Klimaschutz durch Schuldentausch: Die Win-win-win-Wundertüte
Keine vier Wochen ist es her, da traf sich die Weltgemeinschaft schon einmal zu einer großen UN-Konferenz. Auf der COP16 im kolumbianischen Cali ging es um Biodiversität, um Meere und Ozeane, um wertvolle Natur, Schutzgebiete, bedrohte Tierarten, Landschaften – und deshalb vor allem um eines: ums Geld.
Konkret etwa um die Frage, ob die reichen Industrienationen ihrem vor zwei Jahren gegebenen Versprechen nachkommen würden und 20 bis 30 Milliarden US-Dollar jährlich den besonders bedrängten Ländern für den Schutz von deren Biosphäre zur Verfügung stellen. Das wird nach Lage der Dinge nicht der Fall sein, trotz Finanzspritzen in letzter Minute unter anderem aus Deutschland.
Dabei fehlt den Entwicklungsländern heute schon das Geld für die Anpassung an den Klimawandel – auch deshalb, weil viele von ihnen tief verstrickt sind in die Schuldenfalle. Aus dem Globalen Süden werden Jahr um Jahr Rekordbeträge an die Investoren im Globalen Norden überwiesen, um Zinsen zu zahlen und Kredite zu tilgen.
Da bräuchte es also zugleich mehr Geld für die Natur und weniger Schulden für das Land. Ein unauflösbares Dilemma, wie es scheint. Doch am Rande der UN-Konferenz in Cali haben sich nun sechs global agierende Umweltschutzorganisationen zu einer Koalition zusammengeschlossen, die ein raffiniertes Finanzinstrument voranbringen will, das beide Probleme gleichzeitig anzugehen verspricht. Der Name der Wunderwaffe: Debt-for-Nature Swap. Der Tausch von Staatsschulden (»Debt«) gegen Naturschutzprojekte. Geht es speziell um Klimaschutz, ist auch von Debt-for-Climate Swap die Rede.
Milliarden für alle – und für den Planeten
Als »Win-win-win für Regierungen, für die Bevölkerung vor Ort und für die Natur« beschreibt die Koalition die Schuldentauschgeschäfte in einer Pressemitteilung. Bis zu 100 Milliarden US-Dollar ließen sich rein rechnerisch in die Wiederherstellung der Natur und die Anpassung an den Klimawandel schleusen, wenn man die komplette Schuldenlast von den 49 am stärksten verschuldeten Ländern in Tauschgeschäfte einbeziehen würde, ergab ein Report der britischen Umwelt-NGO International Institute for Environment and Development (IIED).
Doch so beeindruckend diese Swaps auf dem Papier aussehen, so skeptisch blicken Experten auf die Details. Ein glasklarer »Winner« ist nach Meinung vieler Kritiker nicht zu erkennen, und wenn doch, dann sitzt er nicht in den betroffenen Ländern des Globalen Südens.
Führender Kopf der neu geschlossenen Koalition ist die mächtige US-Umweltschutzorganisation The Nature Conservancy. Die finanzstärkste Umwelt-NGO der Welt hat seit 2021 bei Schuldentauschprogrammen eine Milliardensumme an Geld bewegt. Auch die gemeinnützige Stiftung The Pew Charitable Trusts gehört dem Verbund an. Ihr war es in Ecuador gelungen, einen milliardenschweren Debt-for-Nature Swap einzufädeln, den bislang größten seiner Art.
Wie genau ein solcher Swap vonstattengeht, ist von Mal zu Mal unterschiedlich, der Grundgedanke bleibt derselbe: Die Schuldenlast eines Landes wird auf die eine oder andere Weise verringert – im Gegenzug verpflichtet es sich, frei werdende Mittel in genau definierte Klima- oder Naturschutzprojekte zu investieren.
Im klassischen Fall dreht es sich bei diesen Swaps um Kredite, die das überschuldete Land bei Staats- oder Entwicklungsbanken der Industrieländer aufgenommen hat. Das deutsche Entwicklungsministerium einigte sich zuletzt zum Beispiel mit Kenia auf einen Debt-for-Climate Swap. Der afrikanische Staat steckt bis zu 60 Millionen Euro in mit Deutschland abgestimmte Klimaschutzprojekte, dafür bekommt er Schulden in gleicher Höhe von Deutschland erlassen. Auch mit Ägypten und Tunesien hat das Ministerium bereits vergleichbare Vereinbarungen geschlossen.
Erste Swaps gab es in den 1980ern
Das Konzept dazu wurde in den 1980er Jahren von dem 2021 verstorbenen US-Ökologen und WWF-Experten Thomas Lovejoy entwickelt. Damals stand noch vor allem die Schuldenkrise in Lateinamerika im Mittelpunkt. Die ursprüngliche Idee sei es gewesen, Anreize für mehr Umweltpolitik zu schaffen, erzählt Saleem Ali von der University of Delaware. Das habe besser gewirkt als Sanktionen. Der Umweltexperte war mit Lovejoy in internationalen Beratergremien tätig. Er sieht das Konzept auch als Weg, um Fehler der Vergangenheit zu korrigieren: »Ein Großteil der Schulden der Entwicklungsländer resultiert historisch aus der unfairen Wirtschaftspolitik der Industrieländer.« Institutionen wie die Weltbank hätten mit ihren schlechten Wirtschaftsmodellen dazu beigetragen, dass die Länder des Globalen Südens in der Schuldenfalle landeten.
Auch private Umweltschutzorganisationen haben damals Debt-for-Nature Swaps abgeschlossen. Sie nutzten eingesammelte Spenden, um Schulden eines anderen Landes abzulösen. Im Gegenzug sagte ihnen das Land zu, lokale Nachhaltigkeitsprojekte in gleicher Höhe aufzulegen und die Umweltorganisation als Partner einzubinden.
Um die Jahrtausendwende herum trat dieses Finanzinstrument zusehends in den Hintergrund. In dieser Phase billigen Gelds war das Schuldenmachen selbst für Entwicklungsländer günstig genug, dass sie von solchen – im Rückblick oft wenig lukrativen – Gegengeschäften Abstand nahmen. Zudem waren groß angelegte internationale Entschuldungsinitiativen angelaufen, mit denen die besonders in Bedrängnis geratenen Länder vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt wurden.
Eine neue Spielart der Swaps basiert ausschließlich auf Umschuldung. Sprich: Das Land steht danach noch genauso in der Kreide wie zuvor
Seit 2020 hat sich die Lage geändert. Die Corona-Pandemie traf die Staaten des Globalen Südens an einer empfindlichen Stelle: Energiekosten stiegen, ebenso die Zinsen auf neue Kredite. Für ihre Staatsanleihen müssen Entwicklungsländer nun wieder viel Geld ausgeben, hinzu kommt der Schuldendienst für die schon bestehenden Kredite. Nach Angaben der UNO stehen mehr als 50 Länder kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.
Debt-for-Nature Swaps werden plötzlich wieder attraktiv
»Diese Entwicklungen haben dann auch den Weg für ein wieder erstarktes Interesse an den Debt-for-Nature Swaps geebnet«, sagt Saleem Ali.
Besonders eine neue Form von Tauschgeschäften macht nun die Runde, bei der allen voran The Nature Conservancy als Vorreiter auftritt. Über vier bereits laufende Projekte in Gabun, Belize, auf Barbados und den Seychellen will sie insgesamt 400 Millionen Dollar für den Meeresschutz aufbringen. »Die Länder, mit denen wir zusammenarbeiten, erkennen, dass Investitionen in die Natur auch eine langfristige Investition in ihre Volkswirtschaft und das Wohlergehen ihrer Bevölkerung sind«, sagt die Europa-Geschäftsführerin der Organisation, Marianne Kleiberg.
Anders als klassische Swaps basiert diese neue Spielart jedoch ausschließlich auf Umschuldungsmaßnahmen. Sprich: Das betroffene Land steht danach noch genauso bei anderen in der Kreide wie zuvor, allerdings im Idealfall zu besseren Konditionen oder mit geringeren Beträgen.
Der Vorteil: Auf diese Weise kann auch der Schuldenberg angegangen werden, den das betreffende Land bei privaten Gläubigern aufgehäuft hat, also bei global tätigen Investoren wie etwa Banken oder Investmentfonds. Solche Schulden machen einen stetig wachsenden Anteil in den Budgets der ärmeren Nationen aus. Anders als die Schulden bei Staats- und Entwicklungsbanken können sie aber nicht einfach von Regierungen erlassen werden, so wie das bei herkömmlichen Swaps der Fall ist.
Der Nachteil: Das Ganze rentiert sich nur, wenn hunderte Millionen Dollar umgeschuldet werden. Erst dann schafft die Refinanzierung nennenswerte Spielräume für die Finanzierung von Natur- und Klimaschutz. Ein erster, im Jahr 2015 von The Nature Conservancy initiierter Debt Swap mit den Seychellen war mit einem Volumen von 21 Millionen Dollar größer als jeder andere Debt-for-Nature Swap einer Umweltorganisation zuvor und dennoch nur ein winziger Testlauf für das, was noch kommen sollte.
Aus alten Schulden werden neue Schulden
Zum Beispiel in Gabun, einem kleinen zentralafrikanischen Staat an der Atlantikküste, der Heimat von 2,5 Millionen Menschen. Im Jahr 2023 trat das Land in einen Debt-for-Nature Swap ein, den The Nature Conservancy vermittelte. Ziel war es, 500 Millionen US-Dollar umzuschulden und dadurch zwischen 125 und 165 Millionen Dollar für den Schutz von Gabuns bedrohten Meeresgebieten aufzubringen, darunter ökologisch extrem wertvolle Mangrovenwälder.
Das funktionierte so: The Nature Conservancy gründete eine Firma, die an Gabun ein Darlehen in Höhe von 500 Millionen Dollar vergab. Dieses frische Geld nutzte der zentralafrikanische Staat, um einen Teil seiner bestehenden Schulden zurückzukaufen. Nun muss Gabun nicht mehr die alten teuren Kredite bedienen, sondern nur noch das etwas günstigere Darlehen der Mittlerfirma in den USA. Das spart dem Land also Geld. Unter anderem von diesem Geld wird der Schutz der Meeresgebiete vor den Küsten des Landes finanziert, das ist die Bedingung für das ganze Geschäft.
Die für das Darlehen benötigten 500 Millionen Dollar hat The Nature Conservancy allerdings nicht aus eigener Tasche finanziert, sondern sich ihrerseits bei anderen geliehen, und zwar bei großen privaten Anlegern. Diesen Investoren hat sie mit Hilfe einer Bank so genannte »Blue Bonds« verkauft. Das sind Anleihen (»Bonds«), die mit einem festen Zinssatz und fester Laufzeit versehen sind. Wer sie kauft, bekommt für das eingesetzte Geld jedes Jahr Zinsen. Nach 15 Jahren gibt es von der NGO beziehungsweise ihrer Partnerfirma den Ursprungsbetrag in voller Höhe wieder zurück.
Ein blaues Wunder für Investoren
Das »Blue« im Namen zeigt an, dass diese Anleihen an Maßnahmen zum Schutz der Meere und Ozeane geknüpft sind, ganz analog zu den besser bekannten Green Bonds, die allgemein mit Ökoprojekten in Verbindung stehen. Allerdings gelten für Blue Bonds nicht die strengen Kriterien, denen Green Bonds genügen müssen. Trotzdem lassen sie sich als attraktive Geldanlagen für Institutionen bewerben, die nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten investieren wollen oder müssen.
Am Ende entsteht ein Dreiecksgeschäft: Gabun zahlt jährlich seine Kreditzinsen an The Nature Conservancy, diese nimmt das Geld und bedient damit ihre eigenen Gläubiger, die Inhaber der Blue Bonds.
Wieso aber nimmt Gabun nicht selbst das Geld auf, das es braucht, um seine alten Schulden abzulösen? Theoretisch wäre das in der Tat denkbar. Das Land müsste aber wegen seiner geringen Kreditwürdigkeit für die neuen Kredite genauso hohe Zinsen anbieten wie für die alten; der Einspareffekt wäre dahin. Damit der Umschuldungsdeal funktioniert, braucht es in Wahrheit noch einen vierten Mitspieler im Hintergrund: die US-amerikanische Entwicklungsbank. Sie versichert das ganze Geschäft gegen Ausfall und minimiert so das Risiko für die Käufer der Blue Bonds, einen Totalverlust zu erleiden, sollte der ganze Deal platzen. Geringeres Risiko bedeutet geringere Zinsen und deshalb günstigere Kredite für alle Beteiligten.
Dass ein solcher Deal platzt, ist nicht ausgeschlossen. Tatsächlich stand das im Fall Gabuns bereits kurz nach Abschluss der Vereinbarung im Raum, als im August 2023 das Militär des Landes gegen die Regierung putschte. Der Coup verdeutlichte die Risiken, die solche Umschuldungsmaßnahmen mit sich bringen. Entsprechend groß war die Erleichterung der Gläubiger, als das neue Regime im November 2023 die erste vereinbarte Zahlung leistete und laut der Umweltorganisation »großes Interesse« an einer Fortsetzung zeigte.
Worin der Nutzen für ein Land wie Gabun eigentlich besteht, ist nach Einschätzung von Kritikern allerdings gar nicht so leicht zu benennen. Zunächst einmal ändert der Swap nichts an der erdrückenden Schuldenlast von rund sechs Milliarden Dollar, die Gabuns wechselnde Machthaber dem Staat aufgebürdet haben. Das Land muss nach wie vor exakt 500 Millionen Dollar zurückzahlen. Aber wie hoch ist der Einsparungseffekt genau? Und wie viel Geld wird tatsächlich für den Meeresschutz aufgewendet? Das lässt sich für Außenstehende praktisch nicht ermitteln, weil entscheidende Vereinbarungen unter Verschluss gehalten werden.
So ergab eine Rechnung, die Andre Standing in einem kritischen Beitrag für die Coalition for Fair Fisheries Arrangements (CFFA) vorgenommen hat, dass die über den Swap kursierenden Zahlen höhere Naturschutzerträge suggerieren, als durch das Tauschgeschäft tatsächlich generiert wurden. Von den genannten mindestens 125 Millionen oder gar 165 Millionen US-Dollar, die der Swap für den Meeresschutz abwerfen soll, scheinen demnach nur 60 Millionen auf echte Einsparungen infolge der Umschuldung zurückzugehen. Der Rest stamme direkt oder indirekt aus der Staatskasse Gabuns, schreibt der Berater der Organisation, die sich für die Interessen der kleinen Küstenfischerei einsetzt.
Auch die Kosten des Swaps für das afrikanische Land lassen sich von Außenstehenden nicht ermitteln. Zum einen wegen der Geheimhaltung bei den Verhandlungen, und zum anderen, weil die notwendigen Finanztransaktionen so extrem komplex sind, dass sich ihre langfristigen Auswirkungen auf den Staatshaushalt kaum abschätzen lassen. Der Internationale Währungsfonds warnt in einem Arbeitspapier zu Debt-for-Nature Swaps indirekt davor, die Finanzministerien kleinerer Länder könnten mit der Einschätzung und Abwicklung solcher Deals überfordert sein.
Eine NGO macht Gabuns Umweltpolitik
Die Intransparenz und die Komplexität verhindern zugleich eine wirksame demokratische Kontrolle durch die Opposition im Land oder durch andere Interessengruppen – und ist Kritikern zufolge ein Schwachpunkt aller bislang geschlossenen Debt-for-Nature Swaps neueren Typs. Hinzu kommt, dass das teilnehmende Land Souveränität in der Umweltpolitik abgeben muss. Der Deal verpflichtet es darauf, die knappen Mittel in Umweltprojekte zu schleusen, bei deren Auswahl und Gestaltung es nur wenig Mitsprache hat: Wofür die Meeresschutzmillionen genau ausgegeben werden, entscheidet beim Gabun-Swap beispielsweise eine von The Nature Conservancy abhängige Einrichtung, das ist eine Bedingung des Deals. Erfahrungen mit bereits geschlossenen Swaps zeigen, dass die geforderten Maßnahmen nicht immer im Interesse der örtlichen Bevölkerung waren. In anderen Fällen drohten die vereinbarten Verpflichtungen den Staatshaushalt überzustrapazieren.
»Wir werden die Artenvielfalt des Planeten nicht erhalten, wenn wir nicht kreativ sind und Wege der Finanzierung finden, die wirtschaftlich tragfähig sind«Alice Hughes, Artenschutzbiologin
Fragwürdig sind die neuen Debt Swaps auch mit Blick auf die globale Schuldengerechtigkeit. Hier leistet kein Kreditgeber irgendeinen unmittelbaren Verzicht. Im Gegenteil: Wenn Gabun Geld aufnehmen muss, damit es seine überbordenden Schulden abbaut, dann nützt dies zunächst einmal nur seinen Kreditgebern im Westen: Deren Geldanlagen werden vor einem Totalausfall beschützt.
Dabei dürfte sich jeder Investor, der sich attraktiv verzinste Staatsanleihen eines Entwicklungslands zugelegt hat, über das damit verbundene Risiko im Klaren gewesen sein. So extrem verschuldet sind Entwicklungsländer auch deswegen, weil ihnen – beziehungsweise ihren oftmals korrupten Regierungen – nur allzu bereitwillig Geld geliehen wurde. Mit Hilfe der Swaps, schreibt Swap-Kritiker Andre Standing, könnten die Banken nun an der Lösung von Problemen mitverdienen, die sie selbst geschaffen hätten.
Doch dass es im Umweltschutz etwas zu verdienen gibt, muss nichts Schlechtes sein, im Gegenteil: »Wir werden die Artenvielfalt des Planeten nicht erhalten, wenn wir nicht kreativ denken und Wege finden, die sowohl wirtschaftlich tragfähig als auch nachhaltig sind«, sagt Alice Hughes, eine britische Artenschutzbiologin von der University of Hong Kong. Die Swaps könnten genau ein solches Instrument sein.
Vielleicht ist angesichts des ausbleibenden finanziellen Engagements der Industrieländer nun die Stunde des Pragmatismus gekommen. Wenn eine Koalition der Big Player im Umweltschutz auch noch Banken mit ins Boot holt, entstehen genug Macht und Einfluss, um etwas zu bewegen.
Auf jeden Fall kann viel Geld bewegt werden. So wie unlängst bei einem Deal mit Ecuador, der nach Ansicht von Fachleuten als Meilenstein im Schuldentauschgeschäft gilt und eine erkleckliche Summe für den Schutz der Galapagosinseln generieren soll. Mit Hilfe der Organisation Pew Bertarelli Ocean Legacy Project konnte Ecuador insgesamt 1,6 Milliarden Dollar seiner Staatsschulden in ein 656-Millionen-Dollar Darlehen umwandeln, das ebenfalls über Blue Bonds querfinanziert wurde. Über 18 Jahre soll das südamerikanische Land diese Summe zurückzahlen und währenddessen jährlich etwa 18 Millionen Dollar für den Schutz der Gewässer rund um die Galapagosinseln bereitstellen.
Rückkauf mit Abschlag
Dass Ecuador nun knapp eine Milliarde Dollar weniger Schulden in den Bilanzen stehen hat, reduziert seine jährlichen Zinszahlungen in beträchtlichem Ausmaß. Die Milliarde wurde dem Land allerdings ebenfalls keineswegs erlassen: Die Differenz ergab sich daraus, dass Ecuador seine Schulden zum aktuellen Marktpreis zurückkaufen konnte. Auf Grund der schwierigen Wirtschaftslage des Landes und des damit verbundenen Ausfallrisikos wurden seine Anleihen deutlich unter ihrem Nennwert gehandelt und waren somit günstig zu haben.
»Teure Angelegenheiten« seien solche Tauschgeschäfte trotzdem, schreibt die Expertin für Entwicklungspolitik Alejandra Padín-Dujon in einem Gastbeitrag für die London School of Economics: Der Dienst, den die an der Abwicklung des Swaps beteiligten Parteien leisten, muss natürlich bezahlt werden. Beispielsweise seien die Transaktionskosten bei einem 2021 von The Nature Conservancy initiierten Schuldentausch in Belize von veranschlagten zehn Millionen Dollar auf 85 Millionen Dollar gestiegen – andere kommen sogar auf einen Wert von 96 Millionen. Damit würden »Myriaden von Gebühren und Gewinnmargen« bezahlt, darunter die Versicherungspolicen, die die Blue Bonds gegen Ausfall absichern, oder der Anteil, den die Bank Credit Suisse für ihre Vermittlertätigkeit verlangte.
Und trotzdem habe dieser Deal nur an der Oberfläche der Gesamtschuldenlast des mittelamerikanischen Landes gekratzt – wie alle anderen bisherigen Debt-for-Nature Swaps auch. Zugleich wären die in Belize angestoßenen Umweltprogramme nach Meinung mancher Experten auch für weniger Geld zu haben gewesen.
»Debt-for-Nature Swaps werden uns nicht retten«, fasst darum das European Network on Debt and Development (Eurodad), ein Verbund von 60 Nichtregierungsorganisationen, die sich für Schuldengerechtigkeit einsetzen, zusammen. Sie seien zu teuer, zu undemokratisch, würden die Industrieländer aus ihrer Verantwortung entlassen, nichts an der Überschuldung ändern und könnten nicht einmal aus Naturschutzsicht überzeugen.
Greenwashing mit blauen Anleihen
Und auch der Internationale Währungsfonds bilanziert, Debt Swaps könnten für Länder, die in einer akuten Schuldenkrise stecken, sogar ein Hindernis für die Haushaltskonsolidierung darstellen. Es sei »fast immer effizienter, sich den Themen Überschuldung und Klima- oder Naturschutz getrennt voneinander zu widmen«. Allerdings gelte das eben nur »fast immer«. Für ein Land, das noch keinen Anspruch auf finanzielle Rettungsmaßnahmen habe, aber trotzdem viel Geld beispielsweise für die Anpassung an den Klimawandel brauche, könnte eine Umschuldung via Debt-for-Nature Swap eine gangbare Lösung darstellen.
Ähnlich argumentiert auch die Europa-Chefin von The Nature Conservancy Marianne Kleiberg. Viele Länder kämen überhaupt nur dank der Naturschutzauflagen an günstigere Konditionen für ihre Refinanzierung. Alternativen, wie sie zum Beispiel von der Weltbank geboten würden, seien schmerzhafter.
Eine Gruppe profitiert jedoch bei alldem ganz uneingeschränkt von den Swap-Geschäften: die Käufer der Blue Bonds. Sie erhalten ein risikoarmes Wertpapier mit hoher Verzinsung und dem Siegel der Nachhaltigkeit. Und das Siegel gibt es, selbst wenn nicht einmal klar ist, ob beim Swap der bestmögliche Umweltschutz für den gezahlten Preis herausgesprungen ist.
»Wir müssen aufpassen, dass es bei der Entwicklungspolitik nicht zum Greenwashing kommt«, warnt denn auch Saleem Ali. »Die Gefahr liegt aber nicht im grundlegenden Konzept dieser Geschäfte selbst, sondern in ihrer Umsetzung.« Wie Ali fordert auch die Artenschutzexpertin Alice Hughes strenge Überwachungsmechanismen, wie sie in ähnlicher Form bereits für humanitäre Hilfsorganisationen gelten würden. »Wir brauchen gute Standards, die keine Möglichkeit zum Greenwashing lassen«, fordert Hughes.
Neben der Natur müssten immer auch die Armutsbekämpfung und eine faire Schuldenpolitik des Globalen Nordens im Mittelpunkt stehen. Alice Hughes warnt: »Wenn Debt-for-Nature Swaps hauptsächlich dazu verwendet werden, Banker noch reicher zu machen, wird dies auch das Vertrauen der Menschen in dieses Instrument untergraben.«
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