Schwarze Löcher: Massereiches Schwarzes Loch im Exil?
Die Existenz von extrem dichten Materieansammlungen, aus deren Inneren nichts nach Außen dringt und die nur über die Wechselwirkung mit ihrer Umgebung nachzuweisen sind, ist in der Astronomie gesichert. Die Schwarzen Löcher weisen unterschiedliche Massen auf. Insbesondere zwei Arten werden häufig beobachtet: Die stellaren Schwarzen Löcher entstehen, wenn massereiche Sterne in sich zusammenfallen, sobald sie ihren Brennstoff aufgebraucht haben und sich nicht mehr gegen ihre Eigengravitation wehren können. Extrem massereiche Schwarze Löcher hingegen weisen Massen von mehreren Millionen Sonnenmassen auf und sind in den Zentren von Galaxien zu finden.
Ein Astronomenteam um Michael Koss von der ETH Zürich untersuchte nun die Quelle SDSS1133, bei der es sich ihrer Ansicht nach um ein Materie ansammelndes massereiches Schwarzes Loch handeln könnte, das aber nicht in einer Galaxie eingebettet ist. Die Quelle im Sternbild Großer Bär ist rund 90 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und wurde nach ihrem Helligkeitsanstieg 2001 als Supernova eingestuft. In ihrer Nähe, in rund 2600 Lichtjahren, befindet sich eine Zwerggalaxie mit der Bezeichnung Markarian 177. Dass es sich hierbei jedoch um keine gewöhnliche Sternexplosion handeln könnte, bemerkten die Forscher 2013 bei ihren Beobachtungen am Keck-Observatorium auf Hawaii. Die Quelle leuchtete zwar rund zehn Mal schwächer als auf den Aufnahmen von 2001, doch eine Supernova hätte noch deutlich leuchtschwächer sein müssen. Um das ungewöhnliche Objekt, dessen Strahlungszone einen Durchmesser von weniger als 40 Lichtjahre aufweist, genauer zu untersuchen, bezogen die Astronomen zusätzliche Beobachtungsdaten bei unterschiedlichen Wellenlängen, die bis zum energiereichen Röntgenlicht reichten. Zudem entdeckten sie die Quelle auch auf Archivaufnahmen aus den 1950er und 1960er Jahren.
Die Analyse aller Daten lässt den Schluss zu, dass es sich bei der Quelle um ein massereiches Schwarzes Loch handeln könnte, das eine Akkretionsscheibe aufweist, in der einfallendes Material erhitzt und zum Leuchten angeregt wird. Dieses Phänomen ist von aktiven galaktischen Kernen bekannt. Diese befinden sich jedoch in den Zentren von Galaxien und nicht außerhalb. Tatsächlich gibt es aber einen Mechanismus, der erklären könnte, wie das Schwarze Loch aus dem Zentrum der benachbarten Galaxie herauskatapultiert worden sein könnte: Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei der Verschmelzung von Galaxien sich auch die Schwarzen Löcher in ihren Zentren vereinigen. Die allgemeine Relativitätstheorie sagt voraus, dass bei diesen Vorgängen Gravitationswellen – Störungen in der Raumzeit – entstehen und abgestrahlt werden. Weisen die ursprünglichen Schwarzen Löcher unterschiedliche Massen oder Rotationsgeschwindigkeiten auf, so breiten sich die Gravitationswellen nicht gleichmäßig in alle Raumrichtungen aus, was zu einem Nettoimpuls in eine bestimmte Richtung führt. Das erzeugt einen Gegenimpuls, der einen Rückstoß auf das neue, vereinigte Schwarze Loch ausübt. Ist ein solcher Rückstoß schwach, so wird das Schwarze Loch wegen des Gravitationsfelds der Galaxie wieder an seine Position schwingen. In einigen Fällen jedoch kann es hohe Geschwindigkeiten von bis zu rund 5000 Kilometern pro Sekunde annehmen und somit sogar aus der Galaxie geschleudert werden. Ein solches Szenario wäre für SDSS1133 und seine benachbarte Zwerggalaxie, von denen die Forscher annehmen, dass sie aus einer Verschmelzung hervorging, durchaus denkbar.
Die vorliegenden Daten lassen aber noch keine eindeutigen Schlüsse zu. Ein zweiter Erklärungsansatz für die Beobachtungen wäre eine exotische, lange andauernde Supernova eines riesigen Sterns. Damit würde die Quelle zu den so genannten Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen (LBVs) zählen, die auf instabile blaue Hyperriesen zurückgeführt werden. Noch vor ihrer eigentlichen Supernova-Explosion stoßen diese massereichen und heißen Sterne in unregelmäßigen Abständen beträchtliche Anteile ihrer Hüllen ab. Diese Eruptionen gehen mit erheblichen Helligkeitsanstiegen einher, die mit Supernovae verwechselt werden können.
Träfe dieses noch nicht im Detail verstandene Szenario auf SDSS1133 zu, so würde es bedeuten, dass der Stern bereits im Verlauf von mindestens 50 Jahren vor seiner finalen Explosion in mehreren Eruptionen einen Großteil seiner Masse verloren hätte. Darüber hinaus wären die über die lange Zeitdauer nachgewiesenen Helligkeitsschwankungen die längste jemals beobachtete Serie von Ausbrüchen, die einer Supernova vorausgingen.
Die Forscher planen, das Objekt in den kommenden Jahren weiter zu untersuchen, um hinter sein Geheimnis zu kommen. Sollte es sich bei ihm um eine Art von Sternexplosion handeln, so ist zu erwarten, dass die Quelle stetig verblasst. Zukünftige Schwankungen in der Helligkeit würden allerdings für eine aktive Akkretionsscheibe um ein kompaktes Objekt wie ein Schwarzes Loch sprechen. Sollte das der Fall sein, dann wären solche Rückstöße auf Schwarze Löcher weitere indirekte Hinweise auf die Existenz von Gravitationswellen, deren Auswirkungen zwar bereits beobachtet wurden, die aber selbst noch nie direkt gemessen werden konnten.
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