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Neurowissenschaft: Schon wenige Hirnzellen lassen Mäuse halluzinieren

Forscher haben Mäuse auf Knopfdruck halluzinieren lassen – und dabei etwas über die visuelle Wahrnehmung gelernt.
Maus im Ruderboot

Mit Hilfe von Optogenetik ist es Forschern offenbar gelungen, bei Mäusen gezielte Halluzinationen hervorzurufen. Dazu schleuste das Team um James H. Marshel von der Stanford University zunächst zwei Gene in die Nervenzellen im visuellen Kortex der Tiere ein: Das eine sorgte dafür, dass die Wissenschaftler die Neurone gezielt mit Hilfe von Licht aktivieren konnten, das andere codierte für ein fluoreszierendes Protein, das die Zellen jedes Mal aufleuchten ließ, wenn diese feuerten.

So beobachteten Marshel und seine Kollegen zunächst, welche Nervenzellen in der Sehrinde der Nager aktiv wurden, wenn sie diesen horizontale oder vertikale Streifenmuster zeigten. Außerdem brachten sie den Mäusen bei, an einem Wasserschlauch zu lecken, wenn diese einen vertikalen Streifen sahen. Nachdem die Tiere die Lektion verinnerlicht hatten, stimulierten die Wissenschaftler die Nervenzellen, die beim Anblick der verschiedenen Muster aktiv waren, mit einem eigens für den Versuch entwickelten Gerät, mit dem sie die Neurone ganz besonders präzise ansteuern konnten. Dabei beobachteten sie, dass nicht nur die nachgeschalteten Hirnregionen ähnliche Aktivitätsmuster zeigten wie beim Anblick der horizontalen oder vertikalen Muster – auch die Mäuse reagierten so, wie die Forscher es zuvor mit ihnen eingeübte hatten: Aktivierten sie die Nervenzellen, die bei den vertikalen Streifen aktiv wurden, wandten sich die Nager dem Wasserschlauch zu. Wählten sie hingegen die Nervensignatur, die mit dem horizontalen Muster verknüpft war, rührten die Tiere sich nicht.

Erstaunlicherweise mussten die Wissenschaftler nur verblüffend wenige Neurone stimulieren, um die Nager die Streifenmuster »halluzinieren« zu lassen: In manchen Fällen reichten bereits weniger als 20 Nervenzellen aus, um eine entsprechende Kaskade im Gehirn auszulösen. »Ein Mäusehirn hat Millionen Neurone, ein menschliches viele Milliarden«, sagt der Optogenetik-Pionier Karl Deisseroth, der ebenfalls an der Untersuchung beteiligt war. Wenn bereits so wenige Zellen eine Wahrnehmung erzeugen können, dann sei die spannende Frage eigentlich nicht, warum wir manchmal unter bestimmten Umständen halluzinieren – sondern eher, warum wir es nicht ständig tun.

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