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Windenergie: Schwarze Rotorblätter verringern Vogelsterben

Ein Feldversuch zeigt: Ist ein Rotorblatt an einem Windrad schwarz gefärbt, verunglücken offenbar deutlich weniger Vögel an den Anlagen. Laut der Forscher gibt es aber noch mehr simple Schutzmechanismen.
Windkraft

Die Windenergie soll eine entscheidende Rolle für die Energiewende spielen, doch dem Artenschutz bescheren die Windkraftanlagen eine Negativbilanz. Denn häufig verenden Vögel und Fledermäuse in den Rotoren. Nun präsentieren Forscher um Roel May vom Norwegian Institute for Nature Research eine potenzielle Lösung: Im Fachblatt »Ecology and Evolution« schlagen sie vor, eines der drei Rotorblätter einer Windkraftanlage schwarz anzustreichen. Wie das Wissenschaftlerteam bei einem Feldversuch feststellte, sei dadurch die Sterblichkeit der Tiere um mehr als 70 Prozent gesunken.

Studien im Laborumfeld hatten bereits angedeutet, dass geschwärzte Rotorblätter Vögel vor der Kollision mit Windkraftanlagen bewahren. May und sein Team haben diese These nun unter realen Bedingungen im norwegischen Windpark Smøla geprüft. Bei vier Anlagen färbten sie jeweils ein Rotorblatt schwarz und beließen die benachbarten vier Windräder unverändert, um sie als Kontrollgruppe zu nutzen. Anschließend dokumentierten sie in einem Zeitraum von drei Jahren die Zahl der verendeten Vögel unter den Windtürmen. Das Ergebnis: Vor allem bei Greifvögeln wie dem Seeadler (Haliaeetus albicilla) seien die Verluste stark zurückgegangen, insgesamt um über 70 Prozent.

Der Grund dürfte in der erhöhten Sichtbarkeit der Rotoren liegen. Das schwarze Rotorblatt führe zu einer größeren Kontrastwirkung und verringere die Bewegungsunschärfe des Rotors. Dadurch könnten die Vögel die Windräder leichter erkennen und ausweichen. Die Forscher betonen zwar, dass sie den möglichen Effekt nur an einer recht geringen Zahl an Windrädern getestet hätten, »aber das Experiment lief über einen langen Zeitraum«, schreiben May und seine Kollegen.

Experten wie Reinhard Klemke, der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig tätig war, bemängeln ebenjenen Punkt. So »können die beobachteten Effekte bei einer so kleinen Stichprobe, auch wenn die Untersuchung über längere Zeit lief, immer noch rein zufällig bedingt sein«, zitiert ihn der Pressedienst »Science Media Center«. Stephan Barth von ForWind, dem Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Bremen, Hannover und Oldenburg, ist der Ansicht, dass die Studie »ein glaubwürdiges Bild« zeige. Er stimme aber zu, dass die Fallzahlen noch gering seien und dies zu statistischen Streuungen führen könnte – so würden es jedoch die Studienautoren um May ebenfalls herausstellen und daher empfehlen, die Tests auf Windparks andernorts auszuweiten.

Vögel kollidieren auch mit den Türmen der Windkraftanlagen

Wie die norwegischen Forscher darüber hinaus in einer Presseaussendung berichten, hätte es auch eine signifikante Wirkung gehabt, den Turm einer Windkraftanlage zu bemalen. Nachdem die Wissenschaftler den unteren Teil schwarz gefärbt hatten, seien daraufhin 50 Prozent weniger Vögel dort zu Tode gekommen.

Die Forschergruppe prüfte außerdem andere Methoden zum Vogelschutz – solche, die geringe Kosten und wenig Aufwand verursachen. So installierten sie in einem Feldversuch große Lampen, die violettes und UV-Licht ausstrahlten. Die Vögel seien zwar daraufhin höher geflogen, allerdings nur um etwa sieben Meter. »Das ist nicht viel verglichen mit der Größe eines Rotorblatts von 40 bis 50 Metern«, sagt May.

Nicht nur das Aussehen der Windkraftanlagen sei ausschlaggebend, sondern auch ihre Position – besonders an Stellen, an denen auf Grund der Topografie starke Aufwinde herrschen. Denn Greifvögel nutzen solche Windbedingungen, um in die Höhe zu gleiten. Im Rahmen eines weiteren Projekts haben Forscher des Norwegian Institute for Nature Research daher ein Geoinformationssystem entwickelt, das die Windsituation punktuell bestimmen kann. Damit soll sich prüfen lassen, ob die Stelle eines geplanten Windkraftparks mit dem Artenschutz vereinbar ist.

Anm. der Redaktion (28. August 2020): Wir haben die ursprüngliche Fassung des Texts mit den Statements von Klemke und Barth ergänzt, die der Pressedienst »Science Media Center« veröffentlicht hat.

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