Verhaltensbiologie: Schreck lass nach
Frisch gepaarte Heuschreckenmännchen senden das pheromonale Gebot aus: "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib!" - Ob's wirkt?
Männerüberschuss? Oh je – das kann bekanntermaßen zu Konflikten führen. Wüstenheuschrecken dürften davon ein Lied zirpen: In einem Schwarm der Art Schistocerca gregaria gibt es, so groß er auch sein mag, meistens mehr paarungswillige männliche als weibliche Tiere, weil nur die gerade fruchtbaren Weibchen Männchen an sich heranlassen.
Nach einem erfolgreichen Tête-à-tête bewacht ein Heuschreckenmann deshalb seine Eroberung nach der Kopulation noch eine ganze Weile – im Schnitt neun Stunden. Und zwar nicht aus einem Beschützerinstinkt heraus, sondern weil es sichern will, dass alle Eier seiner Auserkorenen auch von ihm selbst befruchtet werden und sich seine eigenen Gene in Form von Nachkommen möglichst erfolgreich unters Volk mischen.
Um ihren Besitzanspruch deutlich zu machen, setzen die Männchen erst einmal auf eine recht dezente, gewaltfreie Strategie: Nähert sich ein möglicher Rivale, empfangen sie ihn mit einer Pheromonwolke aus Phenylacetonitril (PAN). Die Botschaft ist klar: "Finger, beziehungsweise Fühler weg! Schon vergeben! Zieh ab!" PAN signalisiert Verteidigungswillen, sollte sich der Rivale nicht aus dem Wüstenstaub machen und trotzdem sein Glück versuchen.
Karsten Seidelmann von der Universität Halle interessierte, wie zuverlässig dieses Signal eigentlich funktioniert. Um die Situation zu verschärfen, trennte er Gruppen von zehn Männchen von weiblichen Heuschrecken und ließ ein paar von ihnen unterschiedlich lange nach Weibchen schmachten. Dann setzte er sie der Atmosphäre eines romantischen Pärchenabends aus, in der sie nur auf alarmbereite, PAN absondernde Geschlechtsgenossen trafen, die vehement ihre sechsbeinigen Freundinnen bewachten oder besser ihre Nachkommenschaft sicherten.
Bei sehr kurzer Trennung von unter einer Stunde tat das PAN seine gewünschte Wirkung, und die Single-Männchen respektierten die so signalisierte partnerschaftliche Idylle der anderen. Nach einem Liebesentzug von einem Tag – in einem Heuschreckenleben schon eine kleine Ewigkeit – interessierte die pheromonale Warnung kaum mehr: Knapp die Hälfte der liebeshungrigen Männchen vergaß ihre guten Manieren und versuchte die traute Zweisamkeit aufzumischen. Trotz drohendem Kampf attackierten sie die Pärchen, in der Hoffnung, einen Liebhaber vertreiben und ihn ersetzen zu können.
Wenn die Zeit ihrer aufgezwungenen Enthaltsamkeit sogar zwei Tage andauerte, waren schon über sechzig Prozent der Männchen die Eroberung eines Weibchens den Gewalteinsatz wert. Ganze drei Tage der Abstinenz machten die Heuschrecken scheinbar rasend. Die inzwischen liebestollen Insekten ignorierten das Warnsignal nun komplett. Sie versuchten ausnahmslos, sich Hals über Kopf in eine Affäre mit der Frau eines anderen zu stürzen und gingen allesamt zum Angriff über. Auch waren sie bei ihren stürmischen Versuchen, sich an die schon vergebenen Weibchen heranzumachen, wesentlich ungeduldiger und hartnäckiger als vorher. Sie probierten nun viel häufiger – um die neun Mal – den Kontrahenten sozusagen regelrecht aus dem Bett der neuen Angebeteten zu zerren.
Trotz allem waren diese verzweifelten Eroberungsversuche nur selten von Erfolg gekrönt: Im Mittel über alle Abstinenzzeiten lag die Erfolgsquote nur bei wenig über fünf Prozent, wobei sich ein Sieg nach ungefähr 2,4 Attacken einstellte. Die Weibchen blieben von dem Gehabe der Machos übrigens unbeeindruckt: Sie verhielten sich dabei völlig passiv.
Was hier nach leidenschaftlichen Liebesdramen klingt, erklärt Seidelmann allerdings mit einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechung. Die Tiere gleichen ab, mit welchem Verhalten sie am schnellsten zum zahlenmäßig reichsten Nachwuchs kommen: mit Geduld und Weitersuchen oder durch Inkaufnahme eines Kampfes mit geringen Erfolgschancen und eines Weibchens, das wahrscheinlich nur noch ein paar unbefruchtete Eier zu bieten hat. Nach langen Wartezeiten, die in der Wildnis langen Suchzeiten entsprechen würden, kann die Wahl der zweiten Strategie durchaus sinnvoller sein.
Das Pheromon-Gebot wirkt also nur bedingt: Pressiert's hingegen, setzen sich ja selbst bei Androhung von Prügeln nicht nur Insekten gerne über Grenzen hinweg.
Nach einem erfolgreichen Tête-à-tête bewacht ein Heuschreckenmann deshalb seine Eroberung nach der Kopulation noch eine ganze Weile – im Schnitt neun Stunden. Und zwar nicht aus einem Beschützerinstinkt heraus, sondern weil es sichern will, dass alle Eier seiner Auserkorenen auch von ihm selbst befruchtet werden und sich seine eigenen Gene in Form von Nachkommen möglichst erfolgreich unters Volk mischen.
Um ihren Besitzanspruch deutlich zu machen, setzen die Männchen erst einmal auf eine recht dezente, gewaltfreie Strategie: Nähert sich ein möglicher Rivale, empfangen sie ihn mit einer Pheromonwolke aus Phenylacetonitril (PAN). Die Botschaft ist klar: "Finger, beziehungsweise Fühler weg! Schon vergeben! Zieh ab!" PAN signalisiert Verteidigungswillen, sollte sich der Rivale nicht aus dem Wüstenstaub machen und trotzdem sein Glück versuchen.
Karsten Seidelmann von der Universität Halle interessierte, wie zuverlässig dieses Signal eigentlich funktioniert. Um die Situation zu verschärfen, trennte er Gruppen von zehn Männchen von weiblichen Heuschrecken und ließ ein paar von ihnen unterschiedlich lange nach Weibchen schmachten. Dann setzte er sie der Atmosphäre eines romantischen Pärchenabends aus, in der sie nur auf alarmbereite, PAN absondernde Geschlechtsgenossen trafen, die vehement ihre sechsbeinigen Freundinnen bewachten oder besser ihre Nachkommenschaft sicherten.
Bei sehr kurzer Trennung von unter einer Stunde tat das PAN seine gewünschte Wirkung, und die Single-Männchen respektierten die so signalisierte partnerschaftliche Idylle der anderen. Nach einem Liebesentzug von einem Tag – in einem Heuschreckenleben schon eine kleine Ewigkeit – interessierte die pheromonale Warnung kaum mehr: Knapp die Hälfte der liebeshungrigen Männchen vergaß ihre guten Manieren und versuchte die traute Zweisamkeit aufzumischen. Trotz drohendem Kampf attackierten sie die Pärchen, in der Hoffnung, einen Liebhaber vertreiben und ihn ersetzen zu können.
Wenn die Zeit ihrer aufgezwungenen Enthaltsamkeit sogar zwei Tage andauerte, waren schon über sechzig Prozent der Männchen die Eroberung eines Weibchens den Gewalteinsatz wert. Ganze drei Tage der Abstinenz machten die Heuschrecken scheinbar rasend. Die inzwischen liebestollen Insekten ignorierten das Warnsignal nun komplett. Sie versuchten ausnahmslos, sich Hals über Kopf in eine Affäre mit der Frau eines anderen zu stürzen und gingen allesamt zum Angriff über. Auch waren sie bei ihren stürmischen Versuchen, sich an die schon vergebenen Weibchen heranzumachen, wesentlich ungeduldiger und hartnäckiger als vorher. Sie probierten nun viel häufiger – um die neun Mal – den Kontrahenten sozusagen regelrecht aus dem Bett der neuen Angebeteten zu zerren.
Trotz allem waren diese verzweifelten Eroberungsversuche nur selten von Erfolg gekrönt: Im Mittel über alle Abstinenzzeiten lag die Erfolgsquote nur bei wenig über fünf Prozent, wobei sich ein Sieg nach ungefähr 2,4 Attacken einstellte. Die Weibchen blieben von dem Gehabe der Machos übrigens unbeeindruckt: Sie verhielten sich dabei völlig passiv.
Was hier nach leidenschaftlichen Liebesdramen klingt, erklärt Seidelmann allerdings mit einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechung. Die Tiere gleichen ab, mit welchem Verhalten sie am schnellsten zum zahlenmäßig reichsten Nachwuchs kommen: mit Geduld und Weitersuchen oder durch Inkaufnahme eines Kampfes mit geringen Erfolgschancen und eines Weibchens, das wahrscheinlich nur noch ein paar unbefruchtete Eier zu bieten hat. Nach langen Wartezeiten, die in der Wildnis langen Suchzeiten entsprechen würden, kann die Wahl der zweiten Strategie durchaus sinnvoller sein.
Das Pheromon-Gebot wirkt also nur bedingt: Pressiert's hingegen, setzen sich ja selbst bei Androhung von Prügeln nicht nur Insekten gerne über Grenzen hinweg.
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