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Entwicklungsländer: Schwarze Zukunft einmal positiv

Holzkohle - das klingt nach sommerlichem Grillvergnügen. Anders in Afrika: Dort sind die schwarzen Brocken neben gesammelten Ästen und Zweigen der Hauptbrennstoff in den Haushalten. Eine technisch modernere Herstellung und weitere Verbreitung der Brikettnutzung, kombiniert mit einem sinnvollen Waldmanagement, könnte Millionen Leben retten und die Umwelt schützen.
Frauen beim Holzsammeln
Mehr als 1,6 Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, sterben jährlich an Atemwegserkrankungen – und zwar nicht durch Lungenentzündung oder schwere Erkältungen, sondern auf Grund der Luftverschmutzung in den eigenen vier Wänden. Die Ursache: Feinste Partikel im Rauch der Feuer von Holz oder Holzkohle, die in den meisten Entwicklungsländern nun einmal Herd und nötigenfalls Heizung bieten.

Im Jahr 2000 verbrannten die Menschen allein in Afrika südlich der Sahara 470 Millionen Tonnen Holz – mühsam gesammelt oder in höchst ineffizienter Weise zu Holzkohle verschwelt. Weitere Folgen sind unnötige Treibhausgasemissionen und Raubbau an den sowieso schon gefährdeten Wäldern.

Waldrodung zur Holzkohleherstellung | Aus den frisch gefällten Bäumen soll Holzkohle hergestellt werden. Selbst die Wurzeln werden ausgegraben, damit kein Jungwuchs nachkommt, der eine Konkurrenz zu demnächst gesetzten Nutzpflanzen darstellen könnte.
Mündet das in eine schwarze Zukunft? Sieht ganz danach aus, stellen Robert Bailis von der Universität von Kalifornien in Berkeley und seine Kollegen fest. Doch meinen sie das anders als gedacht: Schwarz ja, aber in positivem Sinne, denn Holzkohle, in technisch modernen Verfahren hergestellt, bietet ihren Analysen zufolge einen gesundheits- wie umweltverträglichen Weg für die afrikanische Bevölkerung.

Die Forscher haben anhand von umfangreichen Daten der Welternährungsorganisation FAO und der Weltbank den Pro-Kopf-Verbrauch der verschiedenen holzbasierten Brennstoffe in städtischen und ländlichen Gegenden des südlichen Afrikas ermittelt und einen Blick in die Zukunft bis ins Jahr 2050 gewagt.

Dabei wählten sie verschiedene Szenarien: Entweder die momentane Entwicklung setzt sich fort, oder aber die Haushalte steigen um auf eine alleinige Nutzung von Holzkohle beziehungsweise von fossilen Brennstoffen auf Erdölbasis. In verschiedenen Ansätzen berücksichtigten die Forscher weiterhin den Einfluss einer nachhaltigen Wiederaufforstungs- und Bewirtschaftungsstrategie und einer verbesserten Produktionsweise für die Holzkohle.

Am sinnvollsten aus Klima- und Gesundheitssicht wäre den Ergebnissen zufolge der Schritt zu Kerosin und Propangas. Aber wie die Wissenschaftler selbst einräumen: Dies wäre allein aus Kostengründen für die meisten Menschen in der Region nicht zu verwirklichen. So kostet allein ein entsprechender Herd zehnmal so viel wie ein vergleichbarer Holzkohlebrenner. Ganz abgesehen von dem Problem, überhaupt erst an die Brennstoffe zu kommen – gerade im ländlichen Raum fehlt dafür völlig die Infrastruktur.

Bleibt hingegen alles beim alten, so werden in den nächsten dreißig Jahren 9,8 Millionen Frauen und Kinder die partikelträchtige Befeuerung mit dem Leben bezahlen und bis 2050 weitere 6,7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre gepustet werden – immerhin 5,6 Prozent des gesamten Treibhausgasaustoßes Afrikas. Ohne Frage die schlechteste Alternative.

Herdmodelle | Im Rahmen eines Workshops begutachten die Frauen verschiedene Herdmodelle, die effizienter und schadstoffärmer sind.
Holzkohle statt Holz im Feuer könnte dagegen die Innenraumbelastung der Luft bereits um neunzig Prozent senken – allein das würde bis zu drei Millionen Frauen und Kindern das Leben retten. Selbst aus Sicht des Atmosphärenschutzes wäre der Umstieg auf die schwarzen Briketts sinnvoll, allerdings nur wenn gleichzeitig effizientere Herstellungsverfahren zum Einsatz kämen und die Wälder gezielt bewirtschaftet werden.

Denn der Haken ist: Mit dem Wechsel zu Holzkohle steigen die Treibhausgasemissionen – mit den entsprechenden Maßnahmen ließe sich dieser Zuwachs aber zumindest auf 5 bis 36 Prozent begrenzen. Ohne jegliche Zusatzaktionen läge die Zunahme jedoch bei 140 bis 190 Prozent.

Einen weiteren Vorteil sehen Bailis und seine Kollegen darin, dass der Umstieg auf Holzkohle als alleinigem Brennstoff angesichts der jetzt schon verbreiteten Nutzung selbst kurzfristig kein großes Problem wäre.

Interessant wäre noch gewesen, wie alternative Energien in den Simulationen abgeschnitten hätten, die nicht berücksichtigt wurden. Insgesamt aber bleibt das Fazit: Die bestehenden Verhältnisse ließen sich durch simple technologische Maßnahmen wesentlich verbessern – und damit ist ganz klar die industrialisierte Welt gefragt.

Welch hervorragende Gelegenheit bietet sich nun, den vollmundig formulierten Absichten beispielsweise im Rahmen der Millenium Developmental Goals der Vereinten Nationen oder diverser Treffen wirtschaftlich führender Nationen endlich einmal Taten folgen zu lassen. Denn wie Studienleiter Daniel Kammen treffend in Worte fasst: "Selten bietet sich eine Situation, in der bestehende Technologie einen solchen Unterschied macht."

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