Schwarze Löcher: Schwarzes Loch mit hellem Flackern
Schwarze Löcher sind gefräßig: Gelangt ein Stern in den Einfluss des Schwerefelds eines Schwarzen Lochs, so saugt der dunkle Vampir den Brennstoff nach und nach auf. Das Material wird dabei auf immer engere und schnellere Bahnen um das Zentrum gezogen und heizt sich derart auf, dass sich regelmäßig gigantische, gebündelte Materieströme beinahe mit Lichtgeschwindigkeit ins Weltall entladen – so genannte Jets. Solche Jets eines Schwarzen Lochs konnte nun der Wide-Field Infrared Survey Explorer (WISE) der NASA beobachten. Die Bilder sind die erste Fotografie eines materiespeienden Schwarzen Lochs.
Das Schwarze Loch GX 339-4 ist kein Unbekannter. Schon vor etwa 30 Jahren fiel die ungewöhnliche Röntgenstrahlung auf, die dieses Objekt in unregelmäßigen Abständen aussendet. Die Astronomen kannten ein ähnliches Verhalten bereits vom außerordentlich interessanten System Cygnus X-1, in dem ein Schwarzes Loch seinen Nachbarstern aussaugt. Durch sein Verhalten katapultierte sich GX 339-4 schnell in die Liste der heißesten Kandidaten auf der Suche nach Schwarzen Löchern (Link zur Nature-Veröffentlichung von 1979).
GX 339-4 liegt etwa 20 000 Lichtjahre von der Erde entfernt in der Nähe des Zentrums der Milchstraße. Das Schwarze Loch hat etwa sechs Sonnenmassen und wird von einem deutlich leichteren Stern beleitet, der ständig große Mengen seines Brennstoffs opfert. Das Schwerefeld des Schwarzen Lochs sammelt dieses Material in einer so genannten Akkretionsscheibe: Gas und Staub werden in immer engeren Bahnen in Richtung des Zentrums gezogen. In diesem Strudel heizt sich das Material durch Reibung im immer dichteren und schnelleren Umlauf stark auf, so dass die Akkretionsscheibe in der Nähe des Zentrums im infraroten Spektralbereich hell leuchtet. Gelegentlich entlädt sich ein Teil der angestauten Energie und schleudert gebündelte Ströme aus Gas und Staub in Richtung der Rotationsachse.
Einen Blick in genau diesen heißen, inneren Bereich der Akkretionsscheibe gestattet der Satellit WISE, der für Aufnahmen im Infraroten optimiert ist. Der Satellit durchsuchte im Lauf eines Jahres von 2010 bis 2011 den gesamten Himmel systematisch nach Quellen infraroter Strahlung und nahm dabei über zwei Millionen Bilder auf – eine Aufnahme alle elf Sekunden. Der Satellit hat seinen Dienst mittlerweile beendet, doch erst nach und nach entdecken Astronomen die vielen Perlen in den riesigen Datenmengen. So fotografierte WISE beispielsweise zahlreiche außergewöhnlich kalte Braune Zwerge (wir berichteten).
Nun fiel den Astronomen der NASA in den WISE-Aufnahmen ein spektakuläres Flackern von GX 339-4 auf. Innerhalb weniger Umläufe von WISE von jeweils 95 Minuten verdreifacht GX 339-4 seine Leuchtkraft. Bereits zwischen einem unmittelbaren Bilderpaar, also innerhalb von 11 Sekunden, sind die Veränderungen dramatisch. Die Daten sind ein bisher einmaliger und glücklicher Blick in das Verhalten von derartigen Doppelsystemen im infraroten Spektralbereich – die Dynamik von Schwarzen Löchern konnten Astronomen bislang hauptsächlich anhand der energiereichen Röntgenstrahlung studieren. Die WISE-Bilder sind jetzt so etwas wie eine Nahaufnahme der inneren Bereiche des Jets kurz nach ihrer Entstehung am Rand des Schwarzen Lochs.
Diese Ergebnisse wurden von Poshak Gandhi, Astronom der japanischen Raumfahrtagentur JAXA, in einer Studie in den Astrophysical Journal Letters ausgewertet (Link zur Studie). Dieser Link führt zu einer animierten Sequenz der WISE-Bilder auf der Homepage von Poshak Gandhi, aufgenommen im Lauf eines Tages. Im Video sind die Jets des Schwarzen Lochs als ein deutliches Flackern der infraroten Strahlung zu erkennen. Ein spektakuläres Resultat der Beobachtungen fasst der Autor der Studie anschaulich zusammen: "Wenn man sich den Jet des Schwarzen Lochs als Feuerwehrschlauch vorstellt, dann haben wir festgestellt, dass der Fluss durch den Schlauch stoßweise erfolgt, und der Schlauch selbst seinen Durchmesser ständig dramatisch verändert." Zeitweise vergrößert sich dabei die Breite des Jets, der im Mittel etwa 20 000 Kilometer misst, um mehr als das Zehnfache.
Mike Beckers
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