. Pioniere waren die Säugetiere in dieser Hinsicht jedenfalls nicht.

Die Ergebnisse werfen allerdings Fragen auf. So ist eine der untersuchten frühen Synapsidenarten, Dimetrodon milleri, ein aus ganz anderen Gründen beliebtes Streitobjekt der Paläontologie: Auffallenstes Merkmal des alten Fleischfressers war wohl sein großes, hautbespanntes Rückensegel, dessen Funktion umstritten ist. Man vermutet etwa, dass es zur Temperaturregulation diente und vielleicht in die Sonne gehalten wurde, um den wechselwarmen Körper morgens aufzuwärmen oder, im Gegenteil, um in der Hitze des Tages überschüssige Wärme abzugeben. Vielleicht war es auch auffällig gefärbt, etwa um bei einer Balz Partner anzulocken. Alle diese Ideen erscheinen weniger schlüssig, wenn Dimetrodon ein nachts oder in der Dämmerung lebendes Tier gewesen ist.

Jedenfalls aber, so die Forscher, deute die Augenhöhlenmorphologie auf eine sehr frühe Phase der Nachtaktivität bei den Synapsiden. Vor allem Fleischfresser scheinen dabei nachtaktiv gewesen zu sein, einige Pflanzenfresserarten dagegen lebten wohl am Tag. Sicher sei hingegen, dass die Nachtnische nicht von den ersten entstandenen Säugetieren erstmals ausgenutzt wurde: Die Verhaltensanpassung war schon uralt und die Protosäuger brachten womöglich schon alle notwendigen anatomischen und genetischen Anpassungen mit, um den Dinosaurierkonkurrenten als Nachtexistenz aus dem Weg gehen zu können.

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