Marine Mikrobiologie: Schwefelschalter
Neben dem bekannten Treibhausgas CO2 und den Ozonkillern FCKW gibt es noch weitere klimarelevante Substanzen: Eine davon entsteht als Abfallprodukt des Meeresplankton, fördert die Wolkenbildung und hört auf das Kürzel DMS. Doch manche Mikroorganismen entziehen es aus dem Kreislauf.
Eine leicht flüchtige, farblose, brennbare, giftige Flüssigkeit, die in Kaffee und Kakao vorkommt und sich bei manchen Insekten als Pheromon bewährt. Die Eigenschaften von Dimethylsulfid – kurz DMS genannt – klingen nicht gerade sehr aufregend. Nur einige Botaniker und Insektenkundler interessierten sich für das einfach gebaute Molekül, das aus zwei, über eine Schwefelbrücke miteinander verknüpften Methyl-Gruppen besteht.
Das änderte sich schlagartig, als der Chemiker James Lovelock – der Vater der "Gaia-Hypothese" – in den 1970er Jahren die Welt auf die klimarelevante Rolle von DMS aufmerksam machte: Dimethylsulfid wird in der Atmosphäre zu schwefeliger Säure oxidiert; die hierbei entstehenden Tröpfchen fördern die Wolkenbildung und kühlen somit die Erde ab.
Woher stammt nun der Wolkenfaktor? Aus dem Meer. Hier produzieren pflanzliche und bakterielle Planktonorganismen aus im Meerwasser reichlich vorhandenen Sulfaten eine Substanz namens DMSP (Dimethylsulfoniumpropionat), die sie als vielseitiges Schutzmittel gegen Fraßfeinde, Frost und freie Sauerstoff-Radikale einsetzen oder schlicht zur Entsorgung schwefelhaltiger Abfälle nutzen. Wenn die Zellen absterben oder durch räuberisches Zooplankton angeknabbert werden, dann baut im letzten Todeskampf das Enzym DMSP-Lyase die Substanz ab in Acrylsäure – und DMS. Schätzungsweise zwanzig Millionen Tonnen Schwefel gelangen so jährlich aus dem Meer in die Atmosphäre; die DMS-Freisetzung der Ozeane gilt als größte natürliche Schwefel-Quelle.
Inzwischen hat sich gezeigt, dass freigesetztes DMSP nicht vollständig in DMS umgewandelt wird. Manche Plankter wie das Cyanobakterium Synechococcus nehmen es vielmehr wieder auf. Die Forscher um Maria Vila-Costa vom Institut für Meereswissenschaften in Barcelona wollten nun wissen, ob es noch mehr DMSP-Fresser gibt [1].
In der Tat wurden die Meeresforscher fündig. In Wasserproben aus dem Golf von Mexiko, dem nordwestlichen Mittelmeer, den Gewässern um Gran Canaria sowie aus der Sargassosee im Atlantik tat sich eine Organismengruppe hervor, deren Rolle für den Schwefel-Kreislauf offenbar bisher vollkommen unterschätzt wurde: Kieselalgen. Die in riesigen Individuenzahlen vorkommenden einzelligen Algen gelten als wichtige Kohlenstoff-Pumpe, die durch Fotosynthese der Atmosphäre CO2 entziehen und es beim Absinken in die Tiefe der Meeres verlagern. Da ihre Zellen aber nur wenig DMSP enthalten, galt ihre Rolle im Schwefel-Kreislauf eher als unbedeutend.
Ein Irrtum. Wie Experimente mit radioaktiv markierten DMSP ergaben, saugen die Kieselalgen die Substanz regelrecht auf, sobald es ihnen schlecht geht. Da sich die Planktondichte mit der Jahreszeit stark verändert, schwankt auch die DMS-Freisetzung des Meeres entsprechend.
Noch weiter in die Tiefen der DMS-Produktion drang die Arbeitsgruppe von Mary Ann Moran von der Universität von Georgia vor [2].
Bestimmte fotosynthetische Bakterien wie Silicibacter pomeroyi besitzen diesen DMSP-Killer, und die Forscher suchten jetzt nach dem entsprechenden Gen für den Stoffwechselweg. Bei einer S.-pomeroyi-Mutante, die kein Methanthiol produzierte, entdeckten sie eine Veränderung in einem bestimmten Abschnitt des Bakterienchromosoms. Dieser Erbfaktor kodiert für den ersten Schritt: der Demethylierung von DMSP. Das Gen war gefunden und wurde auf den Namen dmdA getauft.
Daraufhin fahndeten die Forscher nach dmdA-Spuren in Wasserproben aus der Sargassosee – mit Erfolg: Schätzungsweise ein Drittel des Bakterioplanktons von der Meeresoberfläche besitzt es und kann demnach die DMS-Freisetzung in die Atmosphäre verhindern. Sowohl Bakterien der Küstengewässer als auch auf hoher See scheinen somit wesentlich in den Schwefel-Kreislauf und damit in das Klima einzugreifen.
"Dieser Durchbruch in der mikrobiellen Physiologie des DSMP-Stoffwechsels öffnet uns eine Tür, um die Biologie und die Ökologie dieses global wichtigen Prozesses endlich zu verstehen", betont der an der Entdeckung des Schwefelgenschalters beteiligte William Whitman. "Das sind notwendige Schritte, um zu begreifen, wie unser Planet funktioniert."
Das änderte sich schlagartig, als der Chemiker James Lovelock – der Vater der "Gaia-Hypothese" – in den 1970er Jahren die Welt auf die klimarelevante Rolle von DMS aufmerksam machte: Dimethylsulfid wird in der Atmosphäre zu schwefeliger Säure oxidiert; die hierbei entstehenden Tröpfchen fördern die Wolkenbildung und kühlen somit die Erde ab.
Woher stammt nun der Wolkenfaktor? Aus dem Meer. Hier produzieren pflanzliche und bakterielle Planktonorganismen aus im Meerwasser reichlich vorhandenen Sulfaten eine Substanz namens DMSP (Dimethylsulfoniumpropionat), die sie als vielseitiges Schutzmittel gegen Fraßfeinde, Frost und freie Sauerstoff-Radikale einsetzen oder schlicht zur Entsorgung schwefelhaltiger Abfälle nutzen. Wenn die Zellen absterben oder durch räuberisches Zooplankton angeknabbert werden, dann baut im letzten Todeskampf das Enzym DMSP-Lyase die Substanz ab in Acrylsäure – und DMS. Schätzungsweise zwanzig Millionen Tonnen Schwefel gelangen so jährlich aus dem Meer in die Atmosphäre; die DMS-Freisetzung der Ozeane gilt als größte natürliche Schwefel-Quelle.
Kein Wunder, dass sich Atmosphärenchemiker brennend für das kleine Molekül interessieren. Allerdings schlugen Berechnungen des DMS-Umsatzes, der über die Planktondichte abgeschätzt wurde, bisher fehl. Offensichtlich ist das Schicksal der Vorläufersubstanz DMSP doch komplizierter als zunächst vermutet.
Inzwischen hat sich gezeigt, dass freigesetztes DMSP nicht vollständig in DMS umgewandelt wird. Manche Plankter wie das Cyanobakterium Synechococcus nehmen es vielmehr wieder auf. Die Forscher um Maria Vila-Costa vom Institut für Meereswissenschaften in Barcelona wollten nun wissen, ob es noch mehr DMSP-Fresser gibt [1].
In der Tat wurden die Meeresforscher fündig. In Wasserproben aus dem Golf von Mexiko, dem nordwestlichen Mittelmeer, den Gewässern um Gran Canaria sowie aus der Sargassosee im Atlantik tat sich eine Organismengruppe hervor, deren Rolle für den Schwefel-Kreislauf offenbar bisher vollkommen unterschätzt wurde: Kieselalgen. Die in riesigen Individuenzahlen vorkommenden einzelligen Algen gelten als wichtige Kohlenstoff-Pumpe, die durch Fotosynthese der Atmosphäre CO2 entziehen und es beim Absinken in die Tiefe der Meeres verlagern. Da ihre Zellen aber nur wenig DMSP enthalten, galt ihre Rolle im Schwefel-Kreislauf eher als unbedeutend.
Ein Irrtum. Wie Experimente mit radioaktiv markierten DMSP ergaben, saugen die Kieselalgen die Substanz regelrecht auf, sobald es ihnen schlecht geht. Da sich die Planktondichte mit der Jahreszeit stark verändert, schwankt auch die DMS-Freisetzung des Meeres entsprechend.
Noch weiter in die Tiefen der DMS-Produktion drang die Arbeitsgruppe von Mary Ann Moran von der Universität von Georgia vor [2].
"Das sind notwendige Schritte, um zu begreifen, wie unser Planet funktioniert"
(William Whitman)
Die Vorläufersubstanz DMSP muss nämlich nicht zwangsläufig zu Dimethylsulfid abgebaut werden. Schon länger ist bekannt, dass sich gelegentlich ein anders Enzym, DMSP-Demethylase, eine Methylgruppe vom DMSP schnappt und es somit in Methylmercaptopropionat umwandelt. Dieses kann dann weiter abgebaut werden zu Mercaptopropionat oder zu Methanthiol – auf jeden Fall ist es dem Klimageschehen entzogen. (William Whitman)
Bestimmte fotosynthetische Bakterien wie Silicibacter pomeroyi besitzen diesen DMSP-Killer, und die Forscher suchten jetzt nach dem entsprechenden Gen für den Stoffwechselweg. Bei einer S.-pomeroyi-Mutante, die kein Methanthiol produzierte, entdeckten sie eine Veränderung in einem bestimmten Abschnitt des Bakterienchromosoms. Dieser Erbfaktor kodiert für den ersten Schritt: der Demethylierung von DMSP. Das Gen war gefunden und wurde auf den Namen dmdA getauft.
Daraufhin fahndeten die Forscher nach dmdA-Spuren in Wasserproben aus der Sargassosee – mit Erfolg: Schätzungsweise ein Drittel des Bakterioplanktons von der Meeresoberfläche besitzt es und kann demnach die DMS-Freisetzung in die Atmosphäre verhindern. Sowohl Bakterien der Küstengewässer als auch auf hoher See scheinen somit wesentlich in den Schwefel-Kreislauf und damit in das Klima einzugreifen.
"Dieser Durchbruch in der mikrobiellen Physiologie des DSMP-Stoffwechsels öffnet uns eine Tür, um die Biologie und die Ökologie dieses global wichtigen Prozesses endlich zu verstehen", betont der an der Entdeckung des Schwefelgenschalters beteiligte William Whitman. "Das sind notwendige Schritte, um zu begreifen, wie unser Planet funktioniert."
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