Kognition: Riechen trächtige Fische schlechter?
Viele schwangere Frauen berichten davon, dass sie vergesslicher sind als zuvor. Dabei fällt oft der irreführende Begriff der »Schwangerschaftsdemenz« (englisch: Momnesia). Tatsächlich zeigen Studien, dass sich eine Schwangerschaft negativ auf das Lernen und das Gedächtnis auswirken kann. Auch bei anderen Säugetieren ist das bekannt. Ein niederländisches Forschungsteam hat erstmals untersucht, wie sich Trächtigkeit bei lebend gebärenden Fischen auf das Gehirn auswirkt. Auch hier zeigte sich ein Effekt: Die kognitiven Veränderungen betreffen bei ihnen allerdings weniger das Lernen oder Erinnern, sondern vielmehr die Entscheidungsfähigkeit und sensorische Wahrnehmung.
Die Forscher von der Universität Wageningen untersuchten dazu Seitenfleckkärpflinge (Poeciliopsis gracilis), deren Weibchen die so genannte Superfötation zeigen. Das bedeutet, dass sie gleich mehrere überlappende Würfe gleichzeitig tragen können und somit fast ständig schwanger sind. Das Team trainierte trächtige und nicht trächtige Fische zunächst darauf, eine grüne Scheibe mit Nahrung zu assoziieren. Anschließend mussten die Fische eine räumliche Lernaufgabe lösen: Zwei scheinbar identische Scheiben – bei einer wurden die Fische mit Futter belohnt, bei der anderen nicht – wurden an verschiedenen Positionen angebracht und zwischendurch auch getauscht. So wollten die Forscher beobachten, wie sich die Tiere an neue Standorte mit Futterbelohnung anpassen. Die Ergebnisse zeigten, dass trächtige Fische zwar genauso gut in der Lage waren, die Aufgaben zu lösen, jedoch wesentlich zögerlicher bei der Auswahl der richtigen Scheibe waren.
Anschließend analysierten die Fachleute das Gehirn der Fische mit Hilfe von Zellfärbungen, um Bereiche neuer Zellteilung zu identifizieren. Interessanterweise zeigte sich kein Unterschied in den Gehirnregionen, die für Lernen und Gedächtnis verantwortlich sind, aber eine verringerte Zellproliferation in den Regionen, die für die olfaktorische Wahrnehmung zuständig sind. Das deutet darauf hin, dass die Trächtigkeit die Fähigkeit der Fische, Gerüche im Wasser zu interpretieren, beeinträchtigt. Dies könnte dazu geführt haben, dass sich die Weibchen schlechter entscheiden konnten, welche Scheibe sie wählen sollten.
»Bei P. gracilis könnte die verringerte Entscheidungsfreudigkeit während der Schwangerschaft eine Anpassungsstrategie sein, bei der die Weibchen das Risiko der Nahrungssuche nicht eingehen, wenn die Belohnung nicht garantiert ist und so Energie für die Fortpflanzung sparen«, sagt Erstautorin Tiffany Ernst, die die Ergebnisse Anfang Juli auf der jährlichen Konferenz der »Society for Experimental Biology« vorstellte.
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